LIVING / LIFESTYLE TEXT - Fokus
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VERTRAGSFORMBLÄTTER. Nach § 879 Abs. 3 ABGB ist eine in AGB<br />
oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung,<br />
die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt,<br />
jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände<br />
des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Die wichtigste<br />
Fallgruppe sind Verschlechterungen der Rechtsposition<br />
des Vertragspartners des Verwenders von AGB durch Abweichungen<br />
vom dispositiven Recht. Insbesondere kann eine<br />
Abweichung vom dispositiven Recht in Vertragsformblättern<br />
dann eine gröbliche Benachteiligung i. S. d. § 879 Abs 3 ABGB<br />
sein, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung<br />
finden lässt. Der Begriff der „Hauptleistung“ ist in diesem<br />
Zusammenhang nach h. M. eng zu verstehen. Damit sind<br />
etwa die in § 885 ABGB genannten „Hauptpunkte“ gemeint,<br />
also diejenigen Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien<br />
vereinbaren müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter<br />
Vertrag zustande kommt. Die „Ausmalverpflichtung“<br />
bei Beendigung des Mietverhältnisses stellt i. d. S jedenfalls<br />
keine Hauptleistung dar, sodass die Bestimmung des<br />
§ 879 Abs. 3 ABGB im vorliegenden Fall anzuwenden ist.<br />
KEIN UNTERSCHIED. Für die Anwendung des § 879 Abs. 3 ABGB<br />
macht es keinen Unterschied, ob sich die Regelung in separaten<br />
AGB oder in Vertragsformblättern befindet. Auch der<br />
äußeren Form nach individuell gestaltete Vereinbarungen<br />
können in Wahrheit AGB beinhalten. In allen diesen Fällen<br />
liegt typischerweise eine besondere Ungleichgewichtslage zwischen<br />
den Parteien vor, der § 879 Abs. 3 ABGB Rechnung tragen<br />
will. Gleiches gilt für vergleichbare Konstellationen wie<br />
die Verwendung einseitig vorformulierter individueller Vertragstexte,<br />
weil der unterlegene Partner sich hier in derselben<br />
Situation befindet wie bei Verwendung von AGB durch<br />
den strukturell überlegenen Partner. Dass die im Mietvertrag<br />
enthaltene Endausmalverpflichtung dem dispositiven Recht<br />
widerspricht, kann keinem Zweifel unterliegen. Der Mieter<br />
hat die durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch entstandene<br />
Abnützung des Bestandobjekts nach § 1109 ABGB nicht<br />
zu vertreten. Auf Grund des Gesamtzusammenhangs der Mieterschutzbestimmungen<br />
ist jedenfalls im Vollanwendungsbereich<br />
des MRG eine sachliche Rechtfertigung für eine derartige<br />
Abweichung vom dispositiven Recht nicht zu erkennen,<br />
zumal die gewöhnliche Abnützung durch den Mietzins abgegolten<br />
ist und andererseits die durch das Ausmalen entstandene<br />
Werterhöhung ausschließlich dem Vermieter zugute<br />
kommt, der dann einen höheren Mietzins lukrieren kann. �<br />
APRIL/MAI 2010<br />
Der Autor<br />
Dr. Mario Schiavon ist Rechtsanwalt<br />
in Wien, Partner der Sozietät Siemer-<br />
Siegl-Füreder & Partner Rechtsanwälte,<br />
mit Schwerpunkt Immobilien- und<br />
Liegenschaftsrecht.<br />
1010 Wien, Dominikanerbastei 10<br />
Tel. 01/512 14 45, Fax 01/513 79 84<br />
schiavon@ssfp-law.at<br />
Der Autor<br />
Dr. Erich René Karauscheck ist ein<br />
auf Immobilienrecht spezialisierter<br />
Partner der Themmer, Toth & Partner<br />
Rechtsanwälte GmbH<br />
1010 Wien, Biberstraße 15<br />
Tel. 01/515 06, Fax 01/515 06-16<br />
erich.karauscheck@ttplaw.at<br />
Der Richtwertmietzins<br />
Der Richtwertmietzins ist, obzwar § 1 MRG<br />
und § 16 MRG eine Vielzahl an Ausnahmen<br />
kennen, der Standardmietzins für Wohnungen<br />
im Altbau, die sich also in Gebäuden befinden,<br />
die vor dem 08.05.1945 errichtet wurden.<br />
Der Richtwertmietzins wurde mit dem 3. Wohnrechtsänderungsgesetz<br />
(WÄG) per 01.03.1994 eingeführt. Er hat<br />
die alten starren Kategoriemietzinse abgelöst und soll<br />
der Rechtsprechung des OGH (07.03.1945, 4 Ob 1527/95)<br />
folgend nach unten durch den Kategoriemietzins und<br />
nach oben durch den „angemessenen Hauptmietzins“<br />
beschränkt werden. Die Basis für die Ermittlung des<br />
Richtwertmietzinses stellt der Richtwert, welcher für<br />
jedes Bundesland veröffentlicht wird und derzeit für das<br />
Bundesland Wien netto EUR 4,73 beträgt, dar. Dieser<br />
Richtwert ist der vom Gesetzgeber für die „mietrechtliche<br />
Normwohnung festgelegte, angemessene Betrag“, der<br />
pro m2 der Nutzfläche und Wohnung angemessen ist.<br />
Die mietrechtliche Normwohnung ist eine Fiktion, eine<br />
Berechnungsgrundlage. Keine Wohnung entspricht dieser<br />
gesetzlichen Fiktion exakt. Es gibt regelmäßig sowohl<br />
besser als auch schlechter ausgestattete Wohnungen,<br />
auch ist keine Lage (Wohnumgebung) gleich, weshalb<br />
sowohl Zu- als auch Abschläge vom Richtwert bei der<br />
Berechnung des Richtwertmietzinses heranzuziehen sind.<br />
Nähere Informationen, beispielsweise zur Berechnung<br />
des Richtwertmietzinses, des angemessenen Mietzinses<br />
und seiner Abgrenzung zum frei vereinbarten<br />
Mietzins, zu Fragen des Anwendungsbereichs des<br />
Mietrechtsgesetzes, zur Abgrenzung Geschäftsraummiete<br />
und Unternehmenspacht finden Sie in dem soeben<br />
erschienenen Fachbuch „Der Mietzins“.<br />
Mag. Franz Strafella, ein gerichtlich beeideter und<br />
zertifizierter Immobiliensachverständiger, und RA Dr. Erich<br />
René Karauscheck haben auf 245 Seiten in einer auf den<br />
Mietzins beschränkten Monografie den Mietzins in all seinen<br />
Facetten analysiert.<br />
Das Buch ist im Linde Verlag erschienen.<br />
http://www.lindeverlag.at/titel-0-0/der_mietzins-3874/<br />
FOKUS I HOME & BUSINESS 35