Festschrift 100 Jahre Albwerk - Alb-Elektrizitaetswerk Geislingen ...
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Friedrich Wilhelm<br />
Raiffeisen<br />
Weshalb Elektrizitätsgenossenschaft ?<br />
Da weder Kapitalinteressen noch<br />
kommunales Interesse an der Gründung<br />
eines regionalen Elektrizitätswerkes<br />
vorlagen, andererseits ein<br />
erkennbarer Bedarf an einer Elektrizitätsversorgung<br />
bestand, musste zur<br />
Realisierung ein anderer Weg gefunden<br />
werden. Dieser bestand in der<br />
Umsetzung der Genossenschaftsidee<br />
in der Elektrizitätsversorgung.<br />
Das Genossenschaftsgesetz von 1889<br />
hatte Grundsätze der Unternehmensführung<br />
geschaffen, die den wirtschaftlich<br />
schwächeren Bevölkerungskreisen<br />
der damaligen Zeit, wie<br />
Bauern, Handwerkern, Einzelhändlern<br />
oder Arbeitern und Angestellten,<br />
ausgezeichnete Möglichkeiten einer<br />
wirtschaftlichen Unternehmensbeteiligung<br />
boten. Die Genossenschaftsprinzipien<br />
der Selbsthilfe, der Selbstverwaltung<br />
und der Selbst verantwortung<br />
waren zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts schon in ganz<br />
Deutschland durch F. W. Raiffeisen<br />
und Hermann SchulzeDelitzsch eingeführt<br />
und bekannt gemacht worden.<br />
Sie passten auch für Elektrizitätsgenossenschaften.<br />
An diesen Grundsätzen<br />
der Unternehmensführung<br />
konnten sich die <strong><strong>Alb</strong>werk</strong>gründer<br />
orientieren. Schultheiß Schneider ist<br />
durchaus als „Genossenschaftler“<br />
einzustufen, der den Vorstellungen<br />
des Gründers des ländlichen Genossenschaftswesens,<br />
Friedrich Wilhelm<br />
Raiffeisen, und des gewerblichen<br />
Genossenschafts und Bankwesens,<br />
Hermann SchulzeDelitzsch, gedanklich<br />
sehr nahestand.<br />
Die genossenschaftliche Selbsthilfe<br />
hat den Zweck, den Mitgliedern, aber<br />
auch Nichtmitgliedern, einen ökonomischen<br />
bzw. gesellschaftlichen Nutzen<br />
zu verschaffen. Dieser bestand<br />
beim <strong><strong>Alb</strong>werk</strong> darin, Elektrizität für<br />
Haushalte und Betriebe zu erzeugen<br />
und für die angeschlossenen Gemeinden<br />
die Sicherung der Stromversorgung<br />
zu angemessenen Preisen<br />
zu gewährleisten. Natürlich war<br />
Schneider primär Kommunalpolitiker;<br />
sein Ziel war deshalb, neben der<br />
individuellen Förderung von Privatpersonen,<br />
auch die Gemeinden in die<br />
Elektrizitätsgenossenschaften zu integrieren<br />
und zwar vorrangig über Mitgliedschaften.<br />
Die genossenschaftliche<br />
Selbstverwaltung legt die Entscheidungsstruktur<br />
des Unternehmens<br />
fest. Beim <strong><strong>Alb</strong>werk</strong> sollte das die<br />
Generalversammlung als höchstes<br />
Beschlussgremium, der Aufsichtsrat<br />
als Kontroll und Beratungsgremium<br />
und der Vorstand als ausführendes<br />
Entscheidungsorgan des Unternehmens<br />
sein. Die genossenschaftliche<br />
Selbstverantwortung war von Anfang<br />
an durch die Finanzierung des Unternehmens<br />
aus eigener Kraft und die<br />
Haftung für das unternehmerische<br />
Handeln durch die Mitglieder der<br />
Genossenschaft selbst gewährleistet,<br />
was durchaus zu Problemen in der<br />
Unternehmensführung beitrug.<br />
Letztlich ist eine Elektrizitätsgenossenschaft<br />
aber auch auf dem Personalitätsprinzip<br />
aufgebaut, bei dem zur<br />
Gründung natürliche oder juristische<br />
Personen notwendig sind, die Mitgliedschaft<br />
beim Tod des Genossen<br />
erlischt und die Entscheidungen und<br />
Beschlüsse nicht durch Kapitalmehrheiten,<br />
sondern durch Mehrheiten der<br />
Genossenschaftsmitglieder in den<br />
Organen zustande kommen.<br />
Die Frage, weshalb man beim <strong><strong>Alb</strong>werk</strong><br />
die Rechtsform einer Genossenschaft<br />
wählte, ergab sich zum einen<br />
aus der nicht vorhandenen Bereitschaft<br />
der Stadt <strong>Geislingen</strong> zur Unternehmensbeteiligung<br />
und zum anderen<br />
wegen fehlender privater Interessenten<br />
für entsprechende Investitionen<br />
in ein Elektrizitätswerk.<br />
Dazu kamen andere Aspekte, die<br />
schon bei der ersten württembergischen<br />
Elektrizitätsgenossenschaft,<br />
der „Elektrische Kraftübertragung<br />
Herrenberg e.G.m.b.H. (EKH)“ eine<br />
Rolle gespielt hatten: eine Genossenschaft<br />
unterlag nicht den strengen,<br />
meist auch engen Vorschriften der<br />
öffentlichen Verwaltung und konnte<br />
in ihrer aktiven Unternehmenstätigkeit<br />
viel freier sein. Dies galt für die<br />
gesamte Unternehmensführung und<br />
für die Finanzierung der Genossenschaftsunternehmen<br />
über Geschäftsanteile.<br />
In einer Region, in der sich<br />
manche Einwohner die Versorgung<br />
mit Elektrizität einfach nicht leisten<br />
konnten, war die Gründung einer<br />
Elektrizitätsgenossenschaft in diesem<br />
Sinne zwar grundsätzlich ein öffentliches<br />
Anliegen, aber auch eine Aktion<br />
der Selbsthilfe für einzelne, ökonomisch<br />
weniger leistungsfähige Haushalte<br />
und Betriebe, insbesondere in<br />
der Landwirtschaft. Im Gegensatz zur<br />
Herrenberger Elektrizitätsgenossenschaft<br />
aus dem <strong>Jahre</strong> 1905 hatte beim<br />
<strong><strong>Alb</strong>werk</strong> das private Interesse einen<br />
hohen Stellenwert.<br />
Versorgungsgebiet 1911<br />
Grafik aus der Jubiläumsschrift „50 <strong>Jahre</strong> <strong><strong>Alb</strong>werk</strong>“, 1960<br />
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