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MENSCHEN AUS DEM NORDEN<br />
„EEN BIETJE<br />
SCHEEF HETT<br />
GOTT LEEV!“<br />
Ob als Radiokolumnistin der<br />
NDR-Kultkolumne „Hör mal’n beten to!“,<br />
auf der Bühne mit gesellschaftskritischem<br />
Kabarett oder mit ihrem neuen Buch<br />
„Sei der Wind, nicht das Fähnchen“:<br />
Annie Heger, Paradiesvogel unter den<br />
ostfriesischen Möwen, macht ganz<br />
schön viel Wind.<br />
von Isabelle Sester<br />
nnie Heger ist Künstlerin mit Leib<br />
und Seele und fester Bestandteil<br />
der norddeutschen Kulturszene.<br />
Dass die Entertainerin in ihrem<br />
Leben schon zahlreiche dramatische<br />
Tiefschläge erleben<br />
musste, sieht man der selbstbewussten,<br />
starken Frau<br />
heute nicht an: Mit 13<br />
Jahren erhielt Annie Heger die Diagnose Diabetes<br />
mellitus Typ 1 – eine Krankheit, die in vielen<br />
Fällen zur Erblindung führen kann.<br />
In Ihrem neuen Buch „Sei der Wind,<br />
nicht das Fähnchen“ befassen Sie sich mit<br />
schwierigen Lebensphasen, was war für<br />
Sie der pr<strong>im</strong>äre Grund für dieses Werk?<br />
Ich wollte, dass Menschen Bock darauf bekommen,<br />
diese Welt mitzugestalten und selbst Wind<br />
zu machen. Die Welt braucht uns. Letztendlich<br />
schreibe ich in dem Buch von meinen Kraft<br />
gebenden Säulen in der Hoffnung, dass Menschen<br />
sich wiederfinden und sich dadurch auf ihrem<br />
Weg bestärkt und ermächtigt fühlen und andere<br />
sich kräftig durchpusten lassen von Geschichten<br />
über gesunde Wut und herrlich-leichtem Übermut.<br />
Auch wenn das Buch weit davon entfernt ist,<br />
ein Lebensratgeber zu sein, steckt ein bisschen<br />
Rat zwischen den Buchseiten … und ein paar<br />
vom ganzen Wind aufgescheuchte, leuchtende<br />
Glitzerpailletten, die von meinen Kostümen gefallen<br />
sind in den letzten Jahren.<br />
Wie haben Ihre eigenen Lebenserfahrungen,<br />
insbesondere die Diagnose Diabetes<br />
mellitus Typ 1, Ihr Leben beeinflusst?<br />
Sie haben mich so sehr beeinflusst, dass ich<br />
sie fast nicht geschafft hätte. Da muss man gar<br />
nichts schönreden, ich hatte diesen Herausforderungen<br />
nicht viel Substanz entgegenzusetzen<br />
– weder mit meinem Körpergewicht noch<br />
stählernen Nervenseilen. Ich musste und muss<br />
jeden Tag lernen, wie eine kleine Maßlosigkeit<br />
oder einfach schier nichts, was ich beeinflussen<br />
kann, zu lebensbedrohlichen Situationen führen<br />
kann. Ich habe große Leidenschaften dadurch<br />
entwickelt. Ich habe zum Beispiel deswegen<br />
gerne alles andere mit Passion unter Kontrolle,<br />
will nichts und niemanden in meinem Leben verpassen,<br />
habe einen Wissensdurst nach medizinischen<br />
Zusammenhängen und kann mich völlig<br />
in der wochenlangen Planung und der für mich<br />
magischen und meditativen Zubereitung von<br />
Mahlzeiten verlieren.<br />
Was haben Sie <strong>im</strong> Umgang<br />
mit Ihrer Krankheit gelernt?<br />
Erst einmal: Spritzen, Kohlenhydrate berechnen,<br />
Mengenlehre, Augenmaß, Blutzucker messen,<br />
Hypoglykämien rechtzeitig erspüren, Verzicht,<br />
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