Alternde Belegschaften in Deutschland - Ruhr-Universität Bochum
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gung anstreben, stellen damit eventuell e<strong>in</strong> Risiko für Arbeitgeber dar und werden u.U. seltener e<strong>in</strong>ge-<br />
stellt. Senioritätsentlohnungen, die mit voranschreitendem Alter e<strong>in</strong>en Anstieg der Entlohnung vorse-<br />
hen, werden hauptsächlich im öffentlichen Dienst angewendet. In anderen Branchen bestehen Rege-<br />
lungen z.B. der Entgeltsicherung bei Umsetzung älterer Arbeitnehmer (über 50 Jahren) auf e<strong>in</strong>en ande-<br />
ren Arbeitsplatz sowie Abgruppierungsschutz, die als implizite Senioritätsentlohnung verstanden wer-<br />
den können. Sie dämpfen die E<strong>in</strong>stellungschancen Älterer, weil diese dadurch zu „unnötigen Kosten-<br />
verursachern“ für Unternehmen werden. Um diesem Problem auszuweichen, s<strong>in</strong>d mit den Hartz-IV-<br />
Reformen von 2003 die Möglichkeit der befristeten E<strong>in</strong>stellung von Arbeitnehmern ab 52 Jahren sowie<br />
die Option auf Ausschluss aus dem Kündigungsschutz e<strong>in</strong>geführt worden. Während ersteres kaum<br />
Anwendung f<strong>in</strong>det aufgrund des ger<strong>in</strong>gen Bekanntheitsgrades, musste letztere Regelung 2005 korri-<br />
giert werden, da sie laut des Europäischen Gerichtshofes europarechtswidrig gewesen ist (vgl. BMFSFJ<br />
2006:86; Eichhorst 2006:6ff; Funk/Seyda 2006:28f, 37f). Dar<strong>in</strong> besteht e<strong>in</strong>e gewisse Wahrsche<strong>in</strong>lich-<br />
keit, dass derartige Regelungen Altersdiskrim<strong>in</strong>ierung begünstigen können, obwohl die Intention des<br />
Gesetzgebers gegenteilig gewesen ist.<br />
Weitere wesentliche Regelungen für Ältere beziehen sich auf den Rentene<strong>in</strong>tritt. In <strong>Deutschland</strong> hat<br />
das gesetzlich festgelegte Rentenalter lange Zeit bei 65 Jahren für beide Geschlechter gelegen (vgl.<br />
Tab.4 im Anhang). 32 Dass diese Grenze lange nicht von allen erreicht worden ist und wird, zeigt sich <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em durchschnittlichen Erwerbsaustrittsalter von 61,3 Jahren. E<strong>in</strong> möglicher Grund dafür liegt <strong>in</strong><br />
dem Umstand, dass <strong>Deutschland</strong> zu denjenigen Ländern gehört, die <strong>in</strong> wirtschaftlich schwierigen Zei-<br />
ten e<strong>in</strong>e ausgeprägte Frühverrentungspolitik verfolgt und breit angelegte Vorruhestandsprogramme<br />
e<strong>in</strong>geführt haben sowohl auf staatlicher als auch auf betrieblicher Ebene. Frühverrentung ist lange von<br />
allen beteiligten Akteuren wie Gewerkschaften, Betriebsräten, Arbeitgebern, Arbeitnehmern, etc. als<br />
„sozialverträglicher Personalabbau“ akzeptiert worden. Ältere sollten Arbeitsplätze „freimachen“ für<br />
jüngere Arbeitskräfte. Damit hat sich e<strong>in</strong> gesellschaftlich getragenes „Ruhestandsbewusstse<strong>in</strong>“ verbrei-<br />
tet, wodurch Optionen des vorzeitigen Rentene<strong>in</strong>trittes populär geworden s<strong>in</strong>d. Zudem s<strong>in</strong>d dadurch<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich verschiedene Ausprägungen von Altersdiskrim<strong>in</strong>ierung v.a. <strong>in</strong> Großunternehmen be-<br />
günstigt worden wie altersselektive Personale<strong>in</strong>stellungs- und Rekrutierungspolitik, ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>bezie-<br />
hung Älterer <strong>in</strong> betriebliche Fort- und Weiterbildung, alterssegmentierte Aufgabenzuweisung, etc., die<br />
die Möglichkeiten Älterer auf dem Arbeitsmarkt und im Betrieb e<strong>in</strong>schränken (vgl. Bell-<br />
32 Diese Grenze wird sich <strong>in</strong> den kommenden Jahren für alle auf 67 Jahre erhöhen. Da bisher allerd<strong>in</strong>gs noch ke<strong>in</strong>e Ergebnisse<br />
über die E<strong>in</strong>flüsse dieser Verschiebung bestehen, kann darüber an dieser Stelle ke<strong>in</strong>e Aussage getroffen werden.<br />
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