Oberpfälzerin Herbst 2021
Lifestyle-Magazin für Frauen
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lifestyle<br />
Man nehme eine Prise Unwissenheit,<br />
zwei gehäufte<br />
Teelöffel Ungeschick, 50<br />
Gramm fehlendes Augenmaß<br />
und zwei Packungen<br />
mangelndes Talent – et voilà,<br />
fertig ist die Küchen-Katastrophe.<br />
Richtig. Diese Küchen-Katastrophe<br />
– bin ich. 1,70 Meter geballte kulinarische<br />
Inkompetenz. Ich gehöre nicht<br />
zu den Menschen, die es entspannt,<br />
stundenlang Zutaten zu schnippeln<br />
oder wissenschaftlich-komplexe Rezepte<br />
zu befolgen, um dann in präziser<br />
Feinarbeit einen Kuchen zu verzieren,<br />
der kurze Zeit später sowieso gegessen<br />
wird. Nicht, dass ich es nicht versucht<br />
hätte. Ich habe den Töpfen und<br />
meinem Backofen immer wieder Chancen<br />
gegeben. Beispiele? Pfundweise!<br />
Fangen wir mit meinem persönlichen<br />
Albtraum an: dem Backen. Wobei der<br />
Horror schon bei der Rezeptsuche beginnt.<br />
Ich klicke mich durch Unmengen<br />
von Back-Webseiten und suche<br />
nach den wichtigsten Kriterien: wenige<br />
Zutaten. Kurze Vorbereitungszeit.<br />
Schwierigkeitsgrad: sehr leicht. Lange<br />
Recherche ist notwendig, Spaß stelle<br />
ich mir aber anders vor. Dann wird es<br />
schwierig. Ich erinnere mich an meinen<br />
letzten Back-Versuch. Ein Marmorkuchen.<br />
Was soll da schon schief<br />
gehen? Sogar ich kenne alle Zutaten.<br />
Bei den Mengenangaben bin ich zuversichtlich.<br />
500 Gramm Mehl – also grob<br />
eine halbe Packung. 3 Eier bekomme<br />
ich hin. 150 ml Milch kann ich abschätzen.<br />
Und 220 Gramm Zucker – wenn<br />
es ein paar Gramm mehr sind, was<br />
soll’s. Warum das Augenmaß? Weil ich<br />
weder Küchenwaage noch Messbecher<br />
besitze. Wofür auch? Für einen Kuchen<br />
pro Jahr?<br />
Kein Held<br />
am Herd<br />
Julia Hammer<br />
Ich vermische alle Zutaten und schon<br />
steigt mein Puls. Eine hartnäckige Eierschale<br />
in der Masse, der Teig wird<br />
nicht fest – und auch 100 Gramm<br />
Zusatzmehl machen es nicht besser,<br />
sondern klebriger. Nervös kippe ich<br />
also die Kaugummi-Masse in die runde<br />
Backform (ich habe mich gegen den<br />
Kasten und für die runde Form entschieden,<br />
weil sie schöner aussieht).<br />
2/3 schaffen es, 1/3 verteilt sich<br />
über meine Küche. Wunderbar. Zeit<br />
für Amaretto. Nicht für den Kuchen,<br />
sondern für mich. Nach 30 Minuten<br />
im Backofen zerbricht meine Illusion<br />
endgültig. Der Kuchen geht nicht auf.<br />
In meiner Verzweiflung rufe ich eine<br />
Freundin alias Backexpertin an. „Bist<br />
du wahnsinnig? Wenn da Kastenform<br />
steht, musst du die auch nehmen. Abgemessen<br />
hast du auch nichts, oder?<br />
Versaut. Zerbrösel den Teig und mach<br />
Créme drauf. Dann wird er eben gelöffelt.“<br />
Er wurde gelöffelt – dieser traurige<br />
Nicht-Kuchen, mit dem ich meine<br />
Backkarriere endgültig beendete.<br />
Ob mich Kochen mehr entspannt?<br />
Na, rate. Essen:<br />
definitiv. Aber Kochen – ich<br />
glaube, das liegt in meinen<br />
Genen. Als ich zehn war,<br />
hat mein PapanNudeln im<br />
Topf anbrennen lassen. So<br />
stark, dass der Rauchmelder<br />
auslöste. An diesem Abend gab es<br />
Lieferpizza. Den Lieferdiensten bin ich<br />
treu geblieben. Für lange Kochabende<br />
alleine habe ich weder Zeit noch<br />
Geduld. Ich hasse es, mich in Rezepte<br />
einzulesen, lange Einkaufszettel<br />
zu schreiben. Apropos Einkauf. Als<br />
Single-Haushalt habe ich mein System<br />
perfektioniert. Ich weiß, was ich<br />
brauche, kaufe die richtigen Mengen<br />
und finde mich im Supermarkt meines<br />
Vertrauens zurecht. Es sei denn,<br />
mein System wird gestört. Die Folge?<br />
Komplette Hilflosigkeit – wie vor einigen<br />
Tagen. Ich habe mit einer Freundin<br />
einen Kochabend geplant. Kochen in<br />
Gesellschaft finde ich gut. Einige Zutaten<br />
haben noch gefehlt. „Wir brauchen<br />
Tonka-Zucker, Chavroux Tendre Bûche<br />
und eine Topinambur-Knolle.“ Keines,<br />
wirklich KEINES dieser Dinge kenne<br />
ich. Ich laufe durch den Laden, suche<br />
in Regalen und bin völlig verloren. Genervt<br />
bleibt mir nichts anderes übrig,<br />
als sie anzurufen und mich durch das<br />
Geschäft navigieren zu lassen.<br />
Ob meine Küche immer ungenutzt<br />
bleibt? Nein. Ich besitze vier verschiedene<br />
Geräte, um Kaffee zu kochen. Das<br />
kann ich gut. Auch Pizza und Pasta<br />
funktionieren. Für alles andere habe<br />
ich ein Rezept entwickelt: Ich nehme<br />
eine Prise gut kochende Freunde, eine<br />
Handvoll Lieferdienst-Nummern und<br />
reichlich Restaurant-Abende. Et voilà<br />
– so funktioniert Genuss ganz ohne<br />
Küchen-Katastrophen.<br />
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