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syndicom magazin Nr. 38

Das syndicom-magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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14 Dossier<br />

Erst mit guten Löhnen<br />

funktioniert die Wirtschaft<br />

Sergio Rossi, Professor für Makroökonomie und Geldwirtschaft in<br />

Freiburg, analysiert, warum an gemessene Entlohnung in der Schweiz<br />

so ein Problem ist. Sein Vorschlag: Unternehmen, die ihre Arbeitnehmenden<br />

fair entlohnen und die Umwelt nicht verschmutzen,<br />

sollen von Steuererleichterungen profitieren. Ein Interview.<br />

Gespräch geführt von Giovanni Valerio<br />

Bild Sergio Rossi: Maurizio Solari<br />

Bild rechts: Bruno Ferreira Dias<br />

Wir erleben seit einiger Zeit Preiserhöhungen, wie es sie<br />

seit Jahrzehnten nicht gab. Warum gerade jetzt?<br />

Es sind mehrere Faktoren zusammengekommen. Zunächst<br />

zwang die Pandemie diverse Unternehmen dazu,<br />

zu schliessen, da die Lieferketten verlangsamt oder unterbrochen<br />

worden waren, was zu einem verringerten Angebot<br />

führte.<br />

Dann haben seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine<br />

im Februar 2022 – und jetzt im Nahen Osten – einige<br />

Sektoren (Einzelhandel, Elektronik, Energie) die Situation<br />

ausgenutzt, um die Preise unter dem Vorwand von Versorgungsengpässen<br />

und höheren Kosten zu erhöhen. Der<br />

Preis von Benzin schnellte am Tag des Kriegsausbruchs in<br />

der Ukraine in die Höhe. Aber die, die Benzin verkaufen,<br />

kaufen es nicht am Vortag ein, sondern viele Monate,<br />

wenn nicht Jahre früher …<br />

Für viele Unternehmen war es ein guter Vorwand, die<br />

Gewinnmargen zu erhöhen!<br />

Was könnte die politische Antwort für diejenigen sein,<br />

die von all dem profitiert haben?<br />

Man könnte eine Sondersteuer auf die Gewinne aller Unternehmen<br />

erheben, die ihre Preise wesentlich stärker erhöht<br />

haben, als der Anstieg ihrer Produktionskosten war.<br />

Diese Steuer sollte nur von Unternehmen gezahlt werden,<br />

deren Gewinne mindestens 10 Prozent über dem Durchschnitt<br />

der letzten fünf Jahre liegen. Solch eine Steuer<br />

könnte ohne bürokratische Schwierigkeiten umgesetzt<br />

werden. Aber die Politik will das nicht.<br />

Im Parlament wird die Mehrheit sagen, dass im Fall<br />

der Erhebung dieser Steuer die Betroffenen «woanders<br />

hin» gehen würden, dass die Unternehmen nicht genug<br />

Geld hätten, um zu investieren, und dass die gesamte<br />

Wirtschaft darunter leiden würde.<br />

Das ist natürlich ein trügerisches und übertriebenes<br />

Argument, es findet jedoch weiterhin bei einem beträchtlichen<br />

Anteil der Wählerschaft Widerhall.<br />

Arbeitnehmende und Gewerkschaften fordern höhere<br />

Löhne. Reicht das aus?<br />

Nach der vorherrschenden Auffassung käme es zu einer<br />

Erhöhung der Preise auf Kosten der Konsument:innen,<br />

wenn die Unternehmen auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden<br />

reagieren und die Löhne erhöhen würden.<br />

Dies träfe dann wieder dieselben Arbeitnehmenden.<br />

Tatsächlich sind es jedoch die Gewinnspannen, die seit<br />

dem letzten Jahr übertrieben erhöht wurden. Es ist also<br />

diese Gewinn-Preis-Spirale, die gestoppt werden muss!<br />

Seit den 1980er-Jahren haben die Unternehmen ihre<br />

Löhne nicht angepasst, obwohl die Produktivität dank<br />

Technologie stark gestiegen ist. Das hat den Anteil der Gewinne<br />

erhöht, nicht aber den Anteil der Löhne (und davon<br />

geht ein grosser Teil in Form von Bonuszahlungen an die<br />

Führungskräfte der Unternehmen).<br />

Der Dienstleistungssektor produziert mithilfe des<br />

Computers immer mehr und schneller. Und das ist auch<br />

den Arbeitnehmenden zu verdanken, die Kurse absolviert,<br />

Änderungen vorgeschlagen und Produktionsprozesse<br />

verbessert haben. Im Gegenzug dafür sollen sie ein<br />

Gehalt bekommen, das sie dann auf dem Produktmarkt<br />

ausgeben können.<br />

Die Lohnerhöhungen fliessen dann wieder in dieselben<br />

Unternehmen – ganz nach dem Prinzip von Henry<br />

Ford, der die Löhne seiner Arbeiter erhöht hat, damit sie<br />

sich die Autos kaufen konnten, die sie produzierten.<br />

Selbst wenn viele Unternehmen exportieren oder an<br />

andere Unternehmen und nicht an Verbraucher verkaufen,<br />

darf dieser Kreislauf nicht ausser Acht gelassen werden.<br />

Eine Lohnerhöhung ist kein Geschenk an die Arbeitnehmenden,<br />

sie tut aber allen gut! Die gesamte Wirtschaft<br />

«Die Rolle der<br />

Gewerkschaften ist,<br />

Druck auszuüben.<br />

Und faire Löhne liegen<br />

auch im Interesse der<br />

Unternehmen.»<br />

Sergio Rossi

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