Sind wir Ausländer? - CARITAS - Schweiz
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Sind wir Ausländer? - CARITAS - Schweiz
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Nr. 4/Dezember 2012<br />
Menschen<br />
Wir helfen<br />
«<strong>Sind</strong> «Unser <strong>wir</strong> Klima <strong>Ausländer</strong>?» spielt verrückt.»<br />
Die Familie <strong>Schweiz</strong> Dembele ist das neue in Mali Zuhause kämpft der gegen kurdischen Erosion Familie und Übernutzung.<br />
Atroshi.
Inhalt<br />
rEportAgE:<br />
intEgrAtion in DEr SCHWEiZ<br />
Familie Atroshi kommt aus Kurdistan<br />
und wohnt seit vielen Jahren in der<br />
<strong>Schweiz</strong>. Sie haben sich integriert und<br />
dabei ihr Heimatland und ihre Herkunft<br />
nie aus den Augen verloren.<br />
Seite 6<br />
AUSSERDEM<br />
4 Echo/Impressum<br />
5 Offener Brief<br />
16 Ohne Worte<br />
18 <strong>Schweiz</strong><br />
25 Gastkolumne<br />
26 In Kürze<br />
28 Fotorätsel<br />
30 Caritas-Menschen<br />
31 youngCaritas<br />
2 Caritas «Menschen» 4/12<br />
WElt: BrASiliEn<br />
im boomenden<br />
Schwellenland Brasilien<br />
führen Klimawandel<br />
und irreparable<br />
Umweltschäden<br />
zu Hunger. Caritas<br />
baut Biogasanlagen<br />
für armutsbetroffene<br />
Bauernfamilien.<br />
Seite 20<br />
BrEnnpUnKt:<br />
SyriEn<br />
immer mehr Menschen<br />
fliehen vor den<br />
Kämpfen in Syrien.<br />
Caritas <strong>Schweiz</strong> leistet<br />
Überlebenshilfe<br />
für die Flüchtlinge.<br />
Seite 17<br />
Titelbild: Franca Pedrazzetti/Caritas <strong>Schweiz</strong>; Bilder: Franca Pedrazzetti/Caritas <strong>Schweiz</strong>, Sam Tarling/Caritas <strong>Schweiz</strong>,<br />
Ze Augusto/Nazare da Mata, lauperzemp.ch, Anita Rüegg/Caritas <strong>Schweiz</strong>; Quelle Weltkarte: BFM Asylstatistik 2011
Anerkannte Flüchtlinge in der <strong>Schweiz</strong> Ende 2011,<br />
nach nationen. total personen: 26 978<br />
Eritrea 27,7 % (7 479)<br />
Türkei 13,3 % (3 583)<br />
Irak 8,5 % (2 301)<br />
Bosnien und Herzegowina 8,4 % (2 272)<br />
Vietnam 5,2 % (1 394)<br />
Serbien (inkl. Kosovo) 4,4 % (1 187)<br />
Sri Lanka 4,1 % (1 117)<br />
Iran 2,9 % (776)<br />
Afghanistan 2,6 % (714)<br />
Togo 2,2 % (593)<br />
Übrige 20,6 % (5 562)<br />
ÄtHiopiEn:<br />
Ein BliCK inS lEBEn von<br />
Aisha Scheibrahim lebt mit ihrer<br />
siebenköpfigen Familie im abgelegenen<br />
Bergdorf Midagdu, in<br />
ostÄthiopien. Sie ist glücklich,<br />
dass zwei ihrer Kinder zur Schule<br />
gehen können.<br />
Seite 23<br />
CAritASFAirtrADE<br />
Die Firma Ekobo setzt<br />
ganz auf Bambus. Die<br />
bei CaritasFairtrade<br />
erhältlichen lackierten<br />
Salatschalen<br />
sichern unzähligen<br />
Kunsthandwerkern<br />
eine Existenz.<br />
Seite 29<br />
Editorial<br />
EinE FragE dEs<br />
WollEns<br />
«Ich hatte anfangs furchtbares Heimweh»,<br />
erinnert sich Silav Atroshi aus dem irakischen<br />
Kurdistan. Sie folgte vor fast 15 Jahren<br />
ihrem Mann auf der Flucht vor den<br />
Schergen des Diktators Saddam Hussein in<br />
die <strong>Schweiz</strong>. Dank ihrem grossen Willen<br />
und der Unterstützung von vielen Seiten gelang<br />
es der Familie, im Kanton Obwalden<br />
eine neue Heimat zu finden. Die Reportage<br />
auf Seite 6 dieses Hefts erzählt die Geschichte<br />
einer gelungenen Integration.<br />
Das Beispiel zeigt, dass die <strong>Schweiz</strong><br />
immer noch ein humanitärer Hafen für<br />
Verfolgte sein kann – auch wenn die Diskussion<br />
um Asylfragen in diesem Jahr auf<br />
Abwege geriet und in eine Frage des Umgangs<br />
mit Kriminellen umgedeutet wurde,<br />
wie Caritas-Direktor Hugo Fasel im offenen<br />
Brief auf Seite 5 schreibt. Obwohl sich<br />
über 95 Prozent aller Asylsuchenden an die<br />
Gesetze halten, wurde die Meinung salonfähig,<br />
dass für sie die Menschenrechte nicht<br />
unbedingt gelten.<br />
Die quantitativen Relationen sind beim<br />
Diskurs über kriminelle Asylsuchende verloren<br />
gegangen. So konnten im vergangenen<br />
Jahr insgesamt 6500 Menschen in der<br />
<strong>Schweiz</strong> bleiben – Flüchtlinge und vorläufig<br />
Aufgenommene zusammengenommen. Die<br />
<strong>Schweiz</strong> hat als eines der reichsten Länder<br />
der Welt die Voraussetzungen, eine so geringe<br />
Zahl von Flüchtlingen zu bewältigen<br />
und ihre Integration zu erleichtern. Im aktuellen<br />
Vergleich haben in jüngster Zeit<br />
350 000 Menschen auf der Flucht vor dem<br />
syrischen Regime in Jordanien, Libanon und<br />
in der Türkei Zuflucht gesucht (Seite 17).<br />
Die Bevölkerung tut trotz beschränkten<br />
Mitteln ihr Möglichstes, den Notleidenden<br />
irgendwie zu helfen. Für die <strong>Schweiz</strong> ist es<br />
darum in erster Linie nicht eine Frage des<br />
Könnens, sondern des Wollens, ob sie ihrem<br />
Ruf als humanitärer Hafen weiterhin gerecht<br />
<strong>wir</strong>d.<br />
Dominique Schärer<br />
Für die Redaktion «Wir helfen Menschen»<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 3
Echo<br />
PrEssE<br />
14.09.2012<br />
gratisferien für Benachteiligte<br />
Zum vierten Mal bietet Caritas <strong>Schweiz</strong> in<br />
Zusammenarbeit mit der <strong>Schweiz</strong>er Hotelgruppe<br />
Sunstar armutsbetroffenen Familien<br />
Gratisferien in Hotels im Bündnerland, im<br />
Berner Oberland und im Wallis an. Vermittelt<br />
werden die Feriengäste von den Sozialberatungsstellen<br />
der Caritas. «Eine wichtige<br />
Massnahme zu Bekämpfung der Armut ist<br />
die Teilhabe am sozialen Leben – dazu gehören<br />
auch Ferienerlebnisse», sagt Benjamin<br />
Diggelmann von Caritas <strong>Schweiz</strong>.<br />
20.07.2012<br />
Jugendliche bringen ihre Welt in die Alpstube<br />
hinein<br />
Bergbauernfamilie Briker-Herren hat schon<br />
rund 70 Jugendliche bei sich aufgenommen.<br />
Die einen brauchen ein Time-out von ihrem<br />
Alltag, die anderen verbüssen eine Haftstrafe.<br />
(...) «Hier kommen sie schnell in<br />
einen normalen Rhythmus. Bedingt durch<br />
unsere Kühe und Schweine haben <strong>wir</strong> einen<br />
sehr strukturierten, immer gleichen Tagesablauf»,<br />
sagt Tanja Briker. (...) «Wir sind<br />
überzeugt, dass viele den Rank finden.»<br />
iMprESSUM<br />
«Menschen». Magazin der Caritas <strong>Schweiz</strong>, erscheint<br />
viermal im Jahr: jeweils März, Juni, September, Dezember.<br />
redaktionsadresse: Caritas <strong>Schweiz</strong>, Kommunikation,<br />
Löwenstrasse 3, Postfach, CH-6002 Luzern,<br />
E-Mail: info@caritas.ch, www.caritas.ch, Tel. +41 41 419 22 22<br />
redaktion: Dominique Schärer (dos), Leitung;<br />
Jörg Arnold (ja); Stefan Gribi (sg); Iwona Meyer (imy); Vérène Morisod<br />
Simonazzi (vm); Odilo Noti (on); Katja Remane (kr); Ulrike Seifart (use)<br />
Abopreis: Das Abonnement kostet sechs Franken pro Jahr und <strong>wir</strong>d<br />
einmalig von Ihrer Spende abgezogen.<br />
Auflage: 74 900 (deutsch und französisch)<br />
Konzept: Spinas Civil Voices, Zürich<br />
grafik: Thomas Schneider<br />
Druckerei: Kyburz, Dielsdorf<br />
papier: Carisma Silk, 100% recycling<br />
Spendenkonto: PC 60-7000-4<br />
4 Caritas «Menschen» 4/12<br />
georg Fischer und Caritas vereinbaren Zusammenarbeit im rahmen der Clean<br />
Water Stiftung<br />
Der Georg Fischer Konzern und die Caritas <strong>Schweiz</strong> haben eine Zusammenarbeit im Bereich<br />
Trinkwasserversorgung vereinbart. Die Stiftung Clean Water von Georg Fischer stellt dafür<br />
einen Beitrag in Höhe von einer Million Franken zur Verfügung. Die Caritas kann damit bis 2015<br />
mindestens 35 000 Menschen einen besseren Zugang zu sauberem Wasser ermöglichen.<br />
Im Bild: Caritas-Direktor Hugo Fasel und Yves Serra, CEO von Georg Fischer (von links).<br />
06.08.2012<br />
Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien läuft an<br />
In Libanon, Jordanien, der Türkei und dem<br />
Irak halten sich etwa 140 000 registrierte<br />
und mehrere zehntausend weitere Flüchtlinge<br />
auf, zur grossen Mehrheit Frauen und<br />
Kinder. (...) Caritas Libanon und Caritas<br />
Jordanien (als säkular auftretendes Hilfswerk<br />
auch dort akzeptiert) haben von der<br />
Betreuung irakischer Flüchtlinge her viel Erfahrung.<br />
Zur Versorgung mit Nahrungsmitteln,<br />
Kleidung und Hygieneartikeln kommen<br />
die Suche nach Unterkünften und die<br />
Entlastung von Gastgeberfamilien (...).<br />
16.09.2012<br />
immer mehr <strong>Schweiz</strong>er pleite<br />
Die <strong>Schweiz</strong> ist das Land der Berge. Der<br />
Schuldenberge. Trotz allem Reichtum<br />
wächst die Zahl der Privatkonkurse weiter<br />
und weiter. (...) «Aufgrund ihrer schwierigen<br />
finanziellen Lage ist eine Sanierung nur bei<br />
einem knappen Viertel der beratenen Personen<br />
möglich. Eine grosse Mehrheit bleibt<br />
somit auch nach einer Beratung verschuldet»,<br />
sagt Jürg Gschwend (45), Leiter der<br />
Schuldenberatungen von Caritas <strong>Schweiz</strong>.<br />
Bild: zVg
Offener Brief<br />
sEhr gEEhrtEr<br />
hErr gattikEr<br />
Hugo Fasel,<br />
Direktor<br />
Caritas <strong>Schweiz</strong><br />
Bild: Franca Pedrazzetti/Caritas <strong>Schweiz</strong><br />
Als Direktor des Bundesamtes für Migration<br />
haben Sie eine schwierige und oft auch<br />
undankbare Aufgabe zu erfüllen. Die Erwartungen<br />
an die Migrationspolitik sind<br />
hoch, eigennützig und von Widersprüchen<br />
geprägt.<br />
In jüngster Zeit hat vor allem die Asylpolitik<br />
zu reden gegeben. Die Auseinandersetzung<br />
geriet auf Abwege und war von Einseitigkeit<br />
geprägt. So wurde die Asylfrage<br />
umgedeutet in eine Frage des Umgangs mit<br />
Kriminellen. Die Luzerner Zeitung reduzierte<br />
