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ICOM Deutschland Mitteilungen 2012

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zu haben. Diese hatten glücklicherweise nicht zurückgeschossen,<br />

so dass keine schweren Schäden eintraten.<br />

Der Direktor der berühmtesten libyschen Welterbestätte,<br />

der Ruinenanlage Leptis Magna, hatte von dem Vorgehen<br />

der Gaddafi­Truppen gehört und überlegt, wie er die Anlage<br />

vor der Belagerung bewahren könne. Schließlich kam<br />

er auf eine geniale Idee: Er lud die Schäfer der Gegend ein,<br />

all ihre Herden auf dem Gelände weiden zu lassen. Mit<br />

diesem Schachzug schützte er die Ruinenanlage gleich auf<br />

dreierlei Weise: Er verhinderte nächtliches Eindringen, denn<br />

dies wäre von den Wachhunden sofort bemerkt worden.<br />

Ferner hat er darauf gesetzt, dass sich arabische Soldaten<br />

scheuen, Tiere anzugreifen. Und schließlich verhinderte er,<br />

dass das Militär – wie anderswo geschehen – Bodenminen<br />

gegen die nachrückenden Rebellen legte.<br />

In der Nähe von Leptis Magna liegt noch heute auf einem<br />

Hügel ein kleines Fort, Khums, das einst die Römer zum<br />

Schutz der Stadt erbaut hatten. Während des Krieges baute<br />

die libysche Armee dort – unter Bruch des Völkerrechts –<br />

eine Radarstation und stationierte fünf Flak­Batterien.<br />

Dass die der NATO zugestellten Übersichten geholfen hatten,<br />

die Kulturerbestätte vor schweren Angriffen zu bewahren,<br />

war eindrucksvoll festzustellen: Das Blue­Shield­Team<br />

fand zwar sechs Schrotthaufen vor, aber die rund zwanzig<br />

Meter entfernten hohen römischen Festungsmauern blieben<br />

von nennenswerten Schäden verschont.<br />

Fazit: NATO­Hochtechnologie auf dem Hügel und Schafherden<br />

in der Ebene – eine hilfreiche Allianz für den Kulturgutschutz!<br />

2. libyen-Reise: November 2011<br />

Im November ist das Team noch einmal nach Libyen gereist,<br />

diesmal in den Osten, nach Bengasi, Cyrene und einige<br />

andere Städte. In Bengasi konnte das Team den Tatort<br />

des dreisten Einbruchs in ein Banktresor­Gewölbe inspizieren.<br />

Dort wurde – dank Insider­Wissen der Bank – der<br />

äußerst wertvolle „Schatz von Bengasi“ geraubt, der u. a.<br />

über 7.000 antike Münzen enthielt.<br />

In den Museen der kleineren Städte waren zwar einige<br />

Diebstähle zu verzeichnen, aber die Mehrzahl der Museen,<br />

Bengasi: Durch diesen Tunnelausgang wurden Teile des legendären<br />

„Schatzes von Bengasi“ aus einem Banktresor-Gewölbe geraubt .<br />

Foto: Karl von Habsburg<br />

intErnationalE KoMitEEs<br />

archäologischen Archive und Magazine blieb unversehrt.<br />

Dazu hat auch eine Vorsorgemaßnahme beigetragen, die<br />

sich schon in Ägypten bewährt hatte: Die Türen wurden<br />

nicht mit Schlössern gesichert, sondern vermauert oder verschweißt.<br />

In zwei Orten hat man die Ankunft unseres Teams<br />

zum Anlass genommen, die monatelang verschlossenen<br />

Mu seumstüren wieder zu öffnen, und sich und der Welt<br />

stolz das Ergebnis der klugen Vorsorge zu demonstrieren.<br />

Zwischenbilanz<br />

In der Rückschau hat die Mission ergeben, dass unsere Sorge<br />

um Libyen – glücklicherweise – übertrieben war. Die lokalen<br />

Verantwortlichen für die Museen und Ausgrabungsstätten<br />

haben – ohne jeden Notfallplan – unter diesen schwierigen<br />

Umständen sehr umsichtig und mutig gehandelt.<br />

Die Tatsache, dass Gaddafi die Kulturschätze weitgehend<br />

ignoriert hatte, entpuppte sich im Nachhinein als ein<br />

Segen: Vor Ort mussten sich die Verantwortlichen schon<br />

immer selbst helfen, aus der Hauptstadt war keine Unterstützung<br />

zu erwarten. Dadurch waren die Kultureinrichtungen<br />

in keiner Weise mit dem herrschenden Clan verknüpft<br />

und blieben von Racheakten verschont – anders<br />

etwa in Ägypten, wo z. B. all jene Bibliotheken geplündert<br />

wurden, die den Namen von Mubarak oder seiner Frau<br />

trugen.<br />

Dennoch bleibt in Libyen viel zu tun: Die archäologischen<br />

Stätten und Museen müssen vor Zerstörung geschützt und<br />

beschädigte Teile restauriert werden. Die Bedeutung des<br />

kulturellen Erbes als Bindeglied zwischen den Volksstämmen<br />

haben sowohl die einheimischen Kulturexperten als<br />

auch die politischen Autoritäten hervorgehoben.<br />

Dr . Thomas Schuler ist seit 2005 Präsident der Disaster Relief Task<br />

Force von <strong>ICOM</strong> . Im Rahmen von Hilfsmissionen zum Schutz von<br />

Kulturgütern war er in den vergangenen Jahren in zahlreichen Kri senregionen<br />

unterwegs; th .schuler@t-online .de .<br />

Weitere Informationen<br />

Weitere Berichte und Fotos zu den Einsätzen in Libyen und Ägypten:<br />

www .blueshield .at<br />

Darna: Im Beisein des DRTF-Teams wurden die Museumstüren mit<br />

dem Trennschleifer geöffnet, die man Monate zuvor verschweißt hatte .<br />

Foto: Karl von Habsburg<br />

iCoM deutschland – MittEilungEn <strong>2012</strong> | 25

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