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Kreuzfahrtriesen – Darf’s<br />

ein bisschen mehr sein?<br />

Die Celebrity Ascent ist ein Zwerg.<br />

Das verwundert vielleicht und leuchtet<br />

auf den ersten Blick nicht ein.<br />

Immerhin ist <strong>das</strong> Kreuzfahrtschiff,<br />

<strong>das</strong> erst im vergangenen Dezember<br />

seine Jungfernfahrt antrat, 327<br />

Meter lang und 39 Meter breit. Das<br />

ZDF-Traumschiff, also die Berlin, die<br />

heute Dream Goddess heißt, kam<br />

nach der Verlängerung des Schiffsrumpfs<br />

auf knapp 140 Meter, bei<br />

weniger als 18 Metern Breite. Zu ihren<br />

Glanzzeiten hatte die Berlin 210<br />

Kabinen. Die Celebrity Ascent hat<br />

1.630 davon, also bei Doppelbelegung<br />

Platz für 3.260 Passagiere. Bei<br />

der Berlin waren es 420 zahlende<br />

Gäste. Das größte Passagierschiff<br />

der Welt vor dem Ersten Weltkrieg,<br />

genauer im April 1912, war bekanntlich<br />

die Titanic. Die war 270 Meter<br />

lang, 28 Meter breit und hatte Raum<br />

für 2.400 Passagiere. Und auch die<br />

Tonnage war beeindruckend. Die<br />

Bruttoraumzahl (BRZ) definiert seit<br />

den 1990er Jahren <strong>das</strong> komplette<br />

Volumen im Inneren eines Schiffs in<br />

Tonnen, wobei die Titanic auf 46.000<br />

gekommen wäre. Die Berlin liegt bei<br />

lediglich 7.800 Tonnen. Die Celebrity<br />

Ascent ist mit 140.000 Tonnen also<br />

dreimal so schwer wie die Titanic.<br />

Jedenfalls wenn es neben der Icon<br />

of the Seas liegt. So geschehen vor<br />

wenigen Wochen auf der mexikanischen<br />

Insel Cozumel, wohin die<br />

Jungfernfahrt der Icon of the Seas<br />

von Miami aus führte. Das zurzeit<br />

größte Kreuzfahrtschiff der<br />

Welt bricht sämtliche Superlative.<br />

Es ist nicht weniger als 365 Meter<br />

lang. Noch auffälliger ist die Breite,<br />

denn mit fast 50 Metern wirkt der<br />

Riesenpott nicht gerade schmalhüftig.<br />

Auch ist die Icon of the Seas<br />

110.000 Tonnen schwerer als etwa<br />

die Celebrity Ascent. Auf insgesamt<br />

20 Decks können sich bis zu 7.600<br />

Passagiere tummeln. Die Besatzung<br />

ist 2.350 Menschen stark. Das Schiff<br />

der Superlative wurde von der deutschen<br />

Meyer-Werft im finnischen<br />

Turku gebaut. Von Papenburg aus<br />

wäre es niemals über die Ems ge-<br />

4 Der dickste<br />

Kreuzfahrtbrocken<br />

kommen. Die Icon of the Seas verfügt<br />

über den größten Wasserpark<br />

auf See, den höchsten Wasserfall,<br />

die höchsten Rutschen. Um die<br />

Wartezeiten zu verringern, gibt es<br />

gleich sechs davon. Es fehlen weder<br />

eine Eisbahn, die ja dringend nötig<br />

in der Karibik ist, noch die größte<br />

Pool-Theke oder eine Surf-Station.<br />

Auch <strong>das</strong> eine oder andere Restaurant<br />

findet sich an Bord: über zwanzig<br />

an der Zahl! Selbstverständlich<br />

ist die kulinarische Auswahl überwältigend,<br />

denn von Fast Food bis<br />

zum Hummer wird alles geboten.<br />

Wer will denn<br />

so etwas?<br />

Stellt sich die Frage, wer denn auf<br />

einen solchen Pott gehen möchte.<br />

Offenbar viele Leute, denn die<br />

Reederei hat schon nach wenigen<br />

Wochen die Preise angezogen, aufgrund<br />

der großen Nachfrage. Es<br />

sieht aus, als ginge es vielen Menschen<br />

nicht um die Reiseziele bei<br />

einer Kreuzfahrt. Die besagte Insel<br />

Cozumel wird in der Saison täglich<br />

von zehn Kreuzfahrtschiffen besucht,<br />

oder soll man sagen heimgesucht?<br />

Angenommen lediglich<br />

fünftausend Urlauber von der Icon<br />

machen einen Landausflug und der<br />

Rest bleibt an Bord. Von den anderen<br />

Schiffen sind es dann vielleicht<br />

»nur« zweitausend Menschen pro<br />

Schiff. Aber durch diese riesige Masse<br />

an Touristen ist doch schon mal<br />

garantiert, <strong>das</strong>s eine Begegnung<br />

mit den Mexikanern so gut tw<br />

wie ea<br />

geschlossen ist. Dabei ist<br />

<strong>das</strong> Pro-<br />

blem in Cozumel gar nicht so gra-<br />

aus-<br />

vierend, denn viele Touristen fahren<br />

mit den supermodernen, schnellen<br />

Fähren auf <strong>das</strong> mexikanische Festland,<br />

um sich die Maya-Ruinen anschauen<br />

zu können. n Nach stundenlanger<br />

Busfahrt, versteht sich. Auf<br />

kleineren Karibikinseln, die außer<br />

Strand nicht viel zu bieten haben,<br />

führen die Riesenschiffe dazu, <strong>das</strong>s<br />

tagsüber mehr Besucher als Einheimische<br />

die Inseln bevölkern.<br />

Dann ist es vielleicht gar nicht<br />

so schlecht, <strong>das</strong>s viele Kreuzfahrer<br />

eben nicht aussteigen, sondern die<br />

Erlebnisse an Bord genießen. Und<br />

ehrlich gesagt ist es auch für kritische<br />

Geister schwer, nicht vom neuen<br />

Giganten der Meere beeindruckt<br />

zu sein. Bleibt die Frage, wohin <strong>das</strong><br />

alles noch führen soll. Immerhin<br />

kann man heute durch wenige<br />

Klicks im Internet nachverfolgen,<br />

welches Kreuzfahrschiff wann und<br />

wo anlegt. Mit dieser Information<br />

kann man ganz genau dahin fahren,<br />

wo die Riesenpötte eben nicht sind!<br />

Massenhaft<br />

Superlative<br />

Und dennoch ist <strong>das</strong> neueste<br />

Schiff der Celebrity Cruises klein.<br />

Das Stadtgespräch<br />

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