die Asylsuchenden auf ihrer Frontseite<br />
auf Diebe und Renitente. Tatsache jedoch<br />
ist, dass sich mehr als 95 Prozent der Asyl-<br />
diE asylFragE WurdE Zur FragE<br />
dEs umgangs mit kriminEllEn.<br />
suchenden an die gesetzlichen Regeln der<br />
<strong>Schweiz</strong> halten und keinen Anlass zu Ärger<br />
und Beanstandungen geben.<br />
Das Problem der straffälligen Asylbewerber<br />
sollte durch einen Abbau der Unterstützung<br />
auf Nothilfe gelöst werden. So als<br />
ob verfolgte Menschen, die in der <strong>Schweiz</strong><br />
Schutz suchen, ihre Entscheidung von mehr<br />
oder weniger Geld abhängig machen würden.<br />
Wer Schutz vor Verfolgung sucht, will<br />
nicht Geld, sondern einen Ort der Sicherheit<br />
und der sicheren Existenz für seine Familie.<br />
Interessant ist auch zu sehen, wie sehr<br />
die quantitativen Relationen verloren gegangen<br />
sind: Im vergangenen Jahr konnten<br />
von all den Asylsuchenden 6500 Menschen<br />
in der <strong>Schweiz</strong> bleiben, Flüchtlinge und Vorläufig<br />
Aufgenommene zusammengenommen.<br />
Für das Dorf, wo ich wohne, mit rund<br />
1000 Einwohnern bedeutet dies, jährlich<br />
0,8 Flüchtlinge aufzunehmen. Oder anders<br />
formuliert: Alle fünf Jahre <strong>wir</strong>d eine vierköpfige<br />
Flüchtlingsfamilie in «meinem»<br />
Dorf Schutz finden wollen. Ist das zu <strong>wir</strong>klich<br />
zu viel? Nein, das schaffen <strong>wir</strong>! Diese<br />
Solidarität macht die <strong>Schweiz</strong> aus.<br />
Zuletzt haben Asylsuchende aus Tunesien<br />
für negative Schlagzeilen gesorgt. In<br />
diesen Fällen gilt es, konsequent Strafrecht<br />
anzuwenden. Die <strong>Schweiz</strong> hat mit Tunesien<br />
auch über ein Rücknahmeabkommen für einige<br />
hundert Landsleute verhandelt. Ein<br />
Vergleich dazu aus tunesischer Sicht: Als der<br />
zuständige Minister mit der <strong>Schweiz</strong> verhandelte,<br />
war seine Regierung gleichzeitig mit<br />
der gewaltigen Herausforderung konfrontiert,<br />
500 000 aus Libyen geflüchteten Menschen<br />
Schutz und Existenz zu bieten. Absurditäten<br />
der Gegenwart.<br />
Sehr geehrter Herr Gattiker, Caritas<br />
<strong>Schweiz</strong> sieht ihre Aufgabe darin, immer<br />
wieder auf Zusammenhänge zu verweisen,<br />
die Sie in Ihrer Funktion als Bundesamtsdirektor<br />
kaum in die politische Debatte einbringen<br />
können. Sie müssen umsetzen, was<br />
das Parlament beschliesst. Unsere Rolle ist<br />
es, konsequent für Menschenwürde und<br />
Schutz für Verfolgte einzutreten. Diese<br />
christlichen Werte sind nicht verhandelbar,<br />
<strong>wir</strong> werden sie auch im Fall Syrien aktiv vertreten.<br />
Sie können auf uns zählen.<br />
Freundliche Grüsse<br />
Hugo Fasel<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 5
«sind Wir intEgriErt?»<br />
Familie Atroshi kam aus Kurdistan in die <strong>Schweiz</strong>. Das ist weit<br />
weg und lange her. Seit vielen Jahren wohnen sie in Sachseln<br />
und versuchen sich zu integrieren. Über die Sprache, über<br />
Kontakte zu <strong>Schweiz</strong>ern, mit der Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Leben. Ihr Heimatland und ihre Herkunft haben sie dabei<br />
aber nie aus den Augen verloren.<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 7
Reportage: Integration in der <strong>Schweiz</strong><br />
text: Ulrike Seifart<br />
Fotos: Franca pedrazzetti<br />
Lokaltermin Fussballplatz Eschenbach, Luzern.<br />
Es ist Turniertag der Junioren. Ein Gewimmel<br />
von Kindern und Eltern, ein Farbenmeer<br />
von grünen, roten, gelben und<br />
blauen Libli. Auf dem Fussballfeld Mädchen<br />
und Jungen, mit schwarzem und blondem<br />
Haar, dunkelhäutige Gesichter neben hellen.<br />
Man spricht deutsch. Und albanisch, französisch,<br />
italienisch, kurdisch, spanisch. Und<br />
doch sprechen hier alle eine Sprache: Freude<br />
über ein Tor oder Enttäuschung über einen<br />
verpatzten Penalty tönt überall gleich. Und<br />
sieht überall gleich aus. Ist das Integration?<br />
Musleh Atroshi (46) hat zu diesem<br />
Thema eine ganz eigene Meinung. Integration<br />
sei kein Knopf, den man An- oder Ausschalten<br />
könne. «Integration muss man wollen,<br />
sonst funktioniert es nicht», sagt er. Ob<br />
8 Caritas «Menschen» 4/12<br />
für ihn das Wollen nur auf Seiten der zu Integrierenden<br />
liegt oder allgemein für die<br />
ganze Gesellschaft gilt, lässt er offen.<br />
Flucht vor dem Krieg<br />
Musleh ist mit seiner Familie auf dem Fussballplatz<br />
erschienen. Da sind seine Frau<br />
Silav (42), Tochter Kani (4) und Sohn<br />
Auf der strapaziösen Flucht aus dem irakischen Kurdistan starb<br />
eine von Muslehs Schwestern.<br />
Djudi (7), wegen dem die Familie heute von<br />
Sachseln (OW) nach Eschenbach gefahren<br />
ist. Djudi ist Spieler bei FC Sachseln und<br />
Fussball seine grosse Leidenschaft. Die Begeisterung<br />
für Sport teilt er mit seinem Vater,<br />
der an der Universität von Mosul Sport studierte<br />
und ursprünglich aus dem Irak<br />
kommt. Genauer aus der autonomen Region<br />
Kurdistan. Gleich nach dem Studium<br />
1988 wurde Musleh ins Militär eingezogen<br />
und auf einen Einsatz in Kuwait vorbereitet.<br />
Er erlebte, dass viele seiner Freunde aus Kuwait<br />
nicht mehr zurückkamen. Stattdessen<br />
mussten deren Eltern mit ihrer Abgabe an<br />
Saddam Hussein jede Kugel mitbezahlen,<br />
durch die ihre Söhne umkamen. «Es war unmenschlich<br />
und ein Hohn», sagt Musleh<br />
und schüttelt fassungslos den Kopf. Die<br />
Kurden folgten einem Aufruf des amerikanischen<br />
Präsidenten George Bush und revoltierten<br />
gegen Saddam Hussein, der Aufstand<br />
wurde aber blutig niedergeschlagen. Zehntausende<br />
Zivilisten kamen um. In der Folge<br />
flüchteten Hunderttausende Kurden in<br />
Richtung Iran und Türkei. Darunter auch<br />
Musleh mit Eltern und Geschwistern. Sieben<br />
Tage liefen sie durch die Berge, immer der<br />
türkischen Grenze entlang. Auf der strapaziösen<br />
Flucht starb eine der Schwestern.<br />
Aufgewühlt erzählt Musleh, wie er versucht<br />
hatte, das Insulin für die Diabeteskranke zu<br />
transportieren: «Ich hatte die Ampullen in<br />
Tücher gewickelt und alles in eine Dose<br />
Bilder: Fussball ist völkerverbindend (oben).<br />
Frieden – das wünschen sich Musleh und Silav<br />
am meisten für ihre Kinder (rechts).
«Menschen» 4/12 Caritas 9
Reportage: Integration in der <strong>Schweiz</strong><br />
«allE sollEn diE glEiChEn ChanCEn haBEn»<br />
Was heisst integration? Wann ist sie<br />
erfolgreich und was erschwert sie?<br />
Marianne Hochuli, leiterin Bereich<br />
grundlagen und leiterin Fachstelle<br />
Migrationspolitik bei Caritas <strong>Schweiz</strong>,<br />
gibt Auskunft.<br />
Wie würden Sie den Begriff integration<br />
umschreiben?<br />
Für ein besseres Verständnis gehen <strong>wir</strong> am<br />
besten vom Ergebnis aus – einer integrativen<br />
Gesellschaft. In einer solchen lebt niemand<br />
unter dem Existenzminimum, es <strong>wir</strong>d keiner<br />
sozial ausgegrenzt und die Chancen und Handlungsmöglichkeiten<br />
für ein selbstbestimmtes<br />
Leben sind für alle Menschen gleichermassen<br />
vorhanden.<br />
Was braucht es für die integration von<br />
Migrantinnen und Migranten?<br />
Eine grundsätzliche Offenheit auf allen Seiten.<br />
Integration <strong>wir</strong>d häufig noch missverstanden<br />
als reine Anpassung durch die neu Hinzugekommenen.<br />
Dabei ist es ein gegenseitiger Prozess<br />
zwischen den Zugezogenen und der<br />
<strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung. Das ist so auch im<br />
<strong>Ausländer</strong>gesetz festgelegt.<br />
Wann beginnt der integrationsprozess –<br />
mit dem grenzüberschritt?<br />
Aus der Sicht des Staates soll die Integration<br />
erst mit einer Aufenthaltsbewilligung beginnen.<br />
Dadurch sind also Sans-Papiers und Asylsuchende<br />
ausgeschlossen. Wir, die Caritas, finden<br />
aber, dass alle Personen im Land von Integrationsangeboten<br />
profitieren dürfen. Das<br />
Recht auf Teilhabe gilt für jeden und jede.<br />
Und wann spricht man von einer erfolgreichen<br />
integration?<br />
Nach gesetzlicher Definition ist jemand dann<br />
integriert, wenn er oder sie die Landessprache<br />
10 Caritas «Menschen» 4/12<br />
spricht, finanziell unabhängig ist und soziale<br />
Kontakte pflegt. Ich kann hier nur wieder auf die<br />
integrative Gesellschaft verweisen: Alle haben,<br />
unabhängig ihrer Herkunft, möglichst die gleiche<br />
Ausgangslage und somit die gleichen<br />
Chancen, vor allem im Bildungswesen und auf<br />
dem Arbeitsmarkt. Erfolgreich ist die Integration<br />
dann, wenn diese Chancen genutzt werden<br />
können.<br />
Was erschwert eine integration?<br />
Bei sozial benachteiligen Migrantinnen und Migranten<br />
mit geringer Ausbildung sind vor allem<br />
die fehlenden Sprachkenntnisse, auch nach<br />
vielen Jahren Aufenthalt, ein grosses Problem.<br />
Dazu kommt mangelndes Wissen über unser<br />
System und finanzielle Schwierigkeiten aufgrund<br />
geringerer Löhne. Aber auch Diskriminierung<br />
und das fehlende Netzwerk verhindern die<br />
Integration.<br />
Können Sie uns dazu Beispiele nennen?<br />
Sprechen die Kinder an der Schule beispielsweise<br />
nicht so gut Deutsch, werden sie oft in<br />
Wiederholungs- oder Sonderklassen eingeteilt,<br />
obwohl ihr Wissensstand dem der <strong>Schweiz</strong>er<br />
Gspänli gleicht. Damit haben sie einen Nachteil,<br />
der ihnen den Weg in die berufliche Zukunft erschwert<br />
und ihre Chancen mindert. Oder die<br />
Lehrstellensuche: Es ist bekannt, dass junge<br />
