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Jenaer Beiträge Nr. 15 - Sport Geschichte Jena

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Biomechanische Untersuchungen von Muskeleigenschaften<br />

beim Neuseelandkaninchen<br />

Kay Leichsenring<br />

Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft, Institut für<br />

<strong>Sport</strong>wissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität<br />

<strong>Jena</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Muskeln sind die Motoren des Lebens. Um diese hochkomplexen<br />

Strukturen verstehen und beschreiben zu<br />

können, werden in der Wissenschaft verschiedene Modellierungsansätze<br />

verwendet. Mit Hilfe dieser Modelle wird<br />

die Erfassung der Funktionsweisen des Muskel-Sehnen-<br />

Komplexes angestrebt, um anhand von Simulationen<br />

realistische Prognosen über die Änderung von Muskelform<br />

und Kraftverhalten während einer dynamischen Kontraktion<br />

erstellen zu können. Für die Modellentwicklung ist<br />

neben der mathematischen Beschreibung die experimentelle<br />

Untersuchung aller Muskelparameter notwendig. Das<br />

Erfassen der aktiven und passiven Muskeleigenschaften<br />

(Kraft-Längen-Kurve, Kraft-Geschwindigkeits-Kurve,<br />

Aktivierungsverhalten und Eigenschaften der seriell- und<br />

parallelelastischen Komponenten) sowie deren Quantifizierung<br />

stellt das Anliegen dieses Projektes dar. Die<br />

Bestimmung der Muskelparameter erfolgt in situ am<br />

isolierten Schollenmuskel (M. soleus) beim Kaninchen<br />

(Oryctolagus cuniculus). Anhand von verschiedenen experimentellen<br />

Methoden werden die mechanischen Eigenschaften<br />

und Strukturparameter bestimmt.<br />

Einleitung<br />

Der menschliche Körper besitzt über 650 verschiedene<br />

Muskeln, welche etwa 35 bis 40 Prozent des gesamten<br />

Körpergewichts ausmachen. All diese Muskeln besitzen<br />

die Eigenschaft, durch Aktivierung Kräfte zu erzeugen und<br />

ihre Länge zu ändern. Somit können der Mensch und auch<br />

alle anderen Lebewesen mechanische Energie produzieren,<br />

welche für die vielfältigen Bewegungen und deren<br />

Regulation erforderlich ist.<br />

Daher liegt die Beschreibung dieser wahren Kraftwerke<br />

des Lebens schon seit langer Zeit im Interesse der Forschung,<br />

um beispielsweise Aussagen über das Phänomen<br />

der Muskelkontraktion treffen zu können. In der Wissenschaft<br />

werden biomechanische Muskelmodelle zum<br />

Beispiel zur Beschreibung der Muskelkontraktion (Siebert<br />

et al., 2007; Siebert, Wagner, & Blickhan, 2003) sowie<br />

als Motoren in komplexen Muskel-Skelett-Modellen<br />

(Buchanan et al., 2004; Lloyd & Besier, 2003) verwendet.<br />

Zudem sollen diese Modelle helfen, die Interaktion zwischen<br />

aktiven (Aktin und Myosin), passiven (zum Beispiel<br />

Epi-, Peri- und Endomysium) und aktivierungsabhängigen<br />

Strukturen (beispielsweise Titin, nach Rode, Siebert, &<br />

Blickhan, 2009a) der Muskulatur zu erklären.<br />

Zur Modellierung werden unterschiedliche Ansätze verwendet,<br />

um die Muskeleigenschaften aufzuschlüsseln.<br />

Beispielsweise konnten in zahlreichen vorangegangenen<br />

Arbeiten die Muskelaktivierung, die Faserverteilung oder<br />

die Muskelermüdung beschrieben werden.<br />

Eines der ersten mathematischen Modelle ist das makromechanische<br />

Modell nach Hill (1922 & 1938). Dieses<br />

Modell beinhaltet drei verschiedene Elemente. Ein kontraktiles<br />

Element [CC], welches die aktiven Muskelfasern<br />

beschreibt. Ein serienelastisches Element [SEC], welches<br />

