ICOM Deutschland Mitteilungen 2012
ICOM Deutschland Mitteilungen 2012
ICOM Deutschland Mitteilungen 2012
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
tagungsberichte<br />
CIMAM – International Committee for Museums and<br />
Collections of Modern Art<br />
Museums and the City<br />
Jahrestagung vom 14. bis 17. November 2011 in ljubljana,<br />
slowenien, Zagreb, kroatien, und sarajevo, Bosnien-herzegowina<br />
Angela Lammert<br />
Die Konferenz „Museums and the City“ setzte sich mit<br />
dem Phänomen auseinander, dass sich die Museen immer<br />
stärker mit der unmittelbaren Umgebung, immediate environment,<br />
der Stadt auseinandersetzen. Hat diese Veränderung<br />
auch unser Denken über das Museum verändert?<br />
Sind Raum und Ort des Museums neu zu denken, wenn<br />
das Gebäude selbst gegenüber der Stadt an Bedeutung verliert?<br />
Wie ist das Verhältnis von lokaler Stadt und globaler<br />
virtueller Stadt? Was bedeutet das für das Publikum? Oder<br />
ähneln sich die Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im internationalen<br />
Kontext zu sehr und das immediate environment<br />
kann als Strategie gelten, dem entgegenzuwirken?<br />
Die Gastländer Serbien, Kroatien und BosnienHerzegowina<br />
– die zum ehemaligen Jugoslawien gehörten und vor<br />
dem Hintergrund der noch lebendigen politischen Auseinandersetzungen<br />
auch mit der Arbeit im Museum eine eigene<br />
Identität konstituieren – waren gute Orte, um über solche<br />
Fragen nachzudenken.<br />
So ist im Museum of Contemporary Art Metelkova in<br />
Ljubljana modellhaft der Versuch unternommen worden,<br />
im europäischen Team von vier europäischen Museen (Moderna<br />
galerija, Ljubljana, Museu d’Art Contemporani de<br />
Barcelona, Van Abbemuseum, Eindhoven, und Museum van<br />
Hedendaagse Kunst, Antwerpen) unter dem Titel „The<br />
Museum of Affects“ eine Ausstellung zu konzipieren, die<br />
Analogien und Differenzen der vergangenen Jahrzehnte<br />
jenseits einer teleologischen Erzählung thematisiert. Warum<br />
aber muss die traditionsvolle Grafikbiennale in Ljubljana<br />
unter dem Titel „Event“ zu einer beliebigen Biennale<br />
zeitgenössischer Kunst mit konzeptuellen Werken und Videoarbeiten<br />
werden?<br />
Trotz der kontrovers zu diskutierenden Architektur des<br />
vor kurzem neu eröffneten Muzej Suvremene Umjetnosti<br />
in Zagreb – übrigens bewusst nicht ins direkte Zentrum<br />
der Stadt gesetzt – war unter dem Titel „Collection in<br />
Motion“ ein Sammlungsschatz ausgebreitet, der die in Westeuropa<br />
unzureichend bekannten hochkarätigen Arbeiten<br />
aus den exjugoslawischen Ländern und die internationalen<br />
Beziehungen der Protagonisten zu Westeuropa unter<br />
thematischen Kapiteln wie „Project and Destiny“, „Art as<br />
Life“, „Art on Art“, „The Great Enigma of the World“ und<br />
„Words and Images“ zusammenfasste. Die in den letzten<br />
Jahren durch die Kuratoren der Moderna galerija geleistete<br />
Arbeit, die zur Integration künstlerischer Positionen aus<br />
Kroatien in den internationalen Kontext geführt hat, muss<br />
ihre Rolle in dem derzeitigen Gefüge neu definieren. Überhaupt<br />
fiel ins Gewicht, dass der Begriff independent cul<br />
intErnationalE KoMitEEs<br />
ture, wie zum Beispiel im POGON – Zagrebs Center for<br />
Independent Culture and Youth –, eine andere Bedeutung<br />
und eine andere Geschichte hat, als sie in westeuropäischen<br />
Ländern vorstellbar ist. Was können wir daraus lernen?<br />
Für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema<br />
der Tagung schienen einige Beiträge besonders interessant.<br />
Dazu zählten der Beitrag der Philosophin und Soziologin<br />
Renata Salecl (Universität Ljubljana und London School<br />
of Economics) über die Frage, was Kunst ist und was nicht<br />
bzw. inwieweit diese Frage die Veränderung der Art der<br />
Identifikation (etwa die Wahrnehmung von Luxus) beinhaltet,<br />
ferner der Beitrag von Rem Koolhaas (zuletzt kuratorischer<br />
Masterplan für die Eremitage in St. Petersburg)<br />
zur Architektur von Museen und der Beitrag von Eyal Weizman<br />
(University of London). Problematisierte Koolhaas die<br />
Dimension der wachsenden Maßstäbe im Museumsbau,<br />
inklusive seiner eigenen Arbeit, überraschte Weizman in<br />
einem brillanten Vortrag über forensische Architektur, die<br />
er vom Begriff des Forums entwickelte. Die Überlegungen<br />
zum Verhältnis von evidence und witness eröffneten über<br />
die konkrete Fragestellung hinaus auch eine neue Art und<br />
Weise des Nachdenkens über Bilder. Darstellung und Interpretation<br />
von Architektur und Bildern sind vor dem<br />
Hintergrund digitaler Manipulationen neu zu bewerten.<br />
Die wünschenswerte Öffnung des Blickwinkels auf Positionen<br />
aus dem Libanon, aus China oder Kamerun ließ<br />
sich nicht immer inhaltlich miteinander verzahnen. Die<br />
praktische Erfahrung von Barthélémy Toguo (Paris, New<br />
York und Bandjoun/Kamerun), der als Künstler ein Museum<br />
in seinem Heimatort gegründet hat, erwies sich als sehr<br />
anregend für das Grundthema der Tagung. Das vorgestellte<br />
Museumskonzept entspricht nicht der Idee eines europäischen<br />
Museums, sondern ist eher als „ein Platz zum<br />
Leben“ gedacht, an dem sich künstlerische Projekte entwickeln<br />
können. Agricultural projects sind daher neben artist<br />
residences gleichberechtigter Bestandteil einer solchen<br />
Konzeption.<br />
In den lebendigen Workshops kam es ebenfalls zu überraschenden<br />
Einsichten: Die Finanzkrise ist für die türkischen<br />
Kollegen kein grundlegendes Thema. Das lässt<br />
uns gespannt auf die nächste Tagung in Istanbul sein.<br />
Dr . Angela Lammert leitet an der Akademie der Künste interdisziplinäre<br />
Sonderprojekte der Sektion Bildende Kunst . Zu ihren Arbeitsschwerpunkten<br />
zählen Ausstellungskonzeption und Lehrtätigkeit,<br />
u . a . als Gastprofessorin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee;<br />
lammert@adk .de .<br />
Weitere Informationen:<br />
Tagungsprogramm 2011 und Videodokumentation:<br />
www .cimam .org<br />
Jahrestagung <strong>2012</strong>: 12 . bis 14 . November <strong>2012</strong> in Istanbul, Türkei,<br />
Titel: Museums Beyond the Crises<br />
iCoM deutschland – MittEilungEn <strong>2012</strong> | 33