Leute mit bestimmten ausländischen Nachnamen,<br />
trotz bestem Notendurchschnitt, schlechter<br />
eine Lehrstelle finden. Auch die Berufsanerkennungen<br />
bei den Eltern sind Stolpersteine:<br />
Nur wenige aussereuropäische Berufsabschlüsse<br />
sind in der <strong>Schweiz</strong> anerkannt, dadurch<br />
finden die Betroffenen keine Stelle in<br />
ihrem Beruf.<br />
Wo besteht ihrer Ansicht nach Handlungsbedarf<br />
bei der integration von Kindern?<br />
Ganz klar muss die Frühförderung von Kindern<br />
vor Kindergarteneintritt ausgebaut und intensiviert<br />
werden. Zum Beispiel der Besuch von<br />
Spielgruppen mit Sprachförderung. Dort entstehen<br />
für Eltern und Kind wichtige soziale<br />
Kontakte, die Kinder sind integriert von Anfang<br />
an, lernen die Sprache, die Eltern erhalten Informationen.<br />
Ein gewisses Angebot besteht,<br />
<strong>wir</strong>d aber von den Betroffenen zu wenig genutzt<br />
mangels Wissen.<br />
Welche Massnahmen braucht es für<br />
Junge und Erwachsene?<br />
Hier braucht es bessere Betreuung bei der<br />
Lehrstellensuche, ein Coaching und ein Beziehungsnetzwerk<br />
von Mentoren, von dem die<br />
jungen Leute profitieren können. Es müssen<br />
mehr Berufsabschlüsse und informelle Ausbildungen<br />
anerkannt werden. Zudem sollen die<br />
Arbeitgeber soziale Verantwortung gegenüber<br />
allen Mitarbeitenden wahrnehmen und ihnen<br />
regelmässige Weiterbildungen gewähren. Aber<br />
auch die Institutionen müssen sich auf dem<br />
Arbeitsmarkt gegenüber allen öffnen, unabhängig<br />
ihrer Herkunft. Und zuletzt sollen Migrantinnen<br />
und Migranten das gesellschaftliche<br />
Leben mitgestalten dürfen, beispielsweise in<br />
der Quartiersentwicklung oder auf politischer<br />
Ebene. Dort stehen <strong>wir</strong> erst ganz am Anfang.<br />
(use)
getan.» Er bricht ab, kann nicht mehr weiter<br />
erzählen. Tränen laufen ihm über das<br />
Gesicht. Sein Sohn kommt und will ihn trösten,<br />
streicht ihm über den Arm. «Meistens<br />
bin ich stark, aber manchmal reicht meine<br />
Kraft nicht», sagt Musleh mit leiser Stimme.<br />
reise ins Ungewisse<br />
Unter Geleit der Alliierten konnten die<br />
Flüchtlinge nach einem Monat in ihre Dörfer<br />
zurückkehren. Doch die folgenden Jahre<br />
er 1998 erneut zu fliehen – dieses Mal allein,<br />
ohne seine Familie. Seine Frau Silav, mit der<br />
er damals schon verheiratet war, sollte später<br />
folgen. Die erste Station war Istanbul.<br />
Zusammen mit sieben anderen Flüchtenden<br />
ging die «Reise» über Griechenland<br />
nach Italien bis in die <strong>Schweiz</strong>. Immer als<br />
Schwarzfahrer auf LKWs und Schiffen. In<br />
Chiasso war die Fahrt zu Ende, Musleh<br />
hatte kein Geld mehr. Auf der Polizeistation<br />
bat er um politisches Asyl. Abgeführt<br />
«Meistens bin ich stark, aber manchmal reicht meine Kraft nicht.»<br />
waren geprägt von Repressalien, kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen, erneuten<br />
Fluchtbewegungen, Einmärschen durch<br />
irakische und türkische Truppen und Bombardements.<br />
«Wir hatten Angst, Saddam<br />
kommt zurück. Was sollten <strong>wir</strong> machen?»,<br />
fragt Musleh. Seine politischen Aktivitäten<br />
drohten ihn zu gefährden, darum beschloss<br />
in Handschellen verbrachten die Männer<br />
die erste Nacht in Haft. Dann wurden sie<br />
auf verschiedene Kantone verteilt. Musleh<br />
kam in die Asylunterkunft Obwalden und<br />
wurde dort durch Caritas betreut. Die führt<br />
in Sarnen im Auftrag des Kantons eine Asyl-<br />
und Flüchtlingsstelle, bietet den Betroffenen<br />
Unterkunft und Betreuung an.<br />
Deutsch lernen ein Muss<br />
Für Musleh war das Erlernen der deutschen<br />
Sprache das erste und wichtigste Ziel an seinem<br />
neuen Heimatort. Er besuchte die<br />
Deutschkurse der Caritas, und um das zu<br />
intensivieren, noch weitere Kurse bei der<br />
Benedikt-Schule. Sogar einen Autoreparaturlehrgang<br />
nutzte er für den Spracherwerb:<br />
«Natürlich hatte ich grundsätzliches Interesse<br />
am Thema. Aber ich konnte damit auch<br />
mein Deutsch verbessern», erklärt er. Durch<br />
seinen Willen und sein Talent schaffte er es<br />
mit entsprechenden Weiterbildungen bis<br />
zum Dolmetscher. Heute ist er offizieller<br />
Dolmetscher für Caritas und kommt dann<br />
zum Einsatz, wenn sprachliche Barrieren bestehen<br />
und dadurch wichtige Vorgänge blo-<br />
Bild: «Man muss immer ein Ziel haben» –<br />
so lautet Muslehs Motto auf dem Weg zur<br />
Integration.<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 11
Reportage: Integration in der <strong>Schweiz</strong><br />
ckiert werden: zum Beispiel im Spital zwischen<br />
Arzt und Patient, bei den Behörden<br />
auf dem Zivilstandsamt oder bei der Polizei<br />
in Strafangelegenheiten.<br />
Nachdem Musleh als Flüchtling anerkannt<br />
war, bemühte er sich um eine Arbeit.<br />
Dabei stand ihm ebenfalls die Caritas beratend<br />
zur Seite. «Immer wenn ich Rat oder<br />
Hilfe brauchte, konnte ich mich an die Caritas<br />
wenden», erzählt er. Musleh war klar,<br />
dass er mit seiner Ausbildung als Sportlehrer<br />
keine Chance in der <strong>Schweiz</strong> hatte. Er nahm<br />
einen Job als Officemitarbeiter in einem<br />
Hotel an, suchte aber nach weiteren Herausforderungen.<br />
«Man muss immer ein Ziel<br />
haben», erklärt er. «Es muss kein grosses<br />
Ziel sein, sondern ein naheliegendes. Und<br />
Bild: Für Silav ist erfolgreiche Integration<br />
unabdingbar mit Kontakten zu anderen<br />
verbunden.<br />
12 Caritas «Menschen» 4/12<br />
wenn man das erreicht hat, sucht man sich<br />
das nächste.» 2001 fand Musleh eine Stelle<br />
als Maschinist in einem Holzbau-Unternehmen.<br />
Und dort ist er noch heute. Muslehs<br />
Frau Silav zügelte 2003 in die <strong>Schweiz</strong>, Sohn<br />
Djudi und Tochter Kani kamen auf die Welt<br />
und die Familie bezog eine Wohnung in<br />
Sachseln, nahe dem Sarner See. Ist das Integration?<br />
Berge, Demokratie und ordnung<br />
Wochenendruhe herrscht, nur kurz unterbrochen<br />
vom Zug, der 60 Meter entfernt<br />
vorbei fährt. Silav und Musleh öffnen einladend<br />
die Tür zu ihrer Wohnung, Gästepantoffeln<br />
stehen bereit. Die Einrichtung lässt<br />
keinen Rückschluss auf die Herkunft der<br />
Bewohner zu: Ein Aquarium in der Ecke,<br />
Ikea-Regale an den Wänden, Kinderzeichnungen<br />
zieren die Kühlschranktür, selbstgezogene<br />
Minze und Basilikum wachsen auf<br />
dem Balkon, ein Schulranzen lehnt an der<br />
Kommode, an der Kinderzimmertür ein Bild<br />
«Kinder sind wie ein weisses Blatt Papier. Sie werden von den<br />
Erwachsenen beschrieben.»<br />
der «Wilden Kerle». Nur eine kleine kurdische<br />
Fahne steht auf einem Beistelltischchen.<br />
«Ich hatte anfangs furchtbares Heimweh»,<br />
erzählt Silav und rückt dabei eine Werbefotografie<br />
mit <strong>Schweiz</strong>er Bergen an ihrer Pinnwand<br />
zurecht. «Ich mag Bilder von der<br />
<strong>Schweiz</strong> so gerne», erklärt sie lächelnd.<br />
Für die Natur, die Berge haben beide viel<br />
übrig, die Familie ist oft draussen, geht spazieren,<br />
joggen, wandern, Trottinett fahren.<br />
Ausserdem schätzen Musleh und Silav die<br />
Ordnung, das System, die Demokratie in der<br />
<strong>Schweiz</strong>. Alles habe seine Regeln, man
könne sich auf Abmachungen verlassen,<br />
Termine würden eingehalten. «Will man im<br />
Irak etwas erreichen, braucht man entweder<br />
Vitamin B oder man muss Schwarzgeld zahlen»,<br />
vergleicht Silav die beiden Länder.<br />
Auf der Suche nach Freunden<br />
Es gibt Mittagessen. Ganz nach kurdischer<br />
Gastfreundschaft <strong>wir</strong>d gross aufgetafelt:<br />
Reis, Lamm, Gemüse, Salat, selbstgemachter<br />
Joghurt. Musleh, Silav und die Kinder<br />
fassen sich an den Händen – <strong>wir</strong> glauben, es<br />
folgt ein Gebet, senken unsere Köpfe. «Piep,<br />
piep, piep – en guate, en guate mitenand»,<br />
tönt es fröhlich, und <strong>wir</strong> müssen lachen. Ist<br />
das Integration?<br />
Für Silav ist erfolgreiche Integration unabdingbar<br />
mit Kontakten zu anderen verbunden.<br />
Um sich zu integrieren, müsse man<br />
auf andere zugehen. Man müsse Bekanntschaften<br />
pflegen, füreinander da sein, über<br />
ein einfaches «Hallo, wie geht’s» hinaus. Es<br />
<strong>wir</strong>d deutlich, dass beiden, Musleh und<br />
Silav, Freundschaften immens wichtig sind.<br />
Stolz zählt Silav ihre Freunde auf: Eine<br />
<strong>Schweiz</strong>erin ist wie eine Mutter für sie geworden,<br />
nichts Fremdes steht zwischen<br />
ihnen, Silav pflegte sie während einer Krankheit.<br />
Ein irakisches Paar in Horw hat die<br />
Rolle der Ersatzgrosseltern für die Kinder<br />
übernommen, die <strong>Schweiz</strong>er Lehrerin vom<br />
Deutschkurs für Mutter und Kind ist beste<br />
Freundin, für die italienische Nachbarin<br />
werden Leckereien gebacken. «Sachseln ist<br />
ein kleines Dorf, da lernt man sich schnell<br />
kennen» erklärt Musleh und Silav fügt bedauernd<br />
hinzu, dass aber nur wenige Kontakt<br />
zu ihnen wünschen würden. Die Familie<br />
war und ist noch immer Anfeindungen<br />
ausgesetzt: Djudi wurde auf dem Spielplatz<br />
gemieden, er könne nicht richtig Deutsch<br />
und dürfe nicht mitspielen, hiess es von anderen<br />
Kindern. Er wurde ausgegrenzt, niemand<br />
wollte mit der Mutter darüber reden.<br />
intEgration konkrEt<br />
Caritas setzt sich in verschiedenen Bereichen<br />
für eine schnelle und erfolgreiche Integration<br />
von Migranten und Migrantinnen ein. Ein<br />
Schwerpunkt ist der Spracherwerb, denn die<br />
