21.12.2023 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 38

Das syndicom-magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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8<br />

Dossier<br />

Damit sich der Lohn wieder lohnt<br />

Trotz guter Konjunktur dürfte die Kaufkraft<br />

der Arbeitnehmenden dieses Jahr noch<br />

weiter abnehmen. Dies belastet kleine Einkommen<br />

besonders. Die Treiber der Teuerung<br />

sind heuer alles obligatorische Ausgaben.<br />

Text: Benito Perez<br />

Bild (Pierre-Yves Maillard): SGB, Manu Friederich<br />

Die Schweizer:innen haben «den grössten Kaufkraftverlust<br />

seit 80 Jahren» erlitten. Sagt nicht <strong>syndicom</strong>, sondern<br />

… die UBS! 2022 allein hatte der Verlust 1,8 Prozent<br />

des Einkommens betragen. Die letzten drei Jahre in Folge<br />

aber sind die Durchschnittslöhne real um 2 Prozent gesunken.<br />

«Wenn es keine Lohnerhöhung gibt, wird ein Paar mit<br />

zwei Kindern 2024 über 3000 Franken weniger verfügen<br />

als 2020, und ein Rentner wird eine ganze Monatsrente<br />

verlieren», warnte Pierre-Yves Maillard, Präsident des<br />

Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), an der<br />

gros sen Kaufkraft-Demo vom 16. September. Rund 20 000<br />

Personen folgten an diesem Tag dem Aufruf der Gewerkschaften,<br />

des Mieterinnen- und Mieterverbands und der<br />

linken Parteien und protestierten gegen Inflation, teure<br />

Krankenkassenprämien und Anstieg der Mieten, die das<br />

Budget der Haushalte belasten. Im Zentrum standen zwei<br />

Forderungen: 5 Prozent mehr Lohn und ein Mindestlohn<br />

von 5000 Franken nach der Lehre.<br />

Schwindende Kaufkraft<br />

Die von Arbeitnehmenden aus allen Branchen mitgeführten<br />

Transparente gaben den Ton an: «Alles wird teurer,<br />

Löhne und Renten rauf!» Aus der ganzen Schweiz waren<br />

die Demonstrierenden angereist und brachten eine wachsende<br />

Besorgnis in der Bevölkerung zum Ausdruck. «Es<br />

wird immer schwieriger, über die Runden zu kommen»,<br />

rief eine Angestellte des öffentlichen Sektors. Ein Rentner<br />

hielt einen Kassenbon hoch, um zu zeigen, wie der Kaufkraftverlust<br />

sein Lebensmittel-Budget belastet.<br />

«In der Schweiz reicht es heute nicht mehr, eine Arbeit<br />

zu haben, um gelassen in die Zukunft schauen zu können»,<br />

sagt Pierre-Yves Maillard. Zehn Tage später nahm<br />

die Aussage des SGB-Manns eine neue Dimension an, als<br />

der Bundesrat den Rekord-Anstieg der Krankenkassenprämien<br />

um 9 Prozent für 2024 bekannt gab.<br />

Für <strong>syndicom</strong>-Präsident Matteo Antonini sind die von<br />

den Gewerkschaften geforderten 5 Prozent mehr Lohn<br />

voll und ganz gerechtfertigt. «5 Prozent sind nicht wenig,<br />

aber notwendig, um den Teuerungsausgleich nachzuholen,<br />

der in den letzten Jahren nicht erfolgt ist. Die Löhne<br />

müssen für alle deutlich steigen, das gilt auch für die Mindestlöhne.»<br />

Pessimistische Prognosen<br />

Die Prognosen der Bank UBS von Anfang November stimmen<br />

aber alles andere als optimistisch. Dieser gross angelegten<br />

Umfrage (UBS Outlook Schweiz, November 2023)<br />

zufolge erwarten die <strong>38</strong>9 befragten Unternehmen für 2024<br />

einen Lohnanstieg von lediglich 1,9 Prozent. Dabei nimmt<br />

die Belastung der Haushalte ständig zu: Die Teuerung<br />

dürfte rund 2,4 Prozent erreichen. Nur Branchen mit GAV<br />

gelingt es, den Kaufkraftrückgang aufzuhalten, wenn<br />

man dem Bundesamt für Statistik (BFS) Glauben schenkt,<br />

das mit einem durchschnittlichen Lohnanstieg von<br />

2,5 Prozent rechnet.<br />

Die Zunahme ist aber nicht in allen Branchen gleich<br />

hoch: In der Gastronomie und der Hotellerie dürften die<br />

Angestellten vom Fachkräftemangel profitieren und eine<br />

Lohnsteigerung von 2,8 Prozent erhalten. In der Medienbranche<br />

hingegen, die in einer tiefen Krise steckt, wird<br />

eine Erhöhung von 1 Prozent erwartet. Der SGB begrüsste<br />

am Jahresende die «guten Ergebnisse» in der Reinigung,<br />

den Tankstellenshops oder bei Coop. Der Basler Detailhändler<br />

erhöht die Löhne für 2024 um insgesamt 2,2 Prozent.<br />

Die tieferen Löhne steigen um 3 Prozent.<br />

Trotz Wirtschaftswachstum und niedriger Arbeitslosigkeit<br />

wird das durchschnittliche Realeinkommen in der<br />

Schweiz 2024 weiter sinken. Dies trifft Wenigverdienende<br />

besonders hart, denn die Treiber der Teuerung – Mieten,<br />

Energie, Lebensmittel und Gesundheit – sind alles obligatorische<br />

Ausgaben. Nimmt man die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes<br />

um 0,4 Prozent per 1. Januar hinzu, fallen<br />

die Prognosen für die kommenden Monate sehr düster<br />

aus. Und bereits heute haben 11 Prozent der Schweizer:innen<br />

Schwierigkeiten, am Monatsende ihre Rechnungen<br />

zu bezahlen.<br />

Den Kampf weiterführen<br />

Für viele <strong>syndicom</strong>-Mitglieder ist das letzte Wort aber<br />

noch nicht gesprochen, denn die Sektoren Logistik und<br />

Telekommunikation haben ihre Vertragsverhandlungen<br />

erst Ende 2023 aufgenommen (siehe nächste Seiten). Und<br />

die Gewerkschaft will mit Beharrlichkeit und Fantasie<br />

eine Anhebung der tiefen Löhne erreichen. Beispielsweise<br />

mit der Forderung nach generellen Erhöhungen oder<br />

Unterstützungsbeiträgen an Krankenkassenprämien.<br />

5 Prozent<br />

mehr Lohn,<br />

5000 Franken<br />

für alle nach<br />

der Lehre!

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