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Adventskalender 2013 mit Texten von Prälat Dr. Betram Meier

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Leib erfahren und durchlitten. Er ist eine Persönlichkeit, in deren Biographie<br />

sich die großen Ereignisse der damaligen Geschichte widerspiegeln. Jochen<br />

Klepper stammt aus einem evangelischen Pfarrhaus in Beuthen, hat aber<br />

seine eigene theologische Laufbahn abgebrochen, um sich mehr dem<br />

literarischen und journalistischen Metier zuzuwenden. 1931 heiratet er die<br />

um dreizehn Jahre ältere Witwe Johanna Gerstel-Stein, eine Frau jüdischer<br />

Herkunft, und lebt seither <strong>mit</strong> ihr und ihren beiden Töchtern in Berlin.<br />

Diese Heirat reicht aus, um ihn in die Walze des braunen Regimes<br />

hineinzuziehen und in Lebensgefahr zu bringen. Sein antise<strong>mit</strong>isch<br />

eingestellter Vater bricht alle Verbindungen zu seinem Sohn ab, seine<br />

Existenz als Theologe und Schriftsteller ist bedroht: Wegen der Ehe <strong>mit</strong> einer<br />

Jüdin verliert er zunächst seine Arbeitsstelle beim Rundfunk, der Vertrag<br />

<strong>mit</strong> dem Ullstein-Verlag wird gekündigt aus demselben Grund. Schließlich<br />

wird er auch aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, was einem<br />

Veröffentlichungsverbot gleichkommt, obwohl Adolf Hitler kurz zuvor seinen<br />

Roman „Der Vater“ über den preußischen Soldatenkönig Friedrich I. als<br />

Weihnachtsgabe an Freunde verschenkt hatte. Der Familie Klepper wird die<br />

Lebensgrundlage entzogen.<br />

Ein Jahr, nachdem er sein Adventslied gedichtet hat, brennen am 9.<br />

November 1938 in Deutschland die Synagogen. Jüdische Männer und Frauen<br />

werden enteignet, deportiert, ermordet. Papst Pius XI. schreibt seine Enzyklika<br />

„Mit brennender Sorge“, während das KZ Buchenwald ausgebaut wird, um für<br />

die sog. Endlösung vorbereitet zu sein. Wie hoffnungsfroh klingt da sein Lied<br />

<strong>von</strong> der Nacht, in die ein Lichtstrahl scheint:<br />

„Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und Schuld.<br />

Doch wandert nun <strong>mit</strong> allen der Stern der Gotteshuld.“<br />

Jochen Klepper steht vor der gnadenlosen Alternative: Entweder er verlässt<br />

seine Frau, die er liebt und die er als seine „Rettung“ bezeichnet, und<br />

überlässt sie <strong>mit</strong>samt den beiden Töchtern dem unentrinnbaren Tod; oder<br />

aber er bleibt an der Seite seiner Frau und wird <strong>mit</strong> ihr den Todeslagern<br />

ausgeliefert. Die Möglichkeit der Flucht, die sie später noch versuchen, wird<br />

Adolf Eichmann ihnen verschließen. Frau Klepper und ihre Töchter müssen den<br />

Judenstern tragen. Der großen Tochter gelingt es zwar noch, nach Schweden<br />

auszureisen, für den Rest der Familie Klepper zieht sich der Knoten aber<br />

immer mehr zu. Als im Advent 1942 die Deportation ins Vernichtungslager<br />

unausweichlich ansteht, entschließen sich die Kleppers, gemeinsam aus<br />

dem Leben zu scheiden. In der Nacht zum 11. Dezember 1942 begehen die<br />

drei Selbstmord. Die Nacht ist vorgedrungen, stockdunkel, aussichtslos. Am<br />

Vorabend seines Todes notiert Jochen Klepper in sein Tagebuch: „Wir gehen<br />

heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden<br />

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