My Factory 2024/03
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BETRIEBSTECHNIK<br />
DER RECHTLICHE RAHMEN<br />
Die neue Maschinenverordnung ist nicht nur inhaltlich auf den aktuellen Stand gebracht worden. Anders als die bisher<br />
geltende Maschinenrichtlinie, die von den EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht überführt werden musste, ist eine<br />
Verordnung unmittelbar gültig und steht im Zweifel über nationalen Bestimmungen. Die Maschinenverordnung integriert<br />
das Thema Maschinensicherheit in das seit 2010 bestehende New Legislative Framework (NLF), das EU-weit dazu dient,<br />
Standards zu vereinheitlichen. Im NLF sind Vorgaben für Prüforganisationen ebenso festgelegt wie Regeln für die<br />
Konformitätsbewertung und die Überwachung der Märkte.<br />
WEGEN NEUER BEGRIFFE UND<br />
GEÄNDERTER STRUKTUR IST ES<br />
RATSAM, SICH MIT DEN DETAILS<br />
DER MVO ZU BESCHÄFTIGEN<br />
zukünftig auch online bereitgestellt werden. Die MVO ermöglicht<br />
diese Option nun offiziell, legt dazu jedoch fest, dass Hersteller<br />
garantieren müssen, diese Dokumente über die gesamte, voraussichtliche<br />
Lebensdauer der Maschine zur Verfügung zu stellen –<br />
mindestens jedoch zehn Jahre. Der Zugang muss dauerhaft und<br />
zuverlässig bestehen und zum Beispiel über einen Link oder QR-<br />
Code auf dem Produkt selbst hinterlegt sein. Sicherheits- und<br />
Gesundheitsschutzanforderungen müssen technisch korrumpierungssicher<br />
gestaltet sein. Das heißt, Hersteller sind auch verpflichtet,<br />
Maßnahmen gegen äußere Eingriffe, beispielsweise<br />
durch Hacker, zu implementieren. Hierfür liegen detaillierte<br />
Anforderungen vor.<br />
Deutlich einschneidender sind die Veränderungen, die die<br />
Risikobewertung durch die Digitalisierung erfährt. Autonome<br />
Maschinen mit selbstlernenden Funktionen schaffen Risikopotenziale,<br />
die in bisherigen Regelwerken oft nicht berücksichtigt<br />
sind. Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei vor allem den<br />
Mensch-Maschine-Interaktionen. Entsprechend differenziert beschreibt<br />
die MVO die Kategorie der Hochrisikomaschinen in Anhang<br />
I, Teil A und B. Für einen Teil der Hochrisikomaschinen gilt<br />
ein spezifisches Konformitätsbewertungsverfahren, bei dem das<br />
Hinzuziehen einer benannten Stelle vorgeschrieben sein kann.<br />
Klarheit und damit Rechtssicherheit schafft die MVO außerdem<br />
darüber, wann eine Maschine eine neue Konformitätserklärung<br />
braucht. Das ist der Fall, wenn sie durch eine wesentliche<br />
Veränderung als „neu“ einzustufen ist. Wesentliche Veränderungen<br />
sind solche, die die Sicherheit der Maschine derart beeinträchtigen<br />
bzw. neue Gefährdung hervorrufen oder bestehende<br />
Risiko erhöhen, dass Maßnahmen (z.B. neue Schutzeinrichtungen)<br />
erforderlich werden.<br />
WER SIND DIE WIRTSCHAFTSAKTEURE<br />
IN DER MVO?<br />
Der Begriff „Wirtschaftsakteur“ gehört zur Terminologie des NLF<br />
(New Legislative Framework, siehe Infokasten) und deshalb<br />
auch zur MVO. Verwendet wurde diese Bezeichnung schon<br />
früher – der Unterschied ist, dass jetzt neben dem Hersteller<br />
erstmals auch Händler, Importeure oder Bevollmächtigte eindeutig<br />
als Wirtschaftsakteure definiert und klar benannt werden.<br />
Neu ist, dass Betreiber zum Wirtschaftsakteur werden können,<br />
wenn sie eine Gebrauchtmaschine verkaufen und somit zum<br />
Händler werden. Damit sind sie unter Umständen erstmals von<br />
der Verordnung betroffen. Hersteller von individuellen oder in<br />
Kleinserien produzierten Maschinen können ebenso wie Händler<br />
von Gebrauchtmaschinen von der Möglichkeit einer Einzelprüfung<br />
profitieren.<br />
42 MONATE ÜBERGANGSFRIST<br />
20 Tage nach ihrer Veröffentlichung am 29.06.2023 ist die MVO in<br />
Kraft getreten. In der 42-monatigen Übergangsfrist sind die Normgremien<br />
damit beschäftigt, sämtliche Standards und Normen zu<br />
überarbeiten, um eine erneute Harmonisierung zu erreichen. Ab<br />
dem 20.1.2027 gilt die Verordnung dann ausschließlich. Schon<br />
jetzt ist klar, dass es in Einzelfällen auch länger dauern kann, die<br />
Bestimmungen umzusetzen. Gerade neue Akteure, die erstmals<br />
von der MVO betroffen sind, sowie Unternehmen ohne eigene Experten<br />
für Maschinensicherheit dürften Beratungsbedarf haben.<br />
Wie schnell der Markt insgesamt reagiert, lässt sich noch nicht<br />
abschätzen. Unternehmen, die sich frühzeitig mit der MVO und<br />
ihren Anforderungen beschäftigen, sichern sich deshalb Vorteile.<br />
Zu wissen, ob Prüfungen durch eine benannte Stelle erforderlich<br />
sind oder nicht, schafft Planungssicherheit. Wegen neuer Begriffe<br />
und einer geänderten Struktur ist es für alle Beteiligten ratsam,<br />
sich gründlich mit den Details der MVO zu beschäftigen.<br />
TÜV SÜD richtet sich mit einem umfangreichen Seminarprogramm<br />
an alle, die mit der Umsetzung der MVO befasst sind.<br />
Die Themen umfassen alle Aspekte von der Risikobeurteilung<br />
und der Dokumentation bis zur Konformitätserklärung und<br />
CE-Kennzeichnung.<br />
Bilder: TÜV Süd<br />
www.tuvsud.com/de<br />
AUTOREN<br />
Rudolf Bültermann,<br />
Experte Maschinensicherheit,<br />
Pascal Staub-Lang,<br />
Leiter Maschinensicherheit,<br />
jeweils TÜV SÜD Industrie Service GmbH;<br />
Benedikt Pulver,<br />
Leiter Maschinensicherheit,<br />
TÜV SÜD Product Service GmbH, München<br />
ZUSATZINHALTE IM NETZ<br />
bit.ly/3GAwUSp<br />
www.myfactory-magazin.de MY FACTORY <strong>2024</strong>/<strong>03</strong> 35