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immobilia 2023/12 - SVIT

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Pure Idylle – aber:<br />

Nicht jeder Schutz<br />

des Siedlungs- und<br />

Landschaftsbilds<br />

rechtfertigt staatliche<br />

Massnahmen.<br />

folglich der Umbau, Ersatz oder gar die Neuerstellung<br />

des Bauernhauses. Eine Revision<br />

der kommunalen BZO sei bereits in Arbeit.<br />

Geplant seien ein Kernzonenplan und<br />

Zonenbestimmungen. So könnten ortsbaulich<br />

prägende Elemente künftig geschützt<br />

werden. Von der revidierten BZO würde<br />

auch das Kleinbauernhaus erfasst. Deshalb<br />

schütze man das Objekt nun – quasi als<br />

Übergangslösung – mittels denkmalrechtlicher<br />

Verfügung.<br />

Dieses Vorgehen sei nicht vertretbar, so<br />

die Rekurrentin. Die Gemeinde könne kein<br />

Gebäude mit der Begründung des Ortsbildschutzes<br />

unter denkmalpflegerischen<br />

Schutz stellen, wenn es die Voraussetzungen<br />

für eine Unterschutzstellung nicht erfülle.<br />

Das Gutachten attestiere dem Objekt<br />

weder Eigen- noch Situationswert. Davon<br />

weiche der Gemeinderat ohne Begründung<br />

diametral ab – bloss, um das gewünschte Resultat<br />

zu erreichen.<br />

BILD: <strong>12</strong>3RF.COM<br />

SCHUTZOBJEKT, ZEITZEUGE,<br />

SITUATIONSWERT<br />

§ 203 Abs. 1 lit. c PBG bezweckt den Erhalt<br />

qualifizierter Landschafts- und Siedlungsbilder.<br />

Schutzobjekte sind Ortskerne,<br />

Quartiere, Strassen und Plätze oder Gebäude,<br />

die als wichtige Zeugen einer politischen,<br />

wirtschaftlichen, sozialen oder baukünstlerischen<br />

Epoche erhaltenswürdig sind. Sie<br />

prägen die Landschaft oder Siedlungen wesentlich<br />

und wirkungsvoll. Ein Bauobjekt<br />

geniesst als Zeitzeuge besonderen Schutz<br />

wegen seiner ortsbaulichen, baulichen oder<br />

ausstattungsmässigen Eigenschaften oder<br />

vertritt und dokumentiert eine historische<br />

Epoche. Oft findet auch der Begriff «Situationswert»<br />

eines Objekts Verwendung.<br />

Nicht jeder Schutz von Siedlungs- oder<br />

Landschaftsbildern rechtfertigt aber staatliche<br />

Massnahmen. Ihre positive Wirkung<br />

muss objektiv ausgewiesen und begründet<br />

sein. In der Praxis ist dies bei wichtigen<br />

Kernzonenbauten häufig der Fall.<br />

Die Denkmalpflege geniesst bei Schutzentscheiden<br />

grosse Entscheidungsfreiheit<br />

bezüglich der Qualifikation von Schutzobjekten<br />

oder hinsichtlich des Umfangs von<br />

Schutzmassnahmen. Bei der Überprüfung<br />

ihrer Entscheide üben Rekursinstanzen<br />

Zurückhaltung, solange diese auf einer vertretbaren<br />

Würdigung der Umstände beruhen<br />

und solange der Ermessensspielraum,<br />

das Willkürverbot oder der Verhältnismässigkeitsgrundsatz<br />

gewahrt wurde. Entscheide<br />

der Denkmalpflege sind gegen private<br />

Interessen abzuwägen. Schutzmassnahmen<br />

sind schliesslich oft schwere Eingriffe in das<br />

Grundeigentum.<br />

DENKMALSCHUTZ ODER<br />

NEGATIVE VORWIRKUNG?<br />

Unbestritten war, so das Baurekursgericht,<br />

dass das Kleinbauernhaus keinen<br />

denkmalschutzrechtlichen Eigenwert habe<br />

und der Substanzerhalt entfalle. Die Argumentation<br />

der Gemeinde, wonach die denkmalpflegerischen<br />

Massnahmen eigentlich<br />

die Instrumente der zeitnah revidierten<br />

BZO sichern sollten, hatte es in sich. Das<br />

umstrittene Objekt sollte nämlich bald in<br />

den Kernzonenplan aufgenommen werden.<br />

Dies mit der Folge, dass seine bauliche Stellung,<br />

Abmessungen und Fassadenteile auch<br />

bei einem Ersatzbau beizubehalten wären.<br />

Laut der erlassenen Schutzverfügung könnte<br />

das Gebäude also komplett abgerissen und<br />

unter Wahrung von Stellung, Abmessungen<br />

sowie prägender Fassadenelemente wiederaufgebaut<br />

werden, so das Baurekursgericht<br />

pointiert. Weiter wies die Richterschaft darauf<br />

hin, dass § 203 Abs. 1 lit. c PBG auf Substanzschutz<br />

ausgerichtet sei. Dieser Zweck<br />

werde aber mit der fraglichen Schutzverfügung<br />

gerade nicht erreicht.<br />

Denkmalpflegerische Schutzmassnahmen<br />

dienen nicht der Sicherung künftiger<br />

planerischer Massnahmen. Sollte die Gemeinde<br />

die Durchsetzung ihrer künftigen<br />

BZO rechtlich absichern wollen, ist § 234<br />

PBG einschlägig. Die Norm regelt die «negative<br />

Vorwirkung». Ein Grundstück gilt<br />

erst als baureif, wenn es erschlossen ist und<br />

wenn durch die bauliche Massnahme keine<br />

fehlende oder beantragte planungsrechtliche<br />

Festlegung nachteilig beeinflusst wird.<br />

§ 234 PBG dient also der Plansicherung.<br />

Dabei gilt, dass eine Planungsabsicht – etwa<br />

eine BZO-Revision – einen bestimmten<br />

Konkretisierungsgrad erreicht und zeitnah<br />

realisiert werde kann. In der Praxis bedeutet<br />

dies konkret, dass sie zuhanden der öffentlichen<br />

Auflage verabschiedet wurde.<br />

Welch verpasste juristische Chance für<br />

die Gemeinde Z! Die öffentliche Auflage der<br />

geplanten BZO-Änderung war nämlich bereits<br />

erfolgt. Das Institut der negativen Vorwirkung<br />

hätte allfälligen Bauwünschen am<br />

besagten Bauernhaus also entgegengehalten<br />

werden können. Der Ortsbildschutz hätte<br />

so mittels negativer Vorwirkung als Folge<br />

der bereits eingeleiteten BZO-Revision<br />

gesichert werden können. Eine denkmalpflegerische<br />

Schutzverfügung hingegen<br />

taugte als Mittel dazu nicht. So hiess das Rekursgericht<br />

den Rekurs gut und entliess das<br />

Kleinbauernhaus aus dem Inventar der<br />

Schutzobjekte.<br />

BAUREKURSGERICHT DES KANTONS ZÜRICH 0081/<strong>2023</strong><br />

VOM 8. JUNI <strong>2023</strong><br />

*SIMON SCHÄDLER<br />

Der Autor, Dr. iur., ist Rechtsanwalt<br />

und in Basel tätig.<br />

IMMOBILIA / Dezember <strong>2023</strong> 29

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