Sprache ist eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />
für die Integration. Angeboten werden<br />
Sprachkurse von Alphabetisierung bis A1-<br />
Niveau.<br />
Um gesellschafts- und integrationsrelevante<br />
Themen geht es in den Kursen zur sozialen<br />
integration: Wie funktioniert das Krankenversicherungssystem?<br />
Wie verhalte ich<br />
mich am Arbeitsplatz? Was besagt das <strong>Ausländer</strong>gesetz?<br />
Wo finde ich eine Wohnung und<br />
welche Punkte beinhaltet ein Mietvertrag? Dies<br />
sind nur einige Fragen, die in den Kursen erörtert<br />
werden. Aber auch sehr kritische Themen,<br />
wie Suchtprobleme oder häusliche Gewalt,<br />
kommen zur Sprache.<br />
Für einen schnellen Einstieg in das Berufsleben<br />
und damit der Unabhängigkeit von der<br />
<strong>wir</strong>tschaftlichen Sozialhilfe, werden individuelle<br />
Berufscoachings und branchenspezifische<br />
trainings, zum Beispiel für die<br />
Gastronomie, durchgeführt. Im projekt «incluso»<br />
der Regionalen Caritas-Organisationen<br />
begleiten Freiwillige junge ausländische Frauen<br />
und Männer bei der Lehrstellensuche und unterstützen<br />
sie dabei.<br />
«Das hat mir solche Herzschmerzen bereitet»,<br />
erzählt Silav und ihr Gesicht nimmt<br />
gequälte Züge an. «Wissen Sie, Kinder sind<br />
wie ein weisses Blatt Papier. Sie werden von<br />
den Erwachsenen beschrieben.»<br />
«Was ist ein <strong>Ausländer</strong>?»<br />
Vor nicht allzu langer Zeit sorgte ein anonymer<br />
Anrufer für Aufregung. Er beleidigte<br />
Silav, beschimpfte sie und ihre Familie, ihr<br />
Land und hängte auf, bevor sie etwas sagen<br />
konnte. Seitdem hat sie Angst – Angst vor<br />
weiteren Anrufen, vor Drohungen. Und sie<br />
versucht alles, um nicht aufzufallen, sich<br />
noch besser anzupassen. Ist das Integration?<br />
Auch Musleh musste schon Einiges einstecken:<br />
Er wurde übergangen, bekam geringschätzige<br />
Seitenblicke und verbale Aggressionen<br />
zu spüren. Silav versucht zu<br />
relativeren: «Ich weiss, dass viele <strong>Ausländer</strong><br />
Probleme machen.» Aber es seien nicht alle<br />
gleich! Musleh nickt zu den Ausführungen<br />
Ebenfalls um einen guten, chancengleichen<br />
Start ins Leben geht es im projekt «Schulstart+»,<br />
das Kinder und Eltern mit Migrationshintergrund<br />
auf den Kindergarten- und Schuleintritt<br />
vorbereitet. Den Eltern <strong>wir</strong>d in Kursen<br />
das örtliche Kindergarten- und Schulsystem<br />
vermittelt. Die Kinder erhalten in Spielgruppen<br />
ganzheitliche Förderung und kommen – oft<br />
erstmals in ihrem Leben – mit der deutschen<br />
Sprache in Kontakt. Für viele der Kinder bedeutet<br />
es auch, zum ersten Mal von ihren Eltern<br />
getrennt zu sein, was ein wichtiger Schritt für<br />
den Kindergarteneintritt ist.<br />
Das projekt «teamspirit» richtet sich dagegen<br />
an eine spezielle, aber nicht minder<br />
wichtige Zielgruppe: an Fussballmannschaften<br />
und Trainer. Der Fussballsport spiegelt heute<br />
die kulturelle Vielfalt in der <strong>Schweiz</strong>, denn in<br />
den regionalen Teams spielen Menschen aus<br />
über 100 Nationen. Nicht selten kippt bei den<br />
Spielen der sportliche Enthusiasmus in Aggressionen<br />
um. Als Ursache werden dabei oft<br />
Spannungen zwischen einheimischen und ausländischen<br />
Spielern angeführt. Das Projekt<br />
«Teamspirit» sensibilisiert ganze Fussballmannschaften<br />
für Fairplay und schult sie in Konfliktprävention.<br />
(use)<br />
Mehr Informationen: www.caritas.ch/schweiz<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 13
Reportage: Integration in der <strong>Schweiz</strong><br />
14 Caritas «Menschen» 4/12
seiner Frau. «Mein Sohn fragt mich oft.<br />
Papi, was ist ein <strong>Ausländer</strong>? Warum bin ich<br />
kein <strong>Schweiz</strong>er? Ich sage ihm immer, dass er<br />
stolz sein kann. Er könne Kurdisch und<br />
Deutsch.»<br />
Keine rückkehr<br />
Trotz dieser Probleme fühlt sich die Familie<br />
sehr wohl in der <strong>Schweiz</strong>, es ist ihr Zuhause<br />
geworden. Natürlich haben Musleh und<br />
Silav noch immer Heimweh. Sehr sogar. Die<br />
Eltern können sie nur in Nachbarländern<br />
wie der Türkei treffen. Zu schwierig ist der<br />
Erhalt eines Visums für den Irak, zu gross<br />
die Angst, dass die Grenzen geschlossen<br />
werden und sie nicht mehr rauskommen.<br />
Ein Weg ganz zurück ist keine Option. «Wir<br />
müssten uns komplett neu integrieren, es<br />
hat sich so viel geändert. Und für die Kin-<br />
Bilder: Die <strong>Schweiz</strong> ist ein Zuhause geworden.<br />
Eine Rückkehr in den Irak ist keine Option – die<br />
Familie müsste sich komplett neu integrieren.<br />
der wäre es völlig fremd und kaum auszuhalten»,<br />
erklären sie.<br />
Engagiert und aktiv<br />
Die Liebe und die Sehnsucht zu ihrem Land<br />
verwandeln sie in Aktivismus: Silav gab<br />
zwei Jahre Kurdischunterricht für Buben<br />
und Mädchen in Ebikon und bringt derzeit<br />
einer <strong>Schweiz</strong>erin Arabisch bei. Musleh organisierte<br />
zwei Jahre lang wöchentlich ein<br />
Fussballspiel für Asylsuchende und war Hel-<br />
fer und Trainer bei Volleya, einem Frauen-<br />
Volleyball-Verband. Er gründete mit Kollegen<br />
einen kurdischen Verein und konnte<br />
dadurch 30 Familien zusammenbringen.<br />
Derzeit sucht er nach geeigneten Ausstellungsräumlichkeiten<br />
für kurdische Künstler<br />
– die Bilder hat er schon, die Rahmen<br />
würde er selbst anfertigen. «Wir durften so<br />
lange kein Kurdisch sprechen, mussten uns<br />
verstecken. Jetzt, wo <strong>wir</strong> wieder öffentlich<br />
auftreten können, müssen <strong>wir</strong> unsere Sprache<br />
und Kultur pflegen», sagt er nachdrücklich.<br />
Er sieht sich und seine Frau als Brücke:<br />
«Unser Land braucht den Austausch und ich<br />
muss etwas dafür tun.» Ist das Integration?<br />
Gefragt nach einem Wunsch für die Zukunft,<br />
müssen beide nicht lange überlegen:<br />
Die Kinder sollen nicht das erleben müssen,<br />
was sie durchgemacht hätten. «Wir sind auf<br />
die Welt gekommen, und es war Krieg. Wir<br />
«Wir durften so lange kein Kurdisch sprechen – jetzt müssen <strong>wir</strong><br />
unsere Sprache und Kultur pflegen.»<br />
wünschen uns Frieden», sagt Silav einfach.<br />
Musleh legt einen Arm auf die Schulter seines<br />
Sohnes, zieht ihn leicht an sich. Tochter<br />
Kani bekommt von Mama die Haare geflochten<br />
und einen Kuss auf den Schopf. Elternliebe<br />
sieht übrigens auch in allen Sprachen<br />
gleich aus. <<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 15
Ohne Worte<br />
Pia Zanetti war nach Abschluss der fotografischen<br />
Ausbildung in Basel acht Jahre in<br />
Rom und London als freischaffende Fotografin<br />
tätig. Heute lebt und arbeitet sie in<br />
Zürich. Sie ist Reportage-Fotografin, engagiert<br />
sich in sozialen Themen und fotografiert<br />
regelmässig für Caritas <strong>Schweiz</strong>.<br />
16 Caritas «Menschen» 4/12<br />
pia Zanetti (69)<br />
Emilio Vescoli (96) lebt in einem Pflegezentrum in Zürich – <strong>Schweiz</strong>, 2009<br />
Bild: Pia Zanetti/Caritas <strong>Schweiz</strong>; Porträtbild: zVg
Brennpunkt: Syrien<br />
humanitärE tragödiE<br />
nicht nur in Syrien, sondern auch in den<br />
nachbarstaaten spielt sich eine humanitäre<br />
tragödie ab. Mittlerweile haben in<br />
Jordanien, libanon und in der türkei<br />
350 000 Flüchtlinge Zuflucht gesucht.<br />
Der herannahende Winter mit tiefen<br />
temperaturen bedroht ihr Überleben.<br />
Syriens Regime, so beklagen Hilfsorganisationen<br />
und Menschenrechtsexperten, gehe<br />
wahllos gegen die Zivilbevölkerung vor. So<br />
bombardiere die Armee regelmässig Dörfer<br />
und Kleinstädte in Regionen, wo sich die<br />
zurückgedrängte Opposition aufhalte. Es<br />
gebe, so die Caritas-Partner vor Ort, zahlreiche<br />
Fälle, in denen Kinder und Erwachsene<br />
getötet wurden, während sie – beispielsweise<br />
– um Brot anstanden.<br />
Nicht nur die syrische Opposition, sondern<br />
auch die Uno schätzt, dass seit dem Beginn<br />
des Aufstandes gegen das Assad-Regime<br />
vor eineinhalb Jahren rund 30 000<br />
Menschen getötet wurden. Darüber hinaus<br />
hat die Gewalt des Staatsapparates bis Ende<br />
Oktober 350 000 Menschen in die Flucht<br />
getrieben. Sie halten sich in den Nachbarstaaten<br />
Jordanien, Libanon, Irak und Türkei<br />
Bild: Sam Tarling/Caritas <strong>Schweiz</strong><br />
Die Vertriebenen, zum grösseren Teil Frauen<br />
und Kinder, fristen in der Regel ein Dasein<br />
unter menschenunwürdigen Bedingungen.<br />
Der herannahende Winter bedroht das Überleben der Flüchtlinge.<br />
auf. Damit hat sich die Zahl der Flüchtlinge<br />
innerhalb von drei Monaten verdreifacht<br />
(Stand Ende Oktober). Nicht zu reden von<br />
jenen Menschen, die im Innern Syriens<br />
durch die bewaffneten Auseinandersetzungen<br />
vertrieben wurden.<br />
Allein für Jordanien und Libanon geht<br />
das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der<br />
Vereinten Nationen, davon aus, dass beide<br />
Länder bis Ende Jahr je 120 000 Flüchtlinge<br />
beherbergen müssen. In der Türkei dürfte<br />
die Zahl der Flüchtlinge im gleichen Zeitraum<br />
auf 280 000 ansteigen.<br />
Viele von ihnen sind in Ställen, Garagen und<br />
Kellern untergebracht. Die Caritas-Mitarbeiterin<br />
Livia Leykauf berichtet von einer<br />
«Flüchtlingsunterkunft» im libanesischen<br />
Baalbek: «In einem riesigen Stall wurden<br />
Wände eingezogen. Dort leben jetzt etwa<br />
200 Personen!»<br />
Es fehlt an allem<br />
Nicht nur die täglich anwachsende Zahl der<br />
Flüchtlinge ist eine gewaltige Herausforderung.<br />
