Genossenschaftsblatt 4/2010 - RWGV
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Herr Pfeifer, was war für den <strong>RWGV</strong><br />
Anlass, die genossenschaftlichen<br />
Werte mit den Ergebnissen der<br />
Vertrauensstudie der Bertelsmann-<br />
Stiftung abzugleichen?<br />
Hans Pfeifer: Die Ende 2009 veröff<br />
entlichte Vertrauensstudie wies<br />
einerseits ein hohes Maß an Misstrauen<br />
der Bevölkerung gegenüber<br />
den politischen und ökonomischen<br />
Eliten sowie einen bemerkenswerten<br />
Vertrauensverlust in<br />
das System der sozialen Markt-<br />
Hans Pfeifer<br />
wirtschaft und der Demokratie auf.<br />
Andererseits aber zeigten rund 20 bis 30 Prozent der Menschen die<br />
Bereitschaft, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Außerdem<br />
identifi zierte die Studie Faktoren, die sich positiv auf die Vertrauensbildung<br />
und die Erhöhung von Zukunftsoptimismus in Deutschland<br />
auswirken. Vier von sechs dieser Faktoren liegen eng an den<br />
genossenschaftlichen Werten: Intensivierung von Partizipationsprozessen,<br />
Entwicklung und Ausbau alternativer Energietechniken,<br />
Förderung von Mittelstand und Familienunternehmen, Stärkung<br />
der gesellschaftlichen Wirkung von Bürgerinitiativen und Ehrenamt.<br />
Dies war für uns Anlass, hier einmal genauer hinzuschauen.<br />
Was kann man zusammenfassend über die Bedeutung der genossenschaftlichen<br />
Werte für unser gesellschaftspolitisches System feststellen?<br />
Hans Pfeifer: Im Ergebnis werden die genossenschaftlichen Werte<br />
wie Selbstverantwortung, Mitglieder- und Mittelstandsorientierung<br />
oder Nachhaltigkeit eindeutig als vertrauensbildend eingestuft.<br />
Dabei fällt auf, dass genossenschaftliche Werte insbesondere<br />
mit Vertrauensaspekten korrelieren, die dem Einzelnen Einfl uss<br />
auf die Gestaltung der Zukunft geben. Als Fazit kann festgehalten<br />
werden, dass die genossenschaftlichen Prinzipien den kulturellen<br />
Wertemustern in Deutschland entsprechen und damit eine stärkere<br />
Ausrichtung der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik an den Wesensmerkmalen<br />
von Genossenschaften das Vertrauen in die Soziale<br />
Marktwirtschaft erhöhen würde. Die Bedeutung von Genossenschaften<br />
für die gesellschaftliche Stabilität ist immens.<br />
Welche Konsequenzen zieht der Verband hieraus?<br />
Hans Pfeifer: Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung des<br />
<strong>RWGV</strong>s haben wir herausgearbeitet, welche Leistungsfelder der<br />
Verband in Zukunft mit welcher Intensität bearbeiten möchte. Eines,<br />
bei dem wir entschieden haben, unsere Aktivitäten auszuweiten,<br />
ist die „Rechtsformwerbung“. Für uns sind die Ergebnisse Ansporn,<br />
diesen Weg weiter zu beschreiten. Off enbar lohnt es sich, für<br />
die Stärken unserer Rechtsform zu werben. Aber die Menschen<br />
müssen erst einmal wissen, dass Vieles, was sie mit ihrem gesellschaftspolitischen<br />
Idealbild verbinden, in Genossenschaften gelebt<br />
wird. Hier gilt es, einerseits die Gelegenheiten für eine Information<br />
der breiten Öff entlichkeit konsequent zu nutzen. Andererseits<br />
brauchen wir konkrete Beispiele für gelebte genossenschaftliche<br />
Werte.<br />
Welche Anknüpfungspunkte für eine stärkere Öff entlichkeitsarbeit<br />
sehen Sie?<br />
Hans Pfeifer: Zum Beispiel ist das Jahr 2012 von den Vereinten Nationen<br />
zum „Internationalen Jahr der Genossenschaften“ ernannt<br />
worden. Dies bietet uns einen guten Rahmen, um Aufmerksamkeit<br />
zu erreichen und Interesse zu wecken. Die genossenschaftlichen<br />
Verbände müssen unter Leitung des DGRVs ein überzeugendes<br />
Konzept entwickeln, wie die Stärken der Genossenschaften und der<br />
Nutzen für die Gesellschaft einer breiten Öff entlichkeit vermittelt<br />
werden können. Die Planungen hierfür sind bereits gestartet.<br />
Auf welchen Gebieten sehen Sie konkrete Beispiele, die die Stärken<br />
des genossenschaftlichen Ansatzes erkennen lassen?<br />
Hans Pfeifer: Die Genossenschaften nicht nur in Rheinland und<br />
Westfalen beweisen ihre auch in der Rechtsform begründeten Stärken<br />
bei einem so positiv belegten Element wie der „Mittelstandsorientierung“<br />
tagtäglich. Bei der Energieerzeugung bieten wir eine<br />
bürgernahe Alternative zu den Großkonzernen. Hier stehen wir erst<br />
am Anfang, aber die Möglichkeiten der dezentralen Energieerzeugung<br />
durch Genossenschaften sind unstrittig. Auch im kommunalen<br />
Bereich können wir punkten, indem wir Problemlösungskompetenz<br />
nachweisen. Aber die Rechtsformrelevanz all dieser Stärken<br />
müssen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern noch intensiver<br />
herausarbeiten.<br />
Was raten Sie den Mitgliedern des <strong>RWGV</strong>s?<br />
Hintergrund & Analyse<br />
„Die Menschen wollen sich einbringen“<br />
Hans Pfeifer, Vorstandsvorsitzender des <strong>RWGV</strong>s, über die Bedeutung der genossenschaftlichen<br />
Werte für das gesellschaftspolitische System.<br />
GENOSSENSCHAFTSBLATT 4 | <strong>2010</strong><br />
Hans Pfeifer: Mit unseren Mitgliedern möchte ich gerne in eine<br />
Diskussion eintreten, wie der Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsverband<br />
sie unterstützen kann, die Ergebnisse der Vertrauensstudie<br />
zu nutzen und den Werbewert unseres genossenschaftlichen<br />
Werte auszuschöpfen. Schauen Sie sich die in der<br />
Bertelsmann-Studie herausgearbeiteten Einfl ussfaktoren für Zukunftsoptimismus<br />
an. Hier werden Investitionen in ein zeitgemäßes<br />
Bildungssystem ebenso genannt wie die Förderung von Mittelstand<br />
und Familienunternehmen oder der Ausbau der regenerativen<br />
Energie. Da kann man sehr viele Ideen entwickeln, wie wir es<br />
gemeinsam schaff en, Genossenschaften mit diesen Faktoren glaubwürdig<br />
und anhand konkreter Maßnahmen in Verbindung zu<br />
bringen. Um unseren Mitgliedern die Möglichkeit zu bieten, die<br />
vorhandenen Chancen zu nutzen, stärken wir im <strong>RWGV</strong> gezielt<br />
unsere Netzwerke in Bezug auf diese Einfl ussfaktoren.<br />
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