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Aus- und Weiterbildung - AHK Marokko - AHKs

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Pressestimmen | Rapport presse<br />

Korrespondent<br />

Marc Dugge<br />

Die Sehnsucht nach dem Brot :<br />

Warum ein deutscher Bäcker nach <strong>Marokko</strong> geht<br />

Bäckermeister ist nicht gerade der Beruf, der einen üblicherweise in fremde Kulturen <strong>und</strong> auf andere<br />

Kontinente bringt. Und doch genießt der Hamburger Bäckermeister Tim Lange genau das: Durch die Welt<br />

zu reisen, um anderen Menschen das näherzubringen, was den Deutschen ihr Liebstes ist: Ein gutes Brot.<br />

Im marokkanischen Casablanca schult er derzeit mittellose Frauen im Backhandwerk. Und die deutsche<br />

<strong>Aus</strong>lands-Gemeinde freut sich. Endlich mal wieder ein Roggenmischbrot!<br />

‘‘Mal sehen, was die Frauen gemacht haben“, sagt Tim <strong>und</strong><br />

zieht die Bleche aus dem Ofen. Er klopft gegen das Brot – der<br />

klassische Weg, um zu prüfen, ob es fertig ist. Dann schneidet er<br />

es auf.<br />

‘‘Die Kruste ist schon super... alles bestens! Schön weich, schön<br />

gräuliche Färbung – <strong>und</strong> der Duft ist auch hervorragend.“<br />

Da liegen sie <strong>und</strong> dampfen: Feste, knusprige, hellbraune<br />

Roggenmischbrote. Tim Lange kennt die leuchtenden Augen<br />

der Deutschen, wenn sie sein Brot in den Händen halten. Im<br />

Weißbrotland <strong>Marokko</strong> ist das für viele gleichbedeutend mit dem<br />

siebten Himmel.<br />

‘‘Die reißen mir das aus der Hand. Die sagen: ‘‘Bring es uns vorbei!<br />

Wir frieren es uns ein!“ Die haben eine unglaubliche Sehnsucht<br />

danach!“<br />

Aber Tim ist nicht von Hamburg nach Casablanca gekommen, um<br />

das Heimweh der Deutschen zu kurieren. Sondern um ein gutes<br />

Werk zu tun. Der 36jährige arbeitet für ‘‘Brot gegen Not“, ein<br />

Projekt der Heiner-Kamps-Stiftung. Im <strong>Aus</strong>bildungszentrum des<br />

SOS-Kinderdorfs von Sidi Bernoussi schult er zwölf Frauen im<br />

Bäckerhandwerk. Eine von ihnen ist Saba:<br />

‘‘Ich hoffe, ich werde eine große Bäckerin. Ich will mich auf Brote<br />

spezialisieren. Vielleicht machen wir später eine Kooperative auf“,<br />

sagt Khadija. ‘‘Wir wollen arbeiten <strong>und</strong> Geld verdienen. Backen ist<br />

nicht einfach - aber wir haben mittlerweile Übung darin.“<br />

Beide Frauen sind mittellos. Sie