Es fehlt an allem, an Wohnraum, Nahrungsmitteln<br />
und medizinischer Versorgung.<br />
Bild: Die Vertriebenen fristen ein Dasein unter<br />
menschenunwürdigen Bedingungen.<br />
Und vor allem steht der Winter vor der Tür.<br />
Nachts <strong>wir</strong>d es bereits in manchen Regionen<br />
merklich kühler. Es braucht nun dringend<br />
dicke Decken, warme Kleider, Heizkörper<br />
und wintersichere Unterkünfte.<br />
Caritas <strong>Schweiz</strong> leistet seit dem Frühjahr<br />
in Jordanien und Libanon Überlebenshilfe.<br />
Für die Fortsetzung dieser Hilfe ist sie dringend<br />
auf Spenden angewiesen. (on)<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 17
<strong>Schweiz</strong><br />
Bildung ist Ein mEnsChEnrECht<br />
Fehlende Bildung ist ein Armutsrisiko.<br />
Mit dem Schwerpunkt «Bildung gegen<br />
Armut» im Sozialalmanach und am<br />
Forum 2013 setzt Caritas <strong>Schweiz</strong> das<br />
thema auf die politische Agenda.<br />
Die Zahlen sprechen für sich: 13 Prozent der<br />
erwerbstätigen Bevölkerung hat keinen Berufsabschluss<br />
– aber fast zwei Drittel der<br />
Sozialhilfe-Empfängerinnen und -Empfänger.<br />
Vier Prozent der Erwerbsbevölkerung<br />
gehören zu den Working-Poor – aber ganze<br />
elf Prozent sind es bei jenen, die keinen beruflichen<br />
Abschluss vorweisen können.<br />
Gerade in der <strong>Schweiz</strong> hängt Armut ganz<br />
stark mit Bildung zusammen. Da wiegt<br />
schwer, dass 17 Prozent der Fünfzehnjährigen<br />
nicht ausreichend lesen können und<br />
etwa 800 000 Menschen in der <strong>Schweiz</strong> von<br />
schwerem Illettrismus betroffen sind.<br />
Denn im Alltag bedeuten diese Zahlen,<br />
dass diese Menschen in ihren beruflichen<br />
Möglichkeiten stark eingeschränkt sind. Sie<br />
bedeuten zudem, dass sie in einer modernen<br />
18 Caritas «Menschen» 4/12<br />
Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft<br />
wie jener der <strong>Schweiz</strong> sozial isoliert bleiben.<br />
Caritas will daher den Zugang zu Bildungsaktivitäten<br />
verbessern – für alle Altersstufen<br />
und alle Bildungsschichten. Bildung<br />
soll auch dort unterstützt und<br />
gefördert werden, wo sie informell stattfindet.<br />
Denn das Recht auf Bildung ist ein<br />
Menschenrecht. (imy)<br />
Gerade in der <strong>Schweiz</strong> hängt Armut stark mit Bildung zusammen.<br />
Weitere Informationen:<br />
Sozialalmanach 2013. Das Caritas-Jahrbuch<br />
zur sozialen Lage der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Trends, Analyse, Zahlen. Schwerpunkt: Bildung<br />
gegen Armut. Hg. von Iwona Meyer,<br />
Caritas-Verlag Luzern, Dezember 2012,<br />
209 Seiten, CHF 34.–<br />
Caritas Forum 2013 zum Thema «Bildung<br />
gegen Armut» Freitag, 25. Januar 2013 in<br />
Bern. Anmeldung und Detailprogramm:<br />
www.caritas.ch/forum/d<br />
Bild: Benachteiligte Kinder sollen den<br />
Anschluss in punkto Bildung nicht verpassen.<br />
Bildung gegen Armut: Was zu tun ist<br />
Caritas <strong>Schweiz</strong> schlägt folgende Massnahmen<br />
vor, um den Zugang zur Bildung für alle<br />
zu verbessern:<br />
– Nationaler Bildungsplan: Das Konzept des<br />
lebenslangen Lernens soll auf politischer<br />
Ebene verankert werden<br />
– Integrative Bildungsstrukturen: Dank Tagesstrukturen,<br />
Tagesschulen und institutionellen<br />
Betreuungsstrukturen werden auch<br />
benachteiligte Kinder erreicht<br />
– Elternarbeit: Dank niederschwelligen, auch<br />
informellen Bildungsangeboten sollen die<br />
Eltern in der Erziehung ihrer Kinder besser<br />
unterstützt und stärker in die Bildungsarbeit<br />
einbezogen werden<br />
– Jugendarbeit: Formelle und informelle Jugendarbeit<br />
soll gefördert werden<br />
– Berufsbildung: Das duale Konzept der Berufsbildung<br />
soll gestärkt werden<br />
– Berufsabschluss: Der Zugang zum Berufsabschluss<br />
soll auch für ausbildungslose<br />
Erwachsene in jedem Alter möglich sein<br />
Bild: Andreas Schwaiger/Caritas Zürich
<strong>Schweiz</strong><br />
in gutEn händEn: ZuhausE BEtrEut<br />
Wer kann uns bei der Betreuung von<br />
betagten oder kranken Angehörigen<br />
zuhause unterstützen? Diese Frage<br />
stellen sich immer mehr Familien in der<br />
<strong>Schweiz</strong>. Das projekt «in guten Händen»<br />
der Caritas <strong>Schweiz</strong> vermittelt auf einer<br />
fairen Basis Betreuerinnen aus osteuropa.<br />
Sicherheit, Qualität und korrekte<br />
Arbeitsbedingungen bei der 24StundenBetreuung<br />
zuhause sind das Ziel.<br />
Viele betagte Menschen in der <strong>Schweiz</strong><br />
möchten so lange wie möglich zuhause<br />
leben, auch wenn sie auf Hilfe angewiesen<br />
sind. Die Angehörigen sind mit der Betreuung<br />
oft überlastet. Sie suchen nach einer geeigneten<br />
Unterstützung. In Osteuropa leben<br />
viele Menschen mit sehr geringem Einkommen,<br />
die dafür in Frage kommen. Sie können<br />
im Westen mehr Geld verdienen und<br />
ihren Familien eine bessere Zukunft sichern.<br />
Allerdings lassen sie sich meist illegal vermitteln<br />
und werden dabei ausgenutzt.<br />
Korrekte Arbeitsbedingungen<br />
Caritas <strong>Schweiz</strong> startete «In guten Händen»<br />
im September in den Regionen Luzern, Zug<br />
Bild: Sandro Bäbler/Ex-Press<br />
und Zürich als Pilotprojekt mit den ersten<br />
Betreuungsverhältnissen. Ziel ist ein Einsatz<br />
von Betreuerinnen, der für betagte Menschen<br />
Sicherheit und Qualität in der Betreuung<br />
zuhause schafft und Angehörige entlastet.<br />
Die Betreuerinnen werden durch die<br />
gerechte Vermittlung und korrekte Arbeits-<br />
bedingungen geschützt. Sie erhalten über die<br />
Caritas-Einsatzleiterin Beratung und können<br />
sich regelmässig mit anderen Betreuerinnen<br />
treffen.<br />
Zusammenarbeit im europäischen<br />
Caritasnetz<br />
Das Projekt basiert auf einer engen Zusammenarbeit<br />
mit Caritas Alba Iulia in Rumänien.<br />
Im Rahmen ihrer Spitexorganisation<br />
wählt diese die Betreuerinnen aus und bereitet<br />
sie auf den Aufenthalt in der <strong>Schweiz</strong> vor.<br />
Nach dem Einsatz in der <strong>Schweiz</strong> kehren die<br />
Betreuerinnen in die alte Anstellung zurück.<br />
Den Lebensmittelpunkt behalten sie in<br />
ihrem eigenen Land.<br />
Bild: Maria Pfemeter aus Alba lulia in Rumänien<br />
ist die erste Betreuerin im Rahmen des Projekts<br />
«In guten Händen».<br />
Die Caritas-Einsatzleitung in der <strong>Schweiz</strong><br />
klärt die Bedürfnisse der betagten Menschen<br />
zuhause ab, macht einen Betreuungsvertrag,<br />
Das Projekt basiert auf einer engen Zusammenarbeit mit Caritas<br />
Alba Iulia in Rumänien.<br />
führt die Betreuerinnen ein und interveniert<br />
bei Problemen. Das Angebot beinhaltet ausschliesslich<br />
die Betreuung: Haushaltsarbeiten,<br />
Da-Sein, Sicherheit schaffen sowie einfache<br />
pflegerische Handreichungen. Für eine<br />
Fachpflege braucht es die Spitex. Die Betreuerinnen<br />
sind bei Caritas <strong>Schweiz</strong> angestellt.<br />
Die Betreuung <strong>wir</strong>d regelmässig durch eine<br />
externe Qualitäts-Kontrolle überprüft. (sg)<br />
Weitere Informationen:<br />
www.caritas.ch/ingutenhaenden<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 19
Welt: Brasilien<br />
dank Biogas aus dEr armut hEraus<br />
im boomenden Schwellenland Brasilien<br />
hört man nicht gern von Hunger. Doch<br />
es gibt ihn: Klimawandel und irreparable<br />
Umweltschäden tragen massgeblich zu<br />
seiner Entstehung bei. Caritas baut<br />
Biogasanlagen für armutsbetroffene<br />
Bauernfamilien.<br />
52 Jahre alt ist Jurandir Ambrosio de Souza<br />
und rund um die Uhr damit beschäftigt,<br />
seine zwölfköpfige Familie zu ernähren. «In<br />
der Regenzeit konnten <strong>wir</strong> pflanzen und<br />
hatten immer genug zu essen. Aber in der<br />
Dürreperiode mussten die Kinder oft mit<br />
leerem Magen ins Bett.»<br />
Durchschnittlich dauert die Dürreperio de<br />
in der Umgebung von Caruarù, im Nordos-<br />
20 Caritas «Menschen» 4/12<br />
ten Brasiliens, acht Monate. Doch seit einigen<br />
Jahren treten die klimatischen Trockenphasen<br />
häufiger auf. Dann trocknen die<br />
wenigen Bäche vollkommen aus und die<br />
Frauen und Kinder, auch die Familie von Jurandir,<br />
müssen etwa vier Stunden pro Tag<br />
dafür einsetzen, Wasser von den raren Wasserstellen<br />
zu holen.<br />
Zwar hat sich Brasilien zu einer boomenden<br />
Wirtschaftsnation entwickelt, doch<br />
die Verteilung des Reichtums und der Zu-<br />
Laut Experten rangiert Brasilien als «high risk country».<br />
gang zu schwindenden Ressourcen ist denkbar<br />
ungerecht. Die Entwaldung nahm zwischen<br />
Ende der Siebzigerjahre und 2000 mit<br />
jährlich 200 000 km 2 alarmierende Ausmasse<br />
an. Ganze Waldflächen fallen der<br />
Viehzucht, dem Bergbau, der Holzindustrie<br />
und neu auch den Monokulturen für die<br />
Ethanolgewinnung zum Opfer. Um den nötigen<br />
Strom für diese industrielle Produktion<br />
zu gewinnen, wurden riesige Stauseen<br />
und Staudämme angelegt – und so das natürliche<br />
Ökosystem zerstört. Laut Experten<br />
rangiert Brasilien als «high risk country»,<br />
das in den kommenden 30 Jahren mit merklichen<br />
Veränderungen des Klimas rechnen<br />
muss. Besonders der Nordosten des Landes<br />
muss sich für Dürren und Überschwemmungen<br />
wappnen.<br />
Von diesen Veränderungen sind Bauernfamilien<br />
wie jene von Jurandir besonders<br />
stark betroffen. Die meisten Kleinbauern<br />
der Region leben von der Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
und verdienen ihr Einkommen mit dem Verkauf<br />
von Gemüse und Früchten. Doch allein<br />
