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Genossenschaftsblatt 4/2010 - RWGV

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und es gilt auch heute. Ich bin mehr denn je<br />

davon überzeugt, dass die Politik sich darauf<br />

beschränken muss, die bestmöglichen<br />

Rahmenbedingungen für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit<br />

und damit für Arbeitsplätze<br />

zu schaff en. Sie soll sich dagegen nicht in<br />

unternehmerische Entscheidungen einmischen.<br />

Protektionismus und Subventionspolitik<br />

verfälschen den Wettbewerb und erdrosseln<br />

die unternehmerische Initiative.<br />

Das ist auch das Credo der deutschen Wirtschaft.<br />

Sie ist aber nicht ganz konsequent in<br />

dieser Frage. Deutschland ist mit Abstand<br />

das Land in der EU mit dem absolut und relativ<br />

höchsten Subventionsniveau. Andererseits<br />

reagiert die EU nicht konsequent genug<br />

auf protektionistische Refl exe und Subventionsaufbau<br />

in anderen Teilen der Welt. Wir<br />

sind noch weit vom globalen level playing<br />

fi eld entfernt.<br />

Wenn Sie einmal einen Blick durch Europa<br />

wagen: Was macht Deutschland bei seiner<br />

Politik für mittelständische Unternehmen<br />

besonders gut? Was läuft in anderen Ländern<br />

besser?<br />

Günter Verheugen: In der EU fokussiert<br />

sich die Politik auf kleine und mittlere Unternehmen,<br />

also auf diejenigen, die bis 250<br />

Beschäftigte und maximal 50 Millionen<br />

Euro Jahresumsatz haben, während das<br />

deutsche Mittelstandskonzept wesentlich<br />

breiter ist. Deshalb lässt sich das schwer<br />

Zur Person: Professor Günter Verheugen<br />

„Wir freuen uns, dass wir Professor Verheugen als langjährigen<br />

und exzellenten Kenner der Europäischen Union für den genossenschaftlichen<br />

FinanzVerbund als Berater gewinnen konnten.<br />

Angesichts der anstehenden wichtigen Beratungen der EU-Kommission<br />

zur Bankenregulierung, im Zahlungsverkehr und im Wertpapiergeschäft<br />

möchten wir noch deutlicher den genossenschaftlichen<br />

FinanzVerbund und sein erfolgreiches Geschäftsmodell in<br />

Brüssel zu Gehör bringen." Mit diesen Worten hatte BVR-Präsident<br />

Uwe Fröhlich vor wenigen Monaten die Zusammenarbeit der<br />

genossenschaftlichen Organisation mit dem Wirtschaftsexperten<br />

Verheugen kommentiert. Günter Verheugen sagte dazu: „Ich freue<br />

mich auf die Zusammenarbeit mit den Genossenschaftsbanken,<br />

besonders aufgrund ihrer wichtigen Rolle für das Gedeihen der<br />

mittelständischen Unternehmen. Meine Tätigkeit wird sich auf die<br />

politische Beratung der Führungsgremien beschränken. Lobbyarbeit<br />

in jeglicher Form ist nicht vorgesehen.“<br />

Günter Verheugen wurde 1944 in Bad Kreuznach geboren. Aufgewachsen<br />

ist er in Brühl. Seine politische Laufbahn begann im Jahr<br />

1969, nachdem er einige Jahre als Journalist gearbeitet und Geschichte<br />

und Politik studiert hatte. Von 1983 bis 1999 war Verheugen<br />

Mitglied des Deutschen Bundestages, wo er sich hauptsäch-<br />

GENOSSENSCHAFTSBLATT 4 | <strong>2010</strong><br />

vergleichen. Seit 2008 sind alle Staaten aufgerufen,<br />

dem Grundsatz, den Anliegen der<br />

kleinen und kleinsten Unternehmen zu entsprechen,<br />

in der Politik und in der täglichen<br />

Praxis auf allen Ebenen Geltung zu verschaff<br />

en. Das ist noch nirgendwo wirklich<br />

erreicht. Aber es gibt ermutigende Trends:<br />

Großbritannien etwa ist sehr weit, was den<br />

Bürokratieabbau angeht, Polen hat in<br />

seinem Bildungssystem die unternehmerische<br />

Erziehung fest und sehr erfolgreich<br />

verankert, Frankreich hat arbeitsintensive<br />

Dienstleistungen mit reduzierten Mehrwertsteuersätzen<br />

belegt, Deutschland steht<br />

verhältnismäßig gut da, wenn es um die<br />

fristgerechte Bezahlung von Unternehmensrechnungen<br />

durch die öff entliche<br />

Hand geht, in Estland kann man ein Unternehmen<br />

in 15 Minuten gründen.<br />

Was macht einen guten Unternehmer heute<br />

aus?<br />

Günter Verheugen: Ein guter Unternehmer<br />

sorgt für die Motivation und die Qualifi<br />

kation seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.<br />

Er steht zu seiner gesellschaftlichen<br />

Verantwortung und leistet mehr, als<br />

das Gesetz von ihm verlangt. Seine Unternehmensphilosophie<br />

ist nicht auf den kurzfristigen<br />

Profi t sondern auf Nachhaltigkeit<br />

angelegt. Er sorgt für Chancengleichheit im<br />

Unternehmen. Er setzt auf Wettbewerb, Innovation<br />

und Qualität.<br />

Thema<br />

Viele Großbanken, die anders als die Kreditgenossenschaften<br />

lediglich mit staatlicher<br />

Alimentierung zum Teil gewaltige Kreditausfälle<br />

kompensieren konnten, gehen mit<br />

„Kampfkonditionen“ weit unter Marktpreis<br />

auf Kundenfang. Wie sollte der Staat darauf<br />

reagieren?<br />

Günter Verheugen: Das ist eine Frage an<br />

die Wettbewerbsbehörden. Kampfkonditionen,<br />

wie Sie es nennen, schaden am Ende<br />

dem ganzen Sektor, dies sollte doch nun jeder<br />

aus Erfahrung wissen.<br />

Vor inzwischen fast zwei Jahren fand ein<br />

Round Table-Gespräch über den Zugang zu<br />

Finanzmitteln in Brüssel statt. In Ihrer Funktion<br />

als Vizepräsident der Europäischen<br />

Kommission und Kommissar für Unternehmen<br />

und Industrie hatten Sie an dieser Stelle<br />

die Banken dazu aufgefordert, die von den<br />

Regierungen bereitgestellten Finanzmittel<br />

schnellstmöglich an kleine und mittlere Unternehmen<br />

weiterzugeben. Sehen Sie noch<br />

immer die Gefahr einer Kreditklemme?<br />

Günter Verheugen: Generell ja, denn gerade<br />

deutsche Banken, wenn auch nicht<br />

alle, haben immer noch erschreckend hohe<br />

Ausfallrisiken – viel höhere, als Banken anderer<br />

EU-Staaten. Die Genossenschaftsbanken<br />

und die Sparkassen haben bisher die<br />

Kreditversorgung der kleinen und mittleren<br />

Unternehmen sicherstellen können. Aller-<br />

lich mit außen- und sicherheitspolitischen Fragen sowie der<br />

Europapolitik befasst hat. 1998 wurde er zum Staatsminister für<br />

Europaangelegenheiten im Auswärtigen Amt ernannt. Ab 1999<br />

(bis zum Jahr 2004) war Verheugen als Mitglied der Europäischen<br />

Kommission zuständig für Erweiterung. Ab 2002 war er außerdem<br />

für die europäische Nachbarschaftspolitik verantwortlich. In seiner<br />

zweiten Amtszeit in der Europäischen Kommission, zwischen<br />

2004 und <strong>2010</strong>, war Günter Verheugen Vizepräsident und zuständiger<br />

Kommissar für Unternehmen und Industrie. In dieser Verantwortung<br />

hatte er zudem seit 2007 das Amt des europäischen<br />

Vorsitzenden des transatlantischen Wirtschaftsrates<br />

inne. Jetzt ist Verheugen<br />

Honorarprofessor an der Europa-Universität<br />

Viadrina in Frankfurt/Oder.<br />

Außerdem hat er eine Reihe von<br />

Büchern und Aufsätzen zur Europa-<br />

politik, aber auch zu anderen politischen<br />

Th emen veröff entlicht.<br />

Günter Verheugen<br />

5<br />

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