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Moral, Ethik und Werte - Georg-W. Moeller

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16 | news<br />

Speakers Corner: „Die neue Managergeneration<br />

braucht alte <strong>Werte</strong>“<br />

Björn Migge über fehlendes Schuldbewusstsein <strong>und</strong> falsche Scham<br />

C In meiner Coaching-Praxis beobachte ich<br />

seit einiger Zeit etwas, das mich sehr beunruhigt:<br />

Offenbar hat sich das Scham- <strong>und</strong><br />

Schuldempfinden deutscher Manager verändert.<br />

Jedenfalls sitzen mir immer mehr<br />

junge Führungskräfte gegenüber, die mit<br />

dem Scham- <strong>und</strong> Schuldbegriff wie ich ihn<br />

kenne nichts mehr anfangen können.<br />

Scham ist ein im Menschen angelegter<br />

Affekt. Man schämt sich vor anderen, wenn<br />

man vermutet, dass diese an einem etwas<br />

bemerken, was man lieber vor ihnen verbergen<br />

würde. Oder man schämt sich, wenn<br />

man sich zu mutig vorgewagt hat, <strong>und</strong> wenn<br />

das Vorhaben dann misslungen ist. Scham<br />

weist oft Überschneidungen mit dem Gefühl<br />

der Schuld auf. In jedem Fall hat Scham viel<br />

mit dem Verlust sozialer Achtung zu tun <strong>und</strong><br />

erfüllt somit eine wichtige soziale Funktion:<br />

Sie dient der Aufrechterhaltung gesellschaftlicher<br />

<strong>Werte</strong> <strong>und</strong> Normen. Die Fähigkeit zur<br />

Scham ist im Menschen verwurzelt. Wofür<br />

wir uns jedoch schämen, ist sozio-kulturell<br />

geprägt. Je nach Herkunft, Gesellschaft oder<br />

Generation schämen sich Menschen für sehr<br />

unterschiedliche Dinge.<br />

Die älteren Führungskräfte entsprechen<br />

in ihrem Scham- <strong>und</strong> Schuldempfinden<br />

dem, was ich selbst kenne: Die meisten von<br />

ihnen gestehen sich ein, dass sie mitunter<br />

für das Leid anderer Menschen oder für das<br />

Misslingen wichtiger Projekte verantwortlich<br />

sind. Sie empfinden dafür Schuld <strong>und</strong><br />

managerSeminare | Heft 140 | November 2009<br />

Scham. Vielleicht können sie mit diesen<br />

Empfindungen nicht immer umgehen. Oft<br />

tabuisieren, bagatellisieren, verdrängen oder<br />

dramatisieren sie die Schuld. Doch sie spüren<br />

immerhin den Affekt. Und im Coaching<br />

oder in Gesprächen mit weisen Fre<strong>und</strong>en<br />

lassen sich dann meist gute Wege finden, die<br />

helfen, mit diesen Gefühlen konstruktiv<br />

umzugehen.<br />

Bei nicht wenigen Führungskräften der<br />

jüngeren Generation kann ich mich aber<br />

im Gegensatz dazu überhaupt nicht mehr<br />

darauf verlassen, dass sie ein solches Schuld-<br />

<strong>und</strong> Schambewusstsein haben. Fast nie<br />

höre ich: „Ich habe etwas falsch gemacht<br />

<strong>und</strong> bin an anderen schuldig geworden.“<br />

Was ich stattdessen viel öfter höre, ist: „Ich<br />

habe mein Potenzial nicht genutzt“ oder „Ich<br />

habe mein Ideal-Selbst immer noch nicht<br />

erreicht.“ „Unfähige“ Kollegen oder Mitarbeiter<br />

werden beiseitegeschoben, weil sie den<br />

eigenen Entwicklungspotenzialen im Wege<br />

stehen, Ehepartner werden verlassen, weil<br />

sie nicht mehr zur Weiterentwicklung der<br />

Selbstverwirklichung beitragen ... Schuldig<br />

fühlen sich besagte Führungskräfte deshalb<br />

nicht. Statt Schuld empfinden sie bestenfalls<br />

Scham – <strong>und</strong> zwar darüber, dass sie ihre<br />

eigenen Ansprüche erst so spät erkannt <strong>und</strong><br />

verwirklicht oder ihre Entwicklungs- <strong>und</strong><br />

Veränderungspotenziale nicht voll ausgeschöpft<br />

haben. Sie sehen dabei nur sich<br />

selbst.<br />

Fehlt jungen Führungskräften das Schuld- <strong>und</strong> Schambewusstsein? Diskutieren Sie mit unter www.managerSeminare.de/SpeakersCorner.<br />

Ich vermute, es liegt daran, dass in unserer<br />

postmodernen Erlebnis- <strong>und</strong> Selbstverwirklichungsgesellschaft<br />

„alte“ <strong>Werte</strong> <strong>und</strong><br />

Tugenden verloren gehen, die Beständigkeit<br />

<strong>und</strong> Verlässlichkeit garantieren <strong>und</strong> am allgemeinen<br />

Wohl ausgerichtet sind. Die neuen<br />

Prinzipien heißen dagegen: Offenheit,<br />

Wachstum, Unabhängigkeit, Flexibilität –<br />

vor allem aber Individualismus, Selbstfindung<br />

<strong>und</strong> Selbstverwirklichung. Diese neuen<br />

<strong>Werte</strong> sind unbarmherzige Antreiber. In der<br />

neuen narzisstisch geprägten Kultur gedeiht<br />

eine unbewusste, aber tief greifende Unsicherheit<br />

im Hinblick auf das eigene Selbst.<br />

Die neue Generation fragt intensiver als vorher:<br />

„Wer bin ich?“, „Wie kann ich optimal<br />

<strong>und</strong> mit möglichst viel Spaß leben?“, „Wie<br />

kann ich möglichst intensiv leben, wenn’s<br />

geht, mit Thrill?“<br />

Das fängt bei vielen schon in der Schule<br />

an. Wenn wir Kindern die Frage stellen:<br />

„Was möchtest Du einmal werden?“, antworten<br />

weniger als früher mit Berufen,<br />

großartigen Erfindungen, hilfreichen Taten<br />

für die Menschheit. Stattdessen: „Ich will<br />

reich werden“, „Ich will berühmt werden“,<br />

„Ich will ganz viel Spaß am Leben haben!“<br />

Wenn wir oberflächlich hinschauen, sehen<br />

wir spätere geniale Höchstleister <strong>und</strong> Großstadt-Abenteurer.<br />

Schauen wir indes genauer<br />

hin, erkennen wir Menschen mit einem<br />

unsagbaren inneren Leistungsdruck, die<br />

nach Selbstverwirklichung streben <strong>und</strong> von

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