Ausgabe 12/2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 6. Dezember 2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 6. Dezember 2023
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<strong>12</strong>/<strong>2023</strong> Gesellschaft · 29<br />
DER KLEINE BODIGT DEN GROSSEN –<br />
UNERWARTET, SCHLAGFERTIG UND SCHLAU<br />
In seinem neusten Buch, in dem auch einige Herisauer Erwähnung finden, bündelt Journalist<br />
und Autor Peter Eggenberger jahrhundertealte Diskussionen und Theorien um den Appenzeller<br />
Witz. Nicht trocken, sondern mit zahlreichen Anekdoten und witzigen Geschichten.<br />
Peter Eggenberger, Sie sind der Initiant<br />
des Witzweges von Heiden über Walzenhausen<br />
nach Wolfhalden. Nun haben Sie<br />
ein Buch über den Appenzeller Witz geschrieben.<br />
Was macht den für Sie so interessant?<br />
Spannend ist das Muster «David gegen Goliath»,<br />
der Appenzeller Witz geht also – salopp<br />
gesagt – in die Zeit 1000 Jahre vor Christus<br />
zurück, als der Riese, der vermeintlich Starke,<br />
den Schwachen herausforderte und provozierte.<br />
Dieser reagierte schlagfertig, unerwartet<br />
und schlau und bodigte so wider<br />
Erwarten den Grossen. Gleich verhält es sich<br />
mit dem Appenzeller Witz: Der Kleine gibt<br />
dem Geschehen mit einer schlagfertigen,<br />
unerwarteten verbalen Reaktion eine Wende<br />
und gibt den «Starken» somit dem Spott<br />
preis und lässt ihn «klein» aussehen.<br />
Können Sie kurz schildern, was die Lesenden<br />
Ihres Buches erwartet?<br />
Das Buch geht auf die Hintergründe des Kulturguts<br />
«Appenzeller Witz» ein. Woher kommen<br />
die Witze? Wer hat sie weiterverbreitet?<br />
Und ist der Appenzeller so witzig, wie es das<br />
weitverbreitete Klischee wahrhaben will? Natürlich<br />
nicht, es gibt auch eine dunkle Kehrseite.<br />
Und auch der Appenzeller, die Appenzellerin,<br />
hat wie jeder Mensch zwei Seelen in<br />
der Brust. Spannend ist zudem die Tatsache,<br />
dass der ab 1750 einsetzende Kurtourismus<br />
mit vielen deutschen Gästen den Witz beflügelt<br />
hat, und nicht zuletzt deshalb wurde<br />
der Deutsche zur beliebten Zielscheibe der<br />
Appenzeller Witzigkeit.<br />
In Ihrem Buch finden auch Herisauer Persönlichkeiten<br />
wie etwa Rudolf Fastenrath,<br />
Spezialarzt für Geschlechtskrankheiten,<br />
Erwähnung. Was verbindet diesen mit dem<br />
Appenzeller Witz?<br />
Fastenrath war nicht nur Naturarzt, sondern<br />
auch Fan der Appenzeller Kultur, für die er<br />
die Tonhalle in Herisau baute. Oft war er mit<br />
einer Jodlergruppe in Tracht unterwegs, und<br />
bei dieser Gelegenheit wurde das Publikum<br />
zusätzlich mit Witzen unterhalten. Für eine<br />
Verbreitung des Appenzeller Witzes sorgten<br />
aber nicht zuletzt Kleinwüchsige wie etwa<br />
der ebenfalls im Buch beschriebene Seppli<br />
Fässler aus Herisau. Er war gemeinsam mit<br />
seinem riesenhaften Schwager im ganzen<br />
Land unterwegs und zementierte so das Klischee<br />
vom kleinen Appenzeller.<br />
Apropos Klischee «klein und witzig». Dieses<br />
wird den Appenzellern heute noch zugeschrieben.<br />
Zu Recht?<br />
Das Klischee hält sich hartnäckig, trifft aber<br />
vor allem punkto «klein» kaum mehr zu.<br />
«Witzig» ist noch eher der Fall, gibt es doch<br />
noch immer recht viele witzige schlagfertige<br />
Zeitgenossen in beiden Appenzell.<br />
Ein weiterer Herisauer, der in Ihrem Buch<br />
Erwähnung findet, ist August Nef (1901 bis<br />
1983). Weshalb schreiben Sie, er sei zu Unrecht<br />
in Vergessenheit geraten?<br />
Die Geschichten und Theaterstücke von August<br />
Nef waren einst beliebt und sind auch<br />
aus heutiger Sicht amüsant. Seine Schriften<br />
wurden aber nicht mehr nachgedruckt.<br />
Sie sind also der Meinung, seine Werke<br />
müssten wieder der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht werden? Allenfalls ein neues<br />
Projekt für Sie als Journalist und Autor?<br />
Durchaus denkbar, dass ich mich dereinst näher<br />
mit ihm befasse. Wie und wann, muss ich offenlassen.<br />
Leider sind auch viel bekanntere Appenzeller<br />
Persönlichkeiten wie Jakob Hartmann, alias<br />
«Chemifeger Bodemaa», oder der Poet Julius<br />
Ammann – beide sind in meinem Buch ebenfalls<br />
vertreten – vergessen gegangen.<br />
Abschliessend: Welches ist Ihr persönlicher<br />
Lieblingswitz?<br />
Ein deutscher Kurgast will im renommierten<br />
Hotel Kurhaus-Bad in Walzenhausen übernachten.<br />
Das ist ihm zu teuer, er lässt sich<br />
im benachbarten Gasthaus Bahnhof von<br />
der Wirtsfrau durchs Haus führen. Es sind<br />
saubere Zimmer, aber ohne jeden Komfort.<br />
Am Schluss des Rundgangs meint der Gast<br />
von oben herab: «Was kostet denn ein Zimmer<br />
in diesem Saustall?» Erwidert die Wirtin:<br />
«Zwanzg Franke pro Nacht und pro Sau!» (es)<br />
Peter Eggenberger widmet sein neuestes Buch dem Appenzeller Witz<br />
(Bild: Appenzeller Verlag)<br />
Peter Eggenberger, Der Appenzeller Witz, Appenzeller<br />
Verlag, ISBN 978-3-85882-878-1