Oberpfälzerin Herbst 2021
Lifestyle-Magazin für Frauen
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leben<br />
Meetings ins Ohr geflüstert: „Hast du<br />
das grade gehört, was der zu dir gesagt<br />
hat? Der hat versucht, dich zu<br />
manipulieren.“ Was natürlich albern ist,<br />
denn genau das machen sie ja selber<br />
gerade. Aber das begreift man nicht<br />
sofort. Solche Entwicklungen sind ja<br />
nicht von Anfang an total schrecklich,<br />
das entwickelt sich schleichend.“ Eine<br />
Kollegin von Alexander kündigt wenig<br />
später wegen Burnout. Ihm wird erzählt,<br />
sie gebe ihm die Schuld daran,<br />
er hätte sie einfach fallen lassen. Dass<br />
das nicht stimmt, erfährt Alexander<br />
erst vor kurzem. „Ich habe sie dann<br />
vor ein paar Wochen zufällig getroffen,<br />
da hat sie mir erzählt, dass man ihr<br />
gesagt hätte, ich hätte schlecht über sie<br />
geredet. Also hat sie sich auch nicht<br />
mehr bei mir gemeldet. Wir wurden<br />
einfach gegeneinander ausgespielt.“<br />
Viele Kollegen kündigen in dieser Zeit,<br />
einige ebenfalls wegen Burnout. Aber<br />
Alexander fühlt sich verpflichtet. „Ich<br />
hatte zu diesem Zeitpunkt schon so viel<br />
Herzblut und Leidenschaft in diese Firma<br />
gesteckt, zu kündigen war für mich<br />
irgendwie keine Option. Ich hätte das<br />
Gefühl gehabt, die anderen im Stich zu<br />
lassen.“ Also bleibt Alexander.<br />
Das Ping-Geräusch,<br />
wenn eine Mail ankommt,<br />
löst bei mir heute noch<br />
Panikattacken aus.“<br />
Er erstellt Markenpositionierungen, die<br />
Jonas dann als seine eigenen ausgibt.<br />
In Investorengesprächen handeln sich<br />
die drei die besten Verträge aus – an<br />
die Witwe von Thorsten verschwenden<br />
sie keinen Gedanken. „Hätten sie<br />
diese Verträge letztlich bekommen,<br />
hätten sie Thorstens Frau einfach mit<br />
einem Schuldenberg zurückgelassen.<br />
Ich habe ihr damals gesagt, sie soll<br />
bloß schauen, dass sie da nicht reinfällt.“<br />
Etwas sagen oder gar kritisieren,<br />
das erscheint unmöglich. Zu groß ist<br />
der Druck, der von der Führung ausgeübt<br />
wird. Irgendwann erreicht Alexander<br />
eine SMS von Jonas. „Ich bin<br />
stinksauer“ steht darin. Nur ein Satz,<br />
der bei Alexander sofort Panik auslöst.<br />
In seinem Kopf laufen zahlreiche<br />
Szenarien ab. Was er falsch gemacht<br />
haben könnte, weiß er aber nicht. Er<br />
versucht, Jonas anzurufen, aber der<br />
hebt nicht ab. „Es war immer derselbe<br />
Kreislauf. Ich habe mich dann für alles<br />
mögliche entschuldigt, obwohl ich gar<br />
nichts gemacht hatte. Es gab immer<br />
einen Rundumschlag, und wenn man<br />
dann angekrochen kam, war alles wieder<br />
gut.“ Der ständige Stress fordert<br />
seinen Tribut: Alexander hat ständige<br />
Panikgefühle, die sich auch im Urlaub<br />
nicht beruhigen. Er ist oft krank und<br />
dauernd erschöpft.<br />
Ein Teil des „trio infernal“ wird irgendwann<br />
gekündigt. Zu viel Geld wurde in<br />
seinem Namen in den Sand gesetzt.<br />
Doch die Frage um die Geschäftsführung<br />
ist noch immer nicht final geklärt.<br />
Alexander und eine Kollegin sind sich<br />
sicher: Werden Jonas und sein Freund<br />
Geschäftsführer, werden sie kündigen.<br />
„Irgendwie hat Jonas davon dann<br />
Wind bekommen. Er wusste, dass das<br />
irgendwer gesagt hat und hat mich ins<br />
Büro bestellt. Und da habe ich dann<br />
einfach gesagt: Ich war’s.“ Jonas wird<br />
laut. Alexander hätte ihm ein Messer<br />
in den Rücken gestoßen, ihn verraten.<br />
„Ich war so in Panik, dass ich dann<br />
einfach ins Auto gestiegen und nach<br />
Hause gefahren bin.“ Noch auf dem<br />
Heimweg erreicht ihn eine SMS von<br />
Jonas. „Bist du jetzt abgehauen oder<br />
was?“ steht darin. Alexander reagiert<br />
nicht. Am nächsten Tag ist alles so, als<br />
hätte es den Streit nie gegeben.<br />
Wenig später ist klar: Jonas wird<br />
nicht Geschäftsführer. Stattdessen<br />
übernimmt ein Fremder die Führung.<br />
Jonas und sein Freund verlassen die<br />
Firma. Bei seinem neuen Chef bittet<br />
Alexander gleich zu Beginn um fünf<br />
Wochen Urlaub, die er auch bekommt.<br />
Doch der Stress der letzten Jahre lässt<br />
sich nicht mit einem Monat auslöschen.<br />
Noch heute ist Alexander häufig krank,<br />
kämpft mir psychischen Problemen.<br />
Welche seiner Beschwerden körperlich<br />
sind, welche psychosomatisch – das<br />
kann Alexander nicht immer auseinanderhalten.<br />
Eine längere Auszeit kommt<br />
für ihn jedoch nicht infrage. „Irgendwie<br />
braucht man ja auch das Gefühl,<br />
gebraucht zu werden und etwas zu<br />
leisten. Gar nicht arbeiten würde mir<br />
über einen längeren Zeitraum sicher<br />
nicht gut tun.“<br />
An diesem Abend hat Alexander einen<br />
Termin beim Kardiologen. Seine<br />
Herzrhythmusstörungen machen ihm<br />
Sorgen. „Vermutlich ist das sowieso<br />
wieder nur in meinem Kopf, aber man<br />
weiß ja nie.“<br />
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