Band 3 - ZAAR - LMU
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D. Gemeinsame Tagung mit dem BAG (27. September 2006)<br />
Die These, daß Normgeber die möglichen Folgen ihrer Normsetzung ermitteln<br />
und die ermittelten Ergebnisse bei der Normsetzung selbst berücksichtigen<br />
sollen, ist weithin zustimmungsfähig. Die Notwendigkeit einer<br />
solchen Folgenabschätzung wird insbesondere im Gesetzgebungsverfahren<br />
mittlerweile – über die in Gesetzesbegründungen häufig zu lesende<br />
Standardfloskel „sonstige Kosten: keine“ hinaus – ernster genommen:<br />
Dies belegt nicht zuletzt die Einsetzung des neuen „Nationalen Normenkontrollrats“.<br />
Was für den Gesetzgeber gilt, könnte auch auf den Richter übertragen<br />
werden – denn er ist Streitentscheider und damit Regelungsgeber. Deshalb<br />
liegt die Überlegung nahe, daß auch der Richter bei der Streitentscheidung<br />
idealiter die Folgen bedenken soll, die außerhalb der konkreten<br />
Prozeßbeziehung durch seine Entscheidung entstehen können. Dies gilt<br />
für alle Rechtsgebiete, hat aber gerade im wirtschaftsrelevanten und besonders<br />
durch Richterrecht geprägten Arbeitsrecht Bedeutung, weil Dritte<br />
sich an der (revisions-) richterlichen Entscheidung orientieren werden<br />
(und orientieren müssen).<br />
Die dogmatischen und methodischen Grundlagen aber gerade dieser richterlichen<br />
Folgenabschätzung im Arbeitsrecht liegen dabei weitgehend im<br />
Dunkeln. Deshalb ist Diskurs notwendig. Eine von der Präsidentin des<br />
BAG, Ingrid Schmidt, und den Münchener Arbeitsrechtsprofessoren Dr.<br />
Martin Franzen und Dr. Volker Rieble initiierte Tagung am Bundesarbeitsgericht<br />
in Erfurt befaßte sich nun am 27. September 2006 mit der<br />
„Folgenabschätzung im Arbeitsrecht“.<br />
Das Interesse am Thema wird dadurch belegt, daß rund sechzig Teilnehmer<br />
der Einladung zum Meinungsaustausch zwischen (Bundes-) Richtern<br />
und Wissenschaft folgten. Und im Grundsatz herrschte unter diesen Einigkeit:<br />
Die Folgenabschätzung ist zunächst hervorragende Aufgabe des<br />
Gesetzgebers – der hierzu im Gesetzgebungsverfahren auch die notwendigen<br />
administrativen Mittel hat. Aber: Auch der (Arbeits-) Richter hat<br />
grundsätzlich Folgenabschätzung zu betreiben, soll sich über die möglichen<br />
Auswirkungen seiner Rechtsprechung gewiß werden. Darüber hinaus<br />
stehen die Möglichkeiten und die Kompetenz des Gerichts bei der Frage<br />
der Folgenabschätzung in Rede.<br />
Das Grundlagenreferat über die „Folgenabschätzung für Gesetze und<br />
Richterrecht“ hielt Professor Dr. Ulrich Karpen, Universität Hamburg.<br />
Er definierte die Folgenorientierung als Analyse der gesellschaftlichen<br />
Auswirkungen von Rechtsnormen sowie deren Anwendung und die<br />
Berücksichtigung dieser Analyse bei der Entscheidung des Gesetzgebers<br />
oder des Richters.<br />
Karpen betonte, daß Folgenorientierung nicht nur im Gesetzgebungsverfahren<br />
unerläßlich, sondern auch für den Richter notwendig und geboten