die Sehnen, Aponeurosen sowie die Serienelastizität der<br />

kontraktilen Einheit darstellt und ein parallelelastisches<br />

Element [PEC], das zum Beispiel den Bindegewebshüllen<br />

der Muskulatur entspricht. Anhand der „Hill´ schen Gleichung“<br />

konnte erstmals der nichtlineare Zusammenhang<br />

zwischen Muskelkraft und Kontraktionsgeschwindigkeit<br />

beziehungsweise die Abhängigkeit der Kraftproduktion<br />

von der Muskellänge beschrieben werden. Als eines der<br />

ersten mikrostrukturellen Modelle ist das von Huxley<br />

(1957) zu nennen. Der als „Querbrückentheorie“ bezeichnete<br />

Ansatz formuliert die Muskelkontraktion als eine Interaktion<br />

zwischen Aktin- und Myosinfilamenten, welche<br />

sich zueinander bewegen. Durch diese Relativbewegung<br />

der beiden Filamente kommt es zur Längenänderung der<br />

Muskulatur und somit zur Produktion der mechanischen<br />

Energie. Diese beiden Modelle, auf makromechanischer<br />

sowie mikrostruktureller Basis, werden für die Beschreibung<br />

der dynamischen Kontraktion kompletter Muskeln<br />

verwendet.<br />

Seit einiger Zeit werden anhand der Finite- Elemente-<br />

Methode dreidimensionale Muskelmodelle erstellt, um<br />

die geometrisch komplexen Gegebenheiten während<br />

einer Kontraktion simulieren zu können (Blemker & Delp,<br />

2005; Böl & Reese, 2008; Meier & Blickhan, 2000). Die<br />

meisten dieser FE- Modelle basieren auf einer phänomenologischen<br />

Beschreibung des weichen Muskelgewebes<br />

in Kombination mit eindimensionalen Hill- Modellen zur<br />

Wiedergabe der aktiven Eigenschaften der finiten Elemente.<br />

Mit Hilfe der auf FE- Basis konstruierten Modelle<br />

sollen Prognosen über Trägheitseinflüsse, Geometrieänderungen<br />

oder dem Verhalten von Innendrücken während<br />

einer dynamischen Muskelkontraktion ermöglicht werden.<br />

Ebenso könnten die Einflüsse von Zwangskräften oder die<br />

Einwirkung von angrenzenden Muskeln untersucht werden.<br />

Um das Potential dieser Methode für die Erlangung<br />

eines besseren Verständnisses über die Kontraktionsdynamik<br />

nutzen zu können, müssen die Muskelmodellparameter<br />

anhand experimenteller Untersuchungen bestimmt<br />

werden. Dieses Ziel soll anhand unseres Projektes realisiert<br />

werden.<br />

Material und Methoden<br />

Die experimentelle Untersuchung der Muskeleigenschaften<br />

erfolgte am isolierten M. soleus des Kaninchens.<br />

Dieser eingelenkige Muskel wird durch eine unipennate<br />

Architektur und eine homogene Muskelfaserverteilung<br />

(Wank, 2000) charakterisiert. Der Muskel hat seinen<br />

Ursprung am proximalen Teil der Fibula und mündet über<br />

die Tendo calcaneus communis am Calcaneus, so dass er<br />

hauptsächlich während der Plantarflexion agiert. Aufgrund<br />

der hohen Resistenz gegen Ermüdung und der guten<br />

experimentellen Anwendung eignet sich der M. soleus für<br />

zahlreiche Versuche, um mit verschiedenen Methoden<br />

seine Muskeleigenschaften zu bestimmen.<br />

Das Kaninchen (♂, 2500g) wurde zu Beginn des Versuches<br />

durch eine intravenöse Injektion in die Ohrvene<br />

mit Natrium- Pentobarbital (30mg pro kg) betäubt.<br />

Zusätzlich wurde mit Bupivacain (0,5%) eine epidurale<br />

Anästhesie vollzogen, welche eine reversible Unterbrechung<br />

der Erregungsleitung im Rückenmark bewirkt. Im<br />

Anschluss erfolgte die Präparation der hinteren Extremität,<br />

bei welcher ein Zugang zum N. tibialis, welcher den<br />

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