Oberpfälzerin Herbst 2021
Lifestyle-Magazin für Frauen
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lifestyle<br />
Los,<br />
Sei Du<br />
Selbst<br />
W<br />
er bist du? Nein, ich will keine<br />
äußerliche Beschreibung von<br />
dir hören. Ich will wissen, wer<br />
du wirklich bist. Welche Eigenschaften<br />
dich ausmachen? Was du an dir schätzt?<br />
Wie du deine Stärken definierst – und<br />
was dich einzigartig macht? Also, wer<br />
bist du? Eine schwere Frage? Mach dir<br />
keine Gedanken. Mir ging es vor einiger<br />
Zeit genauso.<br />
Erst einmal stand ich vor der Frage,<br />
warum es mir so schwerfällt, mein Innerstes<br />
zu definieren. Das, was mich<br />
ausmacht, zu formulieren. Die Antwort<br />
darauf ist einfach. Weil wir schon unser<br />
Leben lang gewohnt sind, uns anzupassen,<br />
um gesellschaftlichen Normen zu<br />
entsprechen. Vorgeschriebenen Schönheitsidealen,<br />
Rollenklischees. Wir alle<br />
schwimmen im Strom der scheinbar<br />
erwünschten Gleichheit und Identitätslosigkeit.<br />
Schein dominiert das wahre<br />
Sein. Doch das ist falsch.<br />
Natürlich liegt es in der menschlichen<br />
Natur, gefallen zu wollen. Gemocht zu<br />
werden. Anerkannt zu sein. Auch ich<br />
schätze das. Aber nicht mehr um jeden<br />
Preis. Ich erinnere mich an meine<br />
Kindheit. An das Gefühl, völlig frei zu<br />
sein. Die Zeit, in der ich nicht darüber<br />
nachgedacht habe, welche Kleidung ich<br />
Julia Hammer<br />
© Sara Neidhardt<br />
anziehen sollte, um zu gefallen, wie ich<br />
mich verhalten darf, um nicht kritisiert<br />
zu werden. In der ich keinen Gedanken<br />
daran verschwendet habe, wie ich<br />
auf andere wirken könnte. Das änderte<br />
sich in meiner Jugend. Schulzeit, viele<br />
Freunde, die ersten Verpflichtungen –<br />
und die Erkenntnis, dass der perfekte<br />
Schein in der Gesellschaft dominiert.<br />
Plötzlich war es wichtig, welche Klamotten<br />
ich trage, ob ich mich angemessen<br />
verhalte, wie ich Erwartungen möglichst<br />
perfekt erfülle. Meine Freiheit wich Ansprüchen<br />
wie „Mach das nicht. Was sollen<br />
denn die anderen von dir denken“<br />
und „Zeig dich von deiner besten Seite.<br />
Du willst doch Erfolg haben“. Bekannte<br />
Sätze, nicht wahr? Ich habe angefangen,<br />
in Rollen zu schlüpfen. Viele verschiedene,<br />
um genau dem Bild zu entsprechen,<br />
das gerade von mir erwartet wurde. Die<br />
eifrige Schülerin, die immer gut gelaunte<br />
Freundin, das püppchenhafte, charmante<br />
Mädchen, das stundenlang an ihrem<br />
Make-up gearbeitet hat. Ich habe mich<br />
angepasst und dabei verlernt, mich zu<br />
hinterfragen. Ich war damit nicht alleine.<br />
Als ich erwachsen wurde, veränderten<br />
sich diese Rollen. Doch sie blieben. Und<br />
mit ihnen die Unsicherheit. Du kennst<br />
das sicher: Wie oft lassen wir uns durch<br />
Blicke anderer und unbedachte Äuße-<br />
rungen verunsichern? Wie oft zweifeln<br />
wir an uns – aus Angst, scheinbare<br />
Angriffspunkte zu bieten? Wir legen<br />
Wert auf die Meinung anderer und stellen<br />
nie in Frage, wie egal sie uns doch<br />
sein könnte. Setzen falsche Prioritäten<br />
und lassen uns von Scheinwelten blenden.<br />
Ich kenne das zu gut. Ich erinnere<br />
mich, dass ich mich oft gefragt habe:<br />
Wie musst du sein, um erfolgreich zu<br />
werden? Um in der Gesellschaft zu bestehen?<br />
Am Ende stand immer das Ergebnis:<br />
Anpassung. Also habe ich meine<br />
Rollen weitergespielt. War in Situationen<br />
ernst, in denen ich gerne lauthals gelacht<br />
hätte. Habe meine Emotionen für<br />
mich behalten, weil alles andere doch<br />
scheinbar unangebracht gewesen wäre.<br />
Sagte viel zu oft ja, wobei ich eigentlich<br />
sagen wollte: Nein. Ich denke, so geht es<br />
vielen von uns.<br />
Heute ist das anders. Ich habe die Rollen<br />
hinter mir gelassen. Warum? Ich war es<br />
leid, jedem ein erwartetes Bild von mir<br />
zu zeigen. Ich habe gemerkt, dass ich zu<br />
viel Bedeutung in die Meinung anderer<br />
gelegt habe, die, objektiv betrachtet, keine<br />
Rolle für mich gespielt haben. Und ich<br />
habe Menschen kennengelernt, die mich<br />
schätzen, wie ich bin. Die hinter meine<br />
Fassade blicken. Denen meine Loyalität,<br />
mein Wesen und mein Humor wichtiger<br />
sind als scheinbare Makellosigkeit.<br />
An denen auch ich kleine Schwächen<br />
ebenso schätze wie ihre wunderbaren<br />
Charaktereigenschaften. Auf deren Meinung<br />
ich vertraue, weil ich weiß, dass<br />
sie ehrlich ist. Bei denen ich ganz ich<br />
selbst sein kann. Es wird Zeit, dass wir<br />
uns von Menschen distanzieren, die uns<br />
auf Äußerlichkeiten reduzieren. Die sich<br />
keine Mühe geben, wirklich herauszufinden,<br />
wer wir im Innersten sind. Es<br />
wird Zeit, dass wir uns von inszenierten<br />
Schönheitsidealen und einer Welt voll<br />
Selbstdarstellung und Filter abwenden<br />
und endlich wieder zu uns selbst finden.<br />
Das macht uns frei. Ich hoffe, du hast<br />
jetzt eine Antwort, wenn ich dich noch<br />
einmal frage: Wer bist du wirklich?<br />
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