der Kauf von Gas verschlingt die Hälfte der<br />
monatlichen Einkünfte. Kein Wunder, ko-<br />
Bild: Ze Augusto/Nazare da Mata
chen die Frauen mit Holz, das sie in der Umgebung<br />
schlagen – und mit der Abholzung<br />
dieser spärlichen Ressourcen auch zur Bodenerostion<br />
beitragen. Für diese lokalen Gegebenheiten<br />
hat Caritas eine lokale Lösung<br />
entwickelt, die zusammen mit dem Entwicklungsprogramm<br />
der brasilianischen Regierung<br />
eine nachhaltige Existenzsicherung von<br />
Bauernfamilien zum Ziel hat.<br />
Energie aus viehmist und grünabfällen<br />
Während die Regierung zusammen mit<br />
mehr als 50 Partnerorganisationen den Bau<br />
von insgesamt einer Million Wasserzisternen<br />
finanziert, um damit Millionen von<br />
Menschen den Zugang zu Trink- und Gebrauchswasser<br />
zu sichern, baut Caritas im<br />
brasilianischen Nordosten Biogasanlagen.<br />
Aus dem Viehmist und Grünabfällen lässt<br />
sich so einfach Energie fürs Kochen gewinnen.<br />
Aus den vergorenen Substraten entsteht<br />
zudem ein hochwertiger Pflanzendünger,<br />
welcher die künstlichen und chemischen<br />
Bilder: Ze Augusto/Nazare da Mata<br />
Düngemittel komplett ersetzt. Da Biogas<br />
CO 2-neutral ist, leistet Caritas mit dem Bau<br />
von Biogasanlagen einen Beitrag zur nachhaltigen<br />
Energieversorgung und zum Klimaschutz.<br />
Zudem hilft sie den Bauernfamilien<br />
dabei, Kleingärten mit einer wassersparenden<br />
Tropfbewässerung anzulegen. Diese<br />
Technik ermöglicht, die knappe Ressource<br />
Wasser gezielt an die Wurzeln der Pflanzen<br />
zu leiten und verhindert, dass es an der<br />
Oberfläche verdunstet. 50 Biogasanlagen<br />
sind vorgesehen, 12 sind bereits in Betrieb.<br />
Mit grossem Erfolg, wie Jurandir bestätigt:<br />
«Ich kannte diese Technik nicht und war anfänglich<br />
etwas skeptisch. Doch <strong>wir</strong> sind nun<br />
weder auf Brennholz noch auf das Kochgas<br />
angewiesen. Dank den Wasserzisternen und<br />
dem Dünger können <strong>wir</strong> mehr anpflanzen,<br />
besonders Gemüse. Wir haben nun täglich<br />
frisches Gemüse auf dem Tisch und können<br />
den Überschuss auf dem Wochenmarkt verkaufen.»<br />
(imy)<br />
Bilder: Dank Biogasanlagen und neuer Bewässerungstechnik<br />
hat die Familie von Jurandir<br />
täglich frisches Gemüse auf dem Tisch.<br />
Klimaprojekte der Caritas<br />
Der Klimawandel bedeutet für Entwicklungsländer<br />
eine reale Existenzbedrohung: Hochwasserkatastrophen<br />
zerstören in Ländern wie<br />
Bangladesch ganze Regionen, Dürren verstärken<br />
in Afrika Hungersnöte. Seit Jahren engagiert<br />
sich Caritas mit zahlreichen Klimaschutz-<br />
Projekten – beispielsweise mit dem Aufbau<br />
von Kleinwasserkraftwerken im Pakistan. Auf<br />
Bali hilft Caritas beispielsweise, Alt-Speiseöl<br />
als Dieselersatz zu verwerten, oder in Nicaragua<br />
baut sie Holzsparöfen.<br />
Mit der patenschaft «Klimaschutz für<br />
alle» können die Klimaprojekte direkt unterstützt<br />
werden. (imy)<br />
Weitere Informationen:<br />
www.caritas.ch/klimaschutz<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 21
22 Caritas «Menschen» 4/12<br />
_Forum 2013<br />
Bildung gegen Armut<br />
Die sozialpolitische Tagung<br />
der Caritas<br />
Bildung kann Armut verhindern.<br />
Das Caritas-Forum 2013 zeigt,<br />
welches Bildungswesen zur<br />
Chancengerechtigkeit beiträgt.<br />
Freitag, 25. Januar 2013<br />
9.30–15.30 Uhr<br />
Kultur-Casino, Bern<br />
Anmeldung und Programm:<br />
www.caritas.ch/forum/d<br />
Bildung gegen Armut<br />
Kann Ihr Kind richtig lesen? Und Ihre Nachbarin? 800 000 Erwachsene<br />
in der <strong>Schweiz</strong> sind vom schweren Illetrismus betroffen. In einer<br />
modernen Wissensgesellschaft ist Bildung Rohstoff und der Schlüssel<br />
zur sozialen Teilhabe. Wie aber den Zugang zur Bildung verbessern?<br />
Diesen und anderen Fragen geht der Sozialalmanach 2013 nach.<br />
✂<br />
Bestelltalon<br />
2013<br />
Sozialalmanach<br />
Schwerpunkt : Bildung gegen Armut<br />
Das Caritas-Jahrbuch<br />
zur sozialen Lage der <strong>Schweiz</strong><br />
Trends, Analysen, Zahlen<br />
Ex. Sozialalmanach 2013, Bildung gegen Armut, 209 Seiten, CHF 34.– 020168<br />
Name/Vorname Strasse<br />
PLZ/Ort Telefon<br />
Bitte ausschneiden und einsenden an: Caritas <strong>Schweiz</strong>, Bereich Kommunikation, Löwenstrasse 3, 6002 Luzern<br />
Bestelltelefon: 041 419 22 22, E-Mail: info@caritas.ch, Internet: www.caritas.ch
Ein Blick ins Leben von<br />
aisha sChEiBrahim,<br />
äthioPiEn<br />
Aisha Scheibrahim lebt mit ihrem Mann<br />
und ihren fünf Kindern im abgelegenen<br />
Bergdorf Midagdu, in Ost-Äthiopien. Man<br />
erreicht das Dorf mit einer vierstündigen<br />
Fahrt auf einer ungeteerten Strasse. Die<br />
Menschen in Midagdu haben keinen Strom,<br />
kein fliessend Wasser und bewegen sich fast<br />
ausschliesslich zu Fuss fort. Aisha und ihr<br />
Mann sind selbstversorgende Bauern. Während<br />
sich Aisha um das Haus und die Kinder<br />
kümmert, arbeitet ihr Mann auf dem Feld.<br />
Auch Aisha kümmert sich ab und zu um die<br />
Felder und um die Tiere. Ihr exaktes Alter<br />
kennt sie nicht, aber ihrem ältesten Kind im<br />
Teenager-Alter nach zu schätzen, muss sie<br />
um die dreissig Jahre alt sein. Zwei ihrer<br />
fünf Kinder gehen in die St. Marys School<br />
in Midagdu, die von Caritas im Rahmen des<br />
Bildungsprogramms in Ost-Äthiopien unterstützt<br />
<strong>wir</strong>d.<br />
Das Interview führte Anita Rüegg. Die junge<br />
Lehrerin absolvierte in der St. Marys<br />
Wie sieht ihr Alltag aus?<br />
Ich stehe morgens etwa um fünf Uhr auf,<br />
melke die Kuh und beginne das Frühstück<br />
vorzubereiten und das Haus zu putzen. Den<br />
Tag hindurch schaue ich zu meinen Kindern,<br />
gerade eben ist das fünfte auf die Welt gekommen.<br />
Alle Kinder wurden bei uns zu<br />
Hause und nicht im Spital geboren. Da ich<br />
noch geschwächt bin von der Geburt, kann<br />
ich noch nicht auf dem Feld arbeiten wie<br />
sonst. Da <strong>wir</strong> keine Elektrizität haben,<br />
koche ich auf dem Feuer. Dafür muss ich regelmässig<br />
Holz holen, dies dauert etwa<br />
einen halben Tag. Auch fliessend Wasser<br />
haben <strong>wir</strong> nicht und so hole ich zweimal pro<br />
Tag Wasser von einem nahe gelegenen Brunnen.<br />
Was verdienen Sie?<br />
Da ich und meine Mann Bauern sind, verdienen<br />
<strong>wir</strong> nicht regelmässig Geld. Von Zeit<br />
zu Zeit verkaufen <strong>wir</strong> Früchte auf dem<br />
Markt im Dorf, Hühner oder einen Teil unserer<br />
Ernte, um an etwas Geld zu kommen.<br />
Dieses brauchen <strong>wir</strong> vor allem, wenn zum<br />
Beispiel eines unserer Kinder krank <strong>wir</strong>d.<br />
Ansonsten leben <strong>wir</strong> von dem, was <strong>wir</strong> auf<br />
unseren Feldern anbauen und von unseren<br />
Tieren.<br />
Was heisst für Sie glück?<br />
Glück heisst für mich, wenn meine Kinder<br />
gesund sind und auch genügend zu essen<br />
haben. So bedeutet es für mich Glück, Felder<br />
und Tiere zu haben, die uns mit Nahrung<br />
versorgen. Leider haben <strong>wir</strong> nur eine<br />
Kuh und auch sonst nur wenige Tiere, auch<br />
unser Feld ist sehr klein.<br />
Nahrung. Auch bin ich immer besorgt um<br />
meine Familie und hoffe ständig, dass niemand<br />
krank <strong>wir</strong>d: weder mein Mann, noch<br />
die Kinder und auch nicht die Tiere. Es ist<br />
sehr schwierig und sehr teuer, medizinische<br />
Hilfe zu erhalten.<br />
Worauf sind Sie stolz?<br />
Auf meine Kinder. Ich bin nie zur Schule gegangen,<br />
nun besuchen zwei meiner fünf Kinder<br />
die Schule. Allerdings schickte ich meine<br />
Tochter erst sehr spät zur Schule. Ich konnte<br />
sie erst gehen lassen, als die kleineren Geschwister<br />
genügend alt waren, um auf die<br />
Tiere aufzupassen. Auch die anderen Kinder<br />
würde ich gerne zur Schule schicken, aber<br />
leider habe ich kein Geld für die Schulbücher.<br />
Ich könnte schon ein Tier verkaufen<br />
und so die Schulbücher finanzieren, aber<br />
dann habe ich Angst, dass meine Familie die<br />
nächste Saison zu wenig Nahrung hat.<br />
Wofür haben Sie zum letzten Mal geld ausgegeben?<br />
Ich gebe kaum Geld aus, da <strong>wir</strong> fast keines<br />
haben. Manchmal können <strong>wir</strong> bei uns am<br />
Markt etwas tauschen. Zum Beispiel unsere<br />
Früchte gegen den Mais von anderen. Ich<br />
glaube, das letzte Mal habe ich mir so Mais<br />
gekauft.<br />
School in Midagdu ein Praktikum.<br />
Äthiopien in Zahlen<br />
– Bevölkerung: 91 Millionen<br />
– Lebenserwartung: 56 Jahre<br />
Womit kämpfen Sie?<br />
– Durchschnittliches Alter: 16,8 Jahre<br />
Die letzte Ernte war sehr schlecht und so – Alphabetisierungsrate: 42,7%<br />
sind <strong>wir</strong> abhängig vom Getreide eines Hilfs- – 1 kg Reis: 15 Birr (80 Rappen)<br />
projekts. Ohne dieses hätten <strong>wir</strong> zu wenig – 1 Liter Milch: 12 Birr (60 Rappen)<br />
Bild: Anita Rüegg/Caritas <strong>Schweiz</strong><br />
«Menschen» 4/12 Caritas 23
Ihr Stück gerechtere Welt.<br />
24 Caritas «Menschen» 4/12<br />
Übernehmen Sie eine Patenschaft<br />
«Kinder in die Schule»<br />
Weltweit können Millionen von Kindern nicht zur Schule gehen, weil sie zu arm sind.<br />
Dabei ist Bildung der beste und nachhaltigste Weg für einen jungen Menschen, sich aus<br />
der Armut zu befreien. Machen Sie die Welt ein Stück gerechter. Mit nur einem Franken<br />
pro Tag ermöglichen Sie benachteiligten Kindern eine bessere Zukunft.<br />
Karte weg? Besuchen Sie uns im Internet auf www.caritas.ch oder rufen Sie uns<br />
an unter 041 419 22 22.
Gastkolumne<br />
gEmEinsamEr EinsatZ Für<br />
sauBErEs trinkWassEr<br />
Zum zehnjährigen Jubiläum unserer Stiftung<br />
Clean Water haben <strong>wir</strong> kürzlich mit<br />
Caritas <strong>Schweiz</strong> eine Zusammenarbeit im<br />
Bereich Trinkwasserversorgung vereinbart.<br />
Unsere Stiftung stellt einen Beitrag in Höhe<br />
von einer Million Franken zur Verfügung.<br />
Die Caritas <strong>Schweiz</strong> kann damit bis 2015<br />
für mindestens 35 000 Menschen weltweit<br />
die Versorgung mit sauberem Trinkwasser<br />
sicherstellen.<br />
Dieses Engagement ist mir ein ganz persönliches<br />
Anliegen. Als Jugendlicher habe<br />
ich meinen Eltern, die in der Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
tätig waren, geholfen, die Felder im Süden<br />
Frankreichs zu bewässern. Wasser gab es<br />
nicht im Überfluss und dessen Nutzung war<br />
streng reglementiert. In den Sommermonaten<br />
war die Wasserversorgung eine konstante<br />
Sorge. Mitte der 70er Jahre konnte ich<br />
während des Praktikums als junger Ingenieur<br />
an einem nahegelegenen Staudamm mitarbeiten,<br />
der die ganzjährige Wasserversorgung<br />
sicherstellte. Die damalige Zeit hat<br />
sich mir tief eingeprägt.<br />
Während Länder wie die <strong>Schweiz</strong> oder<br />
Frankreich die notwendige Infrastruktur<br />
finanzieren können, sind Menschen in anderen<br />
Ländern oft auf externe Hilfe angewiesen.<br />
Als Spezialist von Wasserverteilungssystemen<br />
sind <strong>wir</strong> überzeugt, dass<br />
<strong>wir</strong> zur Lösung von Wasserversorgungsproblemen<br />
einen effektiven Beitrag leis-<br />
Bild: zVg<br />
Bei der Umsetzung von Clean Water Projekten<br />
sind <strong>wir</strong> froh, mit angesehenen NGOs<br />
wie Caritas zusammen zu arbeiten. Sie sind<br />
sie es, die mit vollem Recht ein hohes Engagement<br />
und die Nachhaltigkeit der Projekte<br />
garantieren. Wir sehen deshalb auch einen<br />
regelmässigen Informationsaustausch der<br />
Fachleute vor. Die Unternehmensgruppe GF<br />
Bei der Umsetzung von unseren Clean Water Projekten sind <strong>wir</strong><br />
froh, mit angesehenen NGOs wie Caritas zusammen zu arbeiten.<br />
ten können. Seit der Gründung der «Clean<br />
Water» Stiftung im Jahr 2002 anlässlich des<br />
200-jährigen Bestehens des Konzerns hat<br />
Georg Fischer mehr als 90 Projekte in 50<br />
Ländern unterstützt und so über 200 000<br />
Menschen in aller Welt zu einem nachhaltig<br />
besseren Zugang zu Trinkwasser verholfen.<br />
Piping Systems, die in über 50 Ländern direkt<br />
tätig ist, <strong>wir</strong>d Caritas mit ihrem Knowhow<br />
und ihrer Expertise in der Wasseraufbereitung<br />
und -verteilung beraten. Dabei<br />
<strong>wir</strong>d es primär darum gehen, wie mit innovativen<br />
Methoden und grundsätzlich lokal<br />
vorhandenen Technologien und Rohrleitun-<br />
Bild: Yves Serra ist Präsident der Konzernleitung<br />
und Präsident der Stiftung «Clean Water»<br />
des Georg Fischer Konzerns.<br />
gen der Zugang zu Trinkwasser spürbar verbessert<br />
werden kann.<br />
Diese Zusammenarbeit ist aber auch für<br />
uns sehr wertvoll. Mitarbeitende wie Aktionäre<br />
schätzen dieses Engagement. Ebenso<br />
begrüssen <strong>wir</strong>, dass nicht zuletzt durch diese<br />
Kooperation mit Caritas <strong>Schweiz</strong> Georg Fischer<br />
in der Öffentlichkeit verstärkt als<br />
weltweit tätiges Unternehmen mit hoher<br />
Kompetenz in der Wasserversorgung wahrgenommen<br />
<strong>wir</strong>d.<br />
Yves Serra<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 25
In Kürze<br />
Sonetlumière auf dem Bundesplatz<br />
mit Caritas als partnerin<br />
Die Fassade des Bundeshauses erscheint bis<br />
zum 27. Dezember jeden Abend in einem<br />
neuen, überraschenden Licht. «Rendez-vous<br />
Bundesplatz» ist ein einzigartiges Son-et-Lumière-Spektakel,<br />
das den Bundesplatz in<br />
einen festlichen Adventszauber taucht. Um<br />
19 und um 20.30 Uhr <strong>wir</strong>d das Bundeshaus<br />
in einer packenden Show mit Licht, Ton und<br />
Animation bespielt, die <strong>Schweiz</strong>er Errungenschaften<br />
und Traditionen emotional erlebbar<br />
macht. Als offizielle Partnerin von<br />
«Rendez-vous Bundesplatz» mit dabei ist<br />
Caritas mit ihrer KulturLegi. Diese erfährt<br />
26 Caritas «Menschen» 4/12<br />
Bild: Bis zum 27. Dezember erstrahlt das<br />
Bundeshaus jeden Abend in einem anderen<br />
Licht – mit der KulturLegi als Partnerin.<br />
damit vor einem grossen <strong>Schweiz</strong>er Publikum<br />
Anerkennung. Bereits über 30 000 von<br />
Armut betroffene Menschen in der <strong>Schweiz</strong><br />
erhalten dank diesem einzigartigen Angebot<br />
vergünstigten Zugang zu Kultur und Bildung.<br />
Besuchen Sie «Rendez-vous Bundesplatz»<br />
und unterstützen auch Sie die Kultur-<br />
Legi von Caritas. (ja)<br />
Unsere Highlights: 26. Oktober: Premiere | 2. Dezember: Beginn der Show «Adventszauber»<br />
| 15. Dezember: Eine Million Sterne | 27. Dezember: Finissage<br />
Kommen Sie vorbei und geniessen Sie mit uns das einzigartige Spektakel!<br />
Konto Caritas-Netz / Reseau Caritas 80-492329-5 (Vermerk KulturLegi). Spenden<br />
Weitere informationen: www.rendezvous-<br />
zugunsten der KulturLegi – Kultur, Sport und Bildung für alle | www.kulturlegi.ch<br />
bundesplatz.ch, www.kulturlegi.ch<br />
Charity-Partnerin:<br />
Bild: Rund 700 Freiwillige unterstützen in den<br />
Sommermonaten Bergbauernfamilien.<br />
5000 tage Freiwilligenarbeit auf Bergbauernhöfen<br />
110 Bergbauernfamilien in der ganzen<br />
<strong>Schweiz</strong> erhielten im Sommer 2012 vermittelt<br />
von Caritas-Bergeinsatz Unterstützung<br />
von freiwilligen Helferinnen und Helfern.<br />
Sie konnten dadurch schwierige Lebens-<br />
und Arbeitssituationen besser überbrücken.<br />
Die rund 700 Freiwilligen halfen vor allem<br />
in den arbeitsintensiven Sommermonaten<br />
auf den Betrieben mit. Dies sind fast 25 Prozent<br />
mehr als in der Sommersaison 2011.<br />
Insgesamt wurden rund 5000 Tage Freiwilligenarbeit<br />
geleistet.<br />
Stephanie Meli<br />
Weitere informationen und Anmeldung<br />
für Bergeinsätze: www.bergeinsatz.ch<br />
Eine Million Sterne<br />
Mit der Aktion «Eine Million Sterne» setzt<br />
Caritas am 15. Dezember zum achten Mal<br />
ein leuchtendes Zeichen für eine solidarische<br />
<strong>Schweiz</strong>. An rund 150 Orten bringen unzählige<br />
Freiwillige die <strong>Schweiz</strong> mit einem Kerzenmeer<br />
zum Leuchten, das zum Ausdruck<br />
bringt, wie wichtig Mitmenschlichkeit und<br />
gegenseitiger Respekt sind. Mit den Spenden<br />
werden die Caritas-Märkte für armutsbetroffene<br />
Menschen in der <strong>Schweiz</strong> unterstützt.<br />
Auf www.einemillionsterne.ch sehen<br />
Sie, wie und wo Sie mitmachen können!<br />
(dos)<br />
Bild: «Eine Million Sterne» steht für Solidarität<br />
und gegenseitigen Respekt.<br />
Bilder: Starlight Events/Spectaculaires, Patrick Lüthy/Caritas <strong>Schweiz</strong>, Pia Zanetti/Caritas <strong>Schweiz</strong>
<strong>Schweiz</strong> erhöht Entwicklungszusammenarbeit<br />
spürbar<br />
National- und Ständerat haben in der<br />
Herbstsession der Botschaft zur Entwicklungshilfe<br />
2013–16 zugestimmt und damit<br />
einen Schlussstrich unter eine jahrelange<br />
zähe Debatte gesetzt. Mit der Zustimmung<br />
zu den Rahmenkrediten der internationalen<br />
Zusammenarbeit erhöht die <strong>Schweiz</strong> ihre<br />
Entwicklungshilfe auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens<br />
(BNE) und gehört<br />
damit zu jenen Staaten, die trotz schwierigen<br />
<strong>wir</strong>tschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
ein deutliches Zeichen setzen.<br />
Alliance Sud, die entwicklungspolitische<br />
Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke<br />
Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Caritas,<br />
Helvetas und Heks erinnert in ihrer Medienmitteilung<br />
von Mitte September daran,<br />
dass es nach den Wahlen 2003 Pläne gab,<br />
Bilder: Luca Zanetti/Caritas <strong>Schweiz</strong>, Caritas <strong>Schweiz</strong><br />
Bild: Der Klimawandel trifft die armen Länder<br />
besonders hart. Entwicklungszusammenarbeit<br />
ist eine Frage der Solidarität.<br />
die <strong>Schweiz</strong>er Entwicklungszusammenarbeit<br />
um 30 Prozent zu kürzen. Eine breite Al lianz<br />
aus 70 Hilfswerken, Frauen-, Jugend- und<br />
Umweltverbänden lancierte darauf die Petition<br />
«0,7% – gemeinsam gegen Armut».<br />
Ziel war es, das Parlament von einer Erhöhung<br />
auf 0,7 Prozent des BNE zu überzeugen,<br />
wie es die Uno zur Erreichung der Millenniumsziele<br />
vorgegeben hatte. Auf Grund<br />
der 2008 eingereichten über 200 000 Unterschriften<br />
einigte sich eine überparteiliche<br />
Gruppe aus fast allen Fraktionen wenigstens<br />
darauf, dass bis 2015 eine Erhöhung auf<br />
0,5 Prozent tragbar sei. Im Frühling 2011<br />
genehmigte das Parlament den Entscheid.<br />
(dos/Alliance Sud)<br />
Bild: Das Caritas-Projekt richtet sich an intern<br />
Vertriebene in Somaliland.<br />
«Jeder rappen zählt» unterstützt<br />
CaritasWasserprojekt in Somaliland<br />
Die diesjährige Sammelaktion «Jeder Rappen<br />
zählt» von DRS3, SF2 und der Glückskette<br />
läuft dieses Jahr unter dem Motto<br />
«Jeder Tropfen hilft»: Vom 17. bis 22. Dezember<br />
kann für Entwicklungsprojekte im<br />
Bereich Trinkwasser und Hygiene gespendet<br />
werden. Dabei <strong>wir</strong>d auch ein Caritas-Projekt<br />
in Somaliland unterstützt. Es richtet<br />
sich an rund 36 000 Menschen, hauptsächlich<br />
intern Vertriebene und zur Mehrheit<br />
Frauen, Jugendliche und Kinder, die in ländlichen<br />
Siedlungen und Flüchtlingslagern<br />
leben. Caritas verbessert den Zugang zu<br />
Wasser für Haushalt und Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
und trägt mit dem Bau von Toiletten zur<br />
Verbesserung der Gesundheitssituation bei.<br />
Kurse und Kampagnen zeigen der Bevölkerung<br />
zudem, wie wichtig Händewaschen<br />
und Hygiene sind. (dos)<br />
Weitere informationen: www.jrz.ch<br />
CaritasKleiderhilfe und Winterhilfe<br />
spannen zusammen<br />
Im Jahr 2012 kleidete die Caritas-Kleiderzentrale<br />
in Waldibrücke mit dem Versand<br />
von Kleiderpaketen 1500 sozial benachteiligte<br />
Personen in der <strong>Schweiz</strong> ein. Dies entspricht<br />
einem Wert von rund 300 000 Franken.<br />
Die Caritas nimmt mit dem Versand<br />
von Kleidern und Schuhen an sozial Benachteiligte<br />
seit 1998 einen Auftrag der Winterhilfe<br />
wahr. (dos)<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 27
Fotorätsel<br />
WoZu diEnt diEsEs gErät?<br />
In Mali wurde zusammen mit der Caritas dieses einfache, aber nützliche Gerät entwickelt. Wozu dient es?<br />
A Messung der Niederschlagsmenge B Zerstäubung von Insektenmittel C Lampe<br />
28 Caritas «Menschen» 4/12<br />
Wettbewerb: gewinnen Sie eine Salatschüssel mit Besteck aus vietnam!<br />
Schicken Sie die richtige Antwort mit dem Vermerk «Fotorätsel» bis zum 31. Dezember 2012 an fotoraetsel@caritas.ch oder an<br />
Caritas <strong>Schweiz</strong>, Redaktion Caritas-Magazin, Löwenstrasse 3, Postfach, 6002 Luzern. Unter den richtigen Antworten werden<br />
dreimal verlost: Eine lackierte Salatschüssel aus Vietnam mit Besteck (siehe Artikel rechts sowie Bestellkarte). Die Lösung findet<br />
sich ab Januar 2013 auf www.caritas.ch/fotoraetsel sowie in der März-Ausgabe des Magazins «Wir helfen Menschen». (Lösung<br />
zum Fotorätsel im Magazin 3/2012: Kaktus)<br />
Bild: Andreas Schwaiger/Caritas <strong>Schweiz</strong>
Caritas-Fairtrade<br />
diE EntdECkung dEs<br />
BamBus<br />
Die Firma Ekobo setzt ganz auf den<br />
rohstoff Bambus. Die bei CaritasFairtrade<br />
erhältlichen lackierten Salatschalen<br />
aus dem leichten Holz stehen nicht<br />
nur für Eleganz und nachhaltigkeit,<br />
sondern sichern auch unzähligen Kunsthandwerkern<br />
eine Existenz.<br />
Bambus gehört zu den ökologischsten pflanzlichen<br />
Rohstoffen: «Die Pflanze wächst<br />
schnell, braucht kein Pestizid und produziert<br />
30 Prozent mehr Sauerstoff als ein herkömmlicher<br />
Baum», sagt David Chaouat<br />
von der Caritas-Partnerfirma Ekobo. Die in<br />
Paris ansässige Firma arbeitet mit Bambus-<br />
Produzenten in Vietnam zusammen, welche<br />
das Material aus weit entlegenen Dörfern<br />
auf dem Flussweg an ihren Bestimmungsort<br />
transportieren. Die Bambus-Stäbe bleiben<br />
vier bis fünf Monate im Wasser, was ihre Lebensdauer<br />
verlängert und sie auf natürliche<br />
Weise gegen Insektenbefall schützt. Dann<br />
werden die Stäbe an der Luft getrocknet, mit<br />
Bilder: Ekobo<br />
Fluss lackiert <strong>wir</strong>d. Die ersten Lackschichten<br />
machen das Produkt weich und wasserdicht,<br />
eine nächste Schicht stärkt es. In<br />
«Eine Bambus-Pflanze produziert rund 30 Prozent mehr<br />
Sauerstoff als ein herkömmlicher Baum.»<br />
einer Machete in Streifen geschnitten und<br />
gerollt, damit das Material biegsam <strong>wir</strong>d.<br />
Bis zu 14 lackSchichten<br />
Nun ist es an den Kunsthandwerkern, aus<br />
den Streifen eine Salatschale zu formen, die<br />
moderne westliche Ästhetik und asiatische<br />
Tradition in sich vereint. Die Bambus-Streifen<br />
werden um eine Steinform gelegt, mit<br />
Harz zusammengeklebt, getrocknet, geschliffen<br />
und poliert. Danach beginnt ein<br />
anspruchsvoller Prozess, bei dem die Schale<br />
12 bis 14 Mal mit verschiedenen Mischungen<br />
aus Harz vom Sumac-Baum, Cashewfasern,<br />
Bambus-Sägemehl sowie Auenerde<br />
aus dem chinesisch-vietnamesischen Roten<br />
weiteren zehn Arbeitsschritten <strong>wir</strong>d das<br />
Produkt nach dem Lackieren abgeschmirgelt,<br />
gewaschen und getrocknet. Diese Phase<br />
dauert 30 bis 60 Tage. Schliesslich erhält die<br />
Schale zwei letzte Lackschichten, die ihr eine<br />
einzigartige Farbe verleihen.<br />
Abwanderung verhindern<br />
Bei diesem aufwändigen Verfahren arbeitet<br />
Ekobo mit rund 300 vietnamesischen<br />
Handwerkern zusammen, die dank der Zusammenarbeit<br />
mit Ekobo ihr Einkommen<br />
verdoppelt haben. «Wir garantieren den Herstellern<br />
langfristige Abnahme, regelmässige<br />
Aufträge über das Jahr und ermöglichen auf<br />
diese Weise höhere Löhne als marktüblich»,<br />
Bilder: Im Caritas-Fairtrade sind von der Firma<br />
Ekobo erhältlich: Salatschüsseln, Salatbesteck<br />
und Schalen aus Vietnam in zwei Ausführungen<br />
sowie in den Farben Rot und Lime.<br />
sagt David Chaouat. So erhält die Firma einerseits<br />
das uralte Bambus-Handwerk in den<br />
Dörfern, und verhindert andererseits die Abwanderung<br />
der Handwerker in die grossen<br />
Städte. Schliesslich steht Ekobo für die Verbesserung<br />
der lokalen Arbeitsbedingungen,<br />
die Abschaffung der Kinderarbeit und eine<br />
umweltfreundliche Produktion. Jene Kunsthandwerker,<br />
die ein eigenes Geschäft eröffnen<br />
möchten, erhalten Beratung und finanzielle<br />
Unterstützung. (dos)<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 29
Caritas-Menschen<br />
FrEudE an siChtBarEn<br />
rEsultatEn<br />
Fünf Jahre nach der pensionierung<br />
stiess richard glückler auf das Caritas<br />
Stelleninserat «Chefdelegierter in Haiti».<br />
Ein glücksfall für beide Seiten.<br />
Richard Glückler ist im Leben viel herumgekommen<br />
in der Welt – doch Haiti kannte<br />
er vor der Caritas nicht. Energiegeladen und<br />
30 Caritas «Menschen» 4/12<br />
Glückler schon voll und ganz mit seiner<br />
Aufgabe. Er baut im erdbebenbetroffenen<br />
Gebiet 1700 Wohnhäuser und sieben Schulen.<br />
Zum Projekt sagt er: «Ein Tropfen auf<br />
den heissen Stein, aber einer mit sichtbarem<br />
Nutzen für die lokale Bevölkerung.» Dabei<br />
sei es ihm wichtig, dass die Menschen sich<br />
an den Bauarbeiten beteiligen, eine hand-<br />
«Die Caritas kann beim Wiederaufbau einen Qualitätsstandard<br />
setzen.»<br />
anschaulich schildert der 62-Jährige die ersten<br />
Eindrücke: «Armut und Chaos von fast<br />
apokalyptischem Ausmass, als würdest du<br />
dich durch eine einzige Müllhalde bewegen.<br />
Und auf der anderen Seite unerschütterliche<br />
Hoffnung und der Wille der Menschen,<br />
trotz allem etwas aus sich zu machen.»<br />
Nach knapp fünf Monaten identifiziert sich<br />
werkliche Ausbildung erhalten und «dass<br />
sich die internationalen Mitarbeiter der Caritas<br />
Suisse langfristig überflüssig machen.»<br />
Das Häuserprojekt geriet wegen des komplexen<br />
Umfeldes immer wieder in Verzug:<br />
Die Zufahrt zu den entlegenen Berggebieten<br />
ist schwierig, die Klärung der Landrechte<br />
und die basisdemokratischen Prozesse in<br />
Bild: Richard Glückler baut zusammen mit der<br />
lokalen Bevölkerung 1700 Häuser und sieben<br />
Schulen in Haiti.<br />
den Gemeinschaften sind kompliziert. Und<br />
doch könne die Caritas mit ihren Häusern<br />
einen Qualitätsstandard beim Wiederaufbau<br />
setzen: «Am schönsten wäre es, wenn<br />
alle Haitianer sagen würden: Ich will auch<br />
ein Caritas-Haus.»<br />
von der Swiss re zur Caritas<br />
Die Stelle als Chefdelegierter in Haiti habe<br />
ihn sozusagen gefunden, sagt Glückler, der<br />
schon seit Jahren für die Caritas spendet.<br />
Für den ausgebildeten Bauingenieur, der sich<br />
während der Pension seinen zahlreichen Interessen<br />
wie Bergsport oder Musik gewidmet<br />
hatte, schliesst sich damit ein Kreis.<br />
Denn nach diversen Erfahrungen im Tiefbau<br />
und einigen Jahren Entwicklungszusammenarbeit<br />
in Kamerun, Bereich ländliche<br />
Infrastruktur-Projekte, war Glückler fast<br />
dreissig Jahre lang bei der Swiss Re tätig. Er<br />
beurteilte internationale Infrastrukturprojekte,<br />
hatte leitende Funktionen inne, war<br />
viel im Ausland und Mitglied der Geschäftsleitung<br />
der Division Europa. «Sowohl Swiss<br />
Re wie auch Caritas leisten Erste Hilfe im<br />
Katastrophenfall.» Auch beschäftige sich<br />
das Rückversicherungsgeschäft in den letzten<br />
20 Jahren mehr und mehr mit globalen<br />
Problemen wie Überschwemmungen, Hungersnöten<br />
und Klimawandel und investiere<br />
im eigenen Interesse in die Verminderung<br />
von Risiken. Von Caritas könne die Wirtschaft<br />
lernen, den Menschen auch beim zahlenorientierten<br />
Business nicht zu vergessen.<br />
Und er selbst könne der Caritas aus seiner<br />
Wirtschafts-Erfahrung helfen, die Spendengelder<br />
noch zielorientierter und effizienter<br />
einzusetzen. (dos)<br />
Bild: Marco Bamberger/Caritas <strong>Schweiz</strong>
«and thE WinnEr is…»<br />
youngCaritas zeichnet jährlich die erfolgreichsten<br />
projekte von jungen Menschen<br />
aus, die sich für eine bessere<br />
Welt einsetzen. An der diesjährigen<br />
preis verleihung am 10. november in<br />
luzern wurde neben dem Hauptpreis<br />
auch ein FairtradeAward verliehen.<br />
Über hundert junge Menschen warteten gespannt,<br />
wer dieses Jahr den youngCaritas-<br />
Award entgegennehmen darf. Begehrt ist der<br />
Preis, weil er den Preisträgern ermöglicht, in<br />
ein südliches Land zu reisen, Caritas-Projekte<br />
hautnah zu erleben und so einen Einblick<br />
in eine ganz andere Welt zu gewinnen.<br />
leitungswasser hilft<br />
Die diesjährigen Gewinner heissen Lior und<br />
Morris Etter und wohnen in Kriens. Ausgezeichnet<br />
wurden sie für ihr Projekt «Wasser<br />
für Wasser». Die Kernidee: Gastrobetriebe<br />
verlangen für den Ausschank von Leitungswasser<br />
einen Betrag, der in Wasserprojekte<br />
in Asien und Afrika investiert <strong>wir</strong>d. Über 30<br />
Restaurants und Catering-Betriebe in der<br />
Zentralschweiz folgten dieser Idee und<br />
schenken nun Leitungswasser in speziellen<br />
«Wasser für Wasser»-Karaffen aus.<br />
Die ökologische Strandlounge<br />
Zum zwanzigjährigen Jubiläum der Max<br />
Havelaar-Stiftung (<strong>Schweiz</strong>) verliehen Max<br />
Havelaar und youngCaritas an der diesjäh-<br />
rigen Preisverleihung zudem einen Fairtrade-Award.<br />
Ausgezeichnet wurde der Verein<br />
FAIR. aus Biel, der sich auf originelle<br />
Weise für nachhaltigen Konsum einsetzt.<br />
Nebst anderen Projekten hat sich der Verein<br />
FAIR. zum Ziel gesetzt, bereits nächstes Jahr<br />
Bilder: zVg, Irene Reis/20 Minuten<br />
Bilder: Lior und Morris Etter sind mit ihrem<br />
Projekt «Wasser für Wasser» die Träger<br />
des youngCaritasAwards 2012 (oben).<br />
Der Verein FAIR. aus Biel gewann den Fairtrade-Award<br />
(rechts).<br />
die BAR., den ersten komplett ökologisch<br />
funktionierenden Barbetrieb der <strong>Schweiz</strong>, zu<br />
eröffnen. Ab kommendem Frühjahr werden<br />
in der Strand-Lounge am Bielersee in Nidau<br />
ausschliesslich biologische, ökologische und<br />
fair gehandelte Getränke ausgeschenkt. Die<br />
«Besonders begeistert hat uns die hohe Qualität der<br />
eingereichten Projekte.»<br />
BAR. <strong>wir</strong>d mit Ökostrom betrieben, die<br />
CO 2-Emissionen werden dabei vollständig<br />
kompensiert.<br />
Insgesamt dreizehn Projekte waren dieses<br />
Jahr für die beiden Awards nominiert.<br />
Dahinter steht das soziale Engagement von<br />
über hundert jungen Menschen. «Besonders<br />
begeistert hat uns die hohe Qualität der eingereichten<br />
Projekte, die zum Teil regelrechte<br />
Geschäftsideen umfassen», lobte Jury-Mitglied<br />
Natalia Durrer von der Max Havelaar-<br />
Stiftung (<strong>Schweiz</strong>). (sg)<br />
Weitere Informationen zur Award-Verleihung<br />
und zu den eingereichten Projekten:<br />
www.youngcaritas.ch/award<br />
«Menschen» 4/12 Caritas 31
Ein Licht anzünden:<br />
ein Zeichen setzen<br />
Samstag, 15. Dezember 2012<br />
ab 16 Uhr in Ihrer Nähe<br />
Alle Veranstaltungsorte finden Sie auf<br />
www.einemillionsterne.ch