Moral, Ethik und Werte - Georg-W. Moeller
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22 | management<br />
die Profession der Top-Manager, als die Bilder<br />
von der Razzia der Steuerfahndung in<br />
seinem Haus durch alle Medien liefen. „Wie<br />
kann der Konzern von seinen Postboten<br />
Rechtschaffenheit verlangen, wenn nicht<br />
einmal der oberste Chef dieses Gebot einhält?“,<br />
fragten sich Beobachter des Geschehens.<br />
Studie: <strong>Moral</strong>isch verwerfliches Handeln<br />
nimmt zu<br />
Die Denkweise „alles geht“ leitet manchem<br />
Manager heute die Hand. Geschäftlicher<br />
Erfolg ist wichtiger als <strong>Werte</strong>. Das zeigen<br />
die Ergebnisse der Studie „Managerpanel“,<br />
die Klaus Aden Ende vergangenen Jahres<br />
durchgeführt hat. „Ich stelle häufiger als<br />
früher fest, dass Ehrlichkeit <strong>und</strong> Geradlinigkeit<br />
geradezu hinderlich sind“, gab einer<br />
der Befragten in der Studie zu Protokoll.<br />
Er war kein Einzelfall. 47 Prozent der Top-<br />
Manager beobachten in ihrem Umfeld regelmäßig<br />
moralisch verwerfliches Handeln.<br />
Viele machen mit, auch wenn sie es eigentlich<br />
besser wissen: 57 Prozent der 305 an<br />
der Studie beteiligten Führungskräfte quält<br />
mehrmals im Jahr ihr schlechtes Gewissen,<br />
weil ihr Handeln mit ihren früheren Vorstellungen<br />
über <strong>Werte</strong> nicht vereinbar ist. „Als<br />
Barsch unter Haifischen lebt es sich schlecht.<br />
Also werden viele zum Haifisch“, beklagt<br />
einer der Befragten.<br />
Warum ist das so? Warum wird mancher<br />
nette Familienvater zum Menschenschinder<br />
oder Betrüger, sobald er den Schlips umgeb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> das Büro betreten hat? Ein<br />
wichtiger Auslöser ist das, was in der Manager-Arbeitswelt<br />
mit Extreme-Jobbing beschrieben<br />
wird: Der Druck ist hoch, der<br />
Wettbewerb um die besten Plätze im Beruf<br />
wird aggressiver. Da wird schon mal die Idee<br />
des Mitarbeiters als die eigene verkauft, eine<br />
Information gegenüber Kollegen unterdrückt<br />
oder ein Teammitglied unberechtigt<br />
angeschwärzt – oder einem Lieferanten die<br />
managerSeminare | Heft 121 | April 2008<br />
Rechnung nicht bezahlt, damit der Gewinn<br />
stimmt.<br />
Meist fangen die <strong>Werte</strong>-Übertretungen<br />
klein an, doch es bleibt nicht dabei. „Es gibt<br />
haufenweise Gefährdungen auf dem Weg an<br />
die Macht. Viele Führungskräfte sind nicht<br />
stark genug, um dem standzuhalten“, sagt<br />
Gertrud Höhler, Beraterin von Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Politik in Berlin. Höhler, die sich in<br />
ihren mehr als 20 Büchern immer wieder<br />
mit dem Thema <strong>Werte</strong> befasst hat (siehe<br />
Service-Kasten Seite 25), beobachtet: „Die<br />
Lasterkette ergibt sich im Verlauf des Aufstiegs.“<br />
Kultur der Konzernwirtschaft begünstigt<br />
<strong>Werte</strong>verfall<br />
Die Kulturmerkmale der Konzernwirtschaft<br />
begünstigen den <strong>Werte</strong>verfall. „Die hohe<br />
Fluktuation im Management ist ein Gr<strong>und</strong>“,<br />
so Höhler. Die Gesichter wechseln ständig,<br />
persönliche Bindungen, die das berufliche<br />
Wirken stabilisieren, gebe es in einem Umfeld,<br />
das spätestens alle zwei Jahre komplett<br />
reorganisiert wird, immer weniger. <strong>Werte</strong><br />
kann <strong>und</strong> will man sich offenbar nicht mehr<br />
leisten. „Der Frühstücksdirektor, der jeden<br />
kennt, der immer Zeit hat für ein Gespräch,<br />
stirbt aus“, beklagte schon vor Jahren Carl<br />
„<strong>Werte</strong> lassen sich nur<br />
realisieren durch Menschen,<br />
die den kleinen Unterschied<br />
machen.“<br />
Stefanie Unger, Consultant bei Novakovic & Partner<br />
Executive Search, Zürich. Kontakt:<br />
sun@novakovicpartner.com<br />
„Es gibt haufenweise Gefährdungen<br />
auf dem Weg an die<br />
Macht. Viele Führungskräfte<br />
sind nicht stark genug, um<br />
dem standzuhalten.“<br />
Gertrud Höhler, Buchautorin <strong>und</strong> Beraterin von Wirtschaft<br />
<strong>und</strong> Politik in Berlin.<br />
Zimmerer, Gründer <strong>und</strong> Geschäftsführer<br />
der Interfinanz, einem Unternehmensmakler<br />
in Düsseldorf. Mit dem Frühstücksdirektor<br />
verschwand der soziale Kitt aus der<br />
Großorganisation, mit ihm die Kummerkästen<br />
<strong>und</strong> die fürsorgliche Kontrolle, die<br />
für ein Mindestmaß an Anstand sorgte.<br />
Der Organismus des modernen Großunternehmens<br />
lässt manche Führungskraft<br />
zudem die gute Erziehung <strong>und</strong> andere <strong>Werte</strong><br />
vergessen. „Manager bewegen sich in einem<br />
Dschungel. Da kann man manches machen,<br />
was nicht so ganz den Regeln entspricht,<br />
ohne dass es jemand sieht“, beschreibt Beraterin<br />
Höhler die Arbeitsbedingungen. Der<br />
Schlaue lerne schnell, die Regeln so zu überschreiten,<br />
dass es das Controlling nicht<br />
bemerkt. Deshalb kann sich die Deformation<br />
ungehindert in manche Führungsetage<br />
hereinschleichen. „Die Elite meint, sie darf<br />
sich mehr erlauben als der einfache Mann<br />
auf der Straße“, kritisiert Höhler. Die Chefetage<br />
nehme für sich in Anspruch, dass für<br />
sie andere, weniger strenge Regeln gelten als<br />
für die kleinen Leute. „Die Oberen genießen<br />
das Gefühl eines geschlossenen Clubs, der<br />
ihnen die Lizenz gibt, Regeln des Anstands<br />
ungestraft zu übertreten“, so die Buchautorin.<br />
Auf diesem Humus wächst Verhalten, das,<br />
einmal aufgedeckt, zum Skandal wird. „Wir<br />
kaufen uns den Betriebsrat, wenn er nicht<br />
spurt“, so wurde etwa bei Volkswagen gedacht,<br />
einem Unternehmen, das immerhin<br />
auch von Größen wie dem Vorsitzenden der<br />
IG Metall, Jürgen Peters, <strong>und</strong> dem Ministerpräsidenten<br />
Niedersachsens, Christian Wulff,<br />
überwacht wird. Diese Prominenz im Aufsichtsrat<br />
des Autobauers konnte nicht verhindern,<br />
dass Peter Hartz tief in die Firmenkasse<br />
greift: 200.000 Euro bekommt Klaus<br />
Volkert, Chef des Betriebsrats, pro Jahr vom<br />
Personalvorstand zugesteckt. Damit sichert<br />
sich Hartz zehn Jahre lang die Zustimmung<br />
zur Personalpolitik des Konzerns, bis die<br />
Sache 2005 auffliegt.