Archäologische Funde aus Deutschland - Deutsches ...
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F R Ü H E S M I T T E L A L T E R<br />
Zierscheiben <strong>aus</strong> Eschwege-Niederhone,<br />
Werra-Meißner-Kreis<br />
(Hessen)<br />
1985 wurde eine sehr große Grabkammer <strong>aus</strong> der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts<br />
n. Chr. untersucht. Im Grab war ein etwa 50-60 Jahre alter Mann bestattet.<br />
Das Grab war bereits im frühen Mittelalter beraubt worden. Zu den<br />
erhaltenen Beigaben zählt die Waffen<strong>aus</strong>rüstung mit Schwert, Pfeil und Bogen<br />
sowie Schild. Zeichen des gehobenen Lebensstil sind zwei Glasbecher.<br />
Als Speisebeigaben sind die Knochen von Schwein, Schaf, Hirsch, Elch und<br />
Gans zu deuten. Das teilweise erhaltene Skelett eines Habichts zeigt, dass der<br />
Tote die Beizjagd <strong>aus</strong>führte. Mit der Beraubung des Grabes ist hingegen ein<br />
Hundeskelett ohne Kopf zu verbinden.<br />
In sehr reichen Bestattungen dieser Zeit ist die Mitgabe eines Pferdes nicht<br />
selten, doch wurden keine entsprechenden Knochen gefunden. Allerdings<br />
fand sich eine eiserne Trense. Auch die drei Zierscheiben gehören zum Pferdegeschirr.<br />
Sie bestehen <strong>aus</strong> dünnem Silberblech, die in gegossenen Umfassungsringen<br />
<strong>aus</strong> Bronze befestigt sind. An diesen befinden sich die Ösen,<br />
durch welche die Lederriemen des Brustgeschirrs geführt wurden. Die größere<br />
Scheibe war auf der Brust des Pferdes, die beiden kleineren seitlich vor dem<br />
Sattel befestigt.<br />
Auf der größeren Scheibe mit einem Durchmesser von 10 cm sieht man eine<br />
thronende Göttin mit einer Krone auf dem Kopf. Ihr sind zwei wilde Löwen<br />
zugewandt, die in ihrer Gegenwart gebändigt sind. In ihren Händen hält sie<br />
einen Bogen. Die exotischen Tiere und auch die vier Rosetten auf der Scheibe<br />
zeigen, dass es sich um ein ostmediterran-orientalisches Bildthema handelt.<br />
Tatsächlich ist die iranische Göttin Anahita Vorbild für die Darstellung gewesen.<br />
Sie ist hier eine Herrin der Tiere. Die Wortbedeutung des Götternamens,<br />
nämlich „unbefleckt“, „makellos“ ließ aber auch die Umdeutung der Darstellung<br />
zu einem christlichen Marienbild zu. Die Scheibe ist in einer süddeutschalamannischen<br />
Werkstatt vermutlich nach dem Vorbild eines persischen Originals<br />
entstanden.<br />
Aus der gleichen Werkstatt stammen die beiden kleineren Scheiben. Sie zeigen<br />
modelgleich einen unbekleideten Mann zwischen zwei Bären mit aufgerissenen<br />
Mäulern. Wohl ist hier Daniel in der Löwengrube gemeint. Vergleichbare<br />
Darstellungen sind auch <strong>aus</strong> Schweden bekannt, wo sie allerdings im<br />
Sinne der germanischen Mythologie umgedeutet wurden. Die drei Scheiben<br />
sind ein Beispiel für die beständige Neuinterpration von Bildmotiven. Aus der<br />
persischen Anahita wurde in einer süddeutschen Werkstatt ein Marienbild<br />
und <strong>aus</strong> Daniel in der Löwengrube wurde im heidnischen Skandinavien ein<br />
germanischer Held.<br />
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