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Oberpfälzerin Herbst 2021

Lifestyle-Magazin für Frauen

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Leben<br />

€<br />

Jeder hat es erlebt. Oder kennt einen Fall aus dem Umfeld. Beste Freundinnen,<br />

Partner, Eltern oder Kollegen können sich als toxische Beziehungskiller entpuppen,<br />

die lähmen und bremsen. Wir haben die wahren Geschichten von vier<br />

Menschen nacherzählt. Geschichten von Gift und Gegengift.<br />

Aufgezeichnet von Elke Summer, Julia Hammer, Laura Schertl<br />

Toxisch<br />

Es geht immer um Geld: Frauen in der Teilzeitfalle<br />

Sie und er, Mitte 30, gleicher Beruf.<br />

Er arbeitet in einem renommierten<br />

Unternehmen, ihre Firma ist unbedeutender.<br />

Sie liebt ihren Job, er hasst<br />

seinen – denn seine wahre Passion ist<br />

die Musik. Viel lieber wäre er Gitarrist<br />

geworden. Eine brotlose Kunst für einen<br />

Familienvater, das weiß er selbst.<br />

Also geht er lustlos zur Arbeit, Tag für<br />

Tag, Jahr für Jahr. An Karriere oder<br />

berufliche Weiterentwicklung denkt er<br />

nicht. „Zu mainstream“, sagt er und zitiert<br />

Kierkegaard: „Das Vergleichen ist<br />

das Ende des Glücks und der Anfang<br />

der Unzufriedenheit.“ Ein philosophischer<br />

Denkansatz, der seine Faulheit<br />

rechtfertigen soll. Denn als verkapptem<br />

Künstler sind ihm die Anforderungen<br />

im Alltag zu banal: „Ich kann doch keinen<br />

Kinderwagen schieben, da sehe ich<br />

ja aus wie ein spießiger Ehekrüppel.“<br />

ALLES ZU BÜRGERLICH<br />

Diese unkonventionelle Lebensart, die<br />

sie am Anfang der Beziehung fasziniert<br />

hat, fängt an, sie zu nerven. Die Kinder<br />

zum Sportverein bringen? Zu kleinbürgerlich.<br />

Beim Erdkunde-Referat<br />

unterstützen? Falscher pädagogischer<br />

Ansatz. Beim Chef nach einer Gehaltserhöhung<br />

fragen, um die Lebenshaltungskosten<br />

einer fünfköpfigen Familie<br />

zu finanzieren? Zu billig.<br />

Eine Bilderbuchfamilie.<br />

Vater, Mutter, drei Kinder.<br />

Gute Jobs, Häuschen im<br />

Grünen. Der Himmel<br />

hängt voller Geigen, äh,<br />

Gitarren. Und kein<br />

Gedanke an Altersarmut.<br />

Sie will mehr, kann aber nicht. Denn<br />

drei Kinder, Haushalt und ein Fulltime-Job<br />

lassen sich nur dann vereinbaren,<br />

wenn sich beide Elternteile arrangieren<br />

und gemeinsam anpacken. Er<br />

tut das nicht. Ein Bohemian steigt nicht<br />

in die Niederungen der Bourgeoisie ab.<br />

Er übt lieber Gitarre. Er gründet eine<br />

Band. Damit ist seine Freizeit zu 100<br />

Prozent ausgefüllt. Und sie arbeitet irgendwann<br />

nur noch halbtags, weil sie<br />

ihr tagesfüllendes Pensum nicht mehr<br />

schafft – und verdient nur noch die<br />

Hälfte.<br />

Aber trotz des Teilzeitjobs hat sie<br />

Erfolg. Dass sie ihn überflügelt, nagt<br />

irgendwann am männlichen Ego. Die<br />

Kränkungen beginnen subtil: „Warum<br />

strengst du dich für diesen Scheiß-<br />

Job so an“, fragt er. „Warum bist du so<br />

überambitioniert, so karrieregeil?“ Er<br />

verachtet ihr berufliches Engagement<br />

und tut alles, ihr diese Freude gründlich<br />

zu vermiesen. Gezielt setzt er seine<br />

Giftspritzen genau an den Stellen an,<br />

die wehtun. „Das Lob deines Chefs ist<br />

doch lächerlich.“ Das Toxische an dieser<br />

Beziehung sind weder Streit noch<br />

Schläge. Es ist der ständige Versuch,<br />

das Selbstwertgefühl des Partners<br />

durch herablassende Äußerungen zu<br />

zerstören und eigene Schwächen als<br />

Stärken zu verkaufen. Arrogant, überheblich<br />

und sehr destruktiv.<br />

TEILZEIT MACHT ARM<br />

Beim Scheidungstermin 20 Jahre später<br />

werden die beiden Rentenanwartschaften<br />

verrechnet. Sie hat immer<br />

gearbeitet, aber viel weniger als er –<br />

aber Arbeit ist Arbeit. Deshalb muss<br />

der Ex-Mann seiner Ex-Frau nur geringe<br />

Summen seiner Rente abtreten.<br />

In der Verhandlung erkundigt sich der<br />

Richter nach den aktuellen Nettoeinkünften.<br />

Ihres ist längst höher als seines,<br />

denn sie arbeitet wieder Vollzeit.<br />

Eine Frau verdient mehr als der Mann:<br />

Das ist dem Ex-Gatten dann doch peinlich.<br />

Seine Anwältin sagt scherzhaft:<br />

„Herr XYZ, ich denke, diese Scheidung<br />

ist ein Fehler.“ Ein kleiner Triumph<br />

für sie. Die verlorenen Renten-Punkte<br />

kann sie trotzdem nicht mehr aufholen.<br />

Typisch, Frau in der Teilzeitfalle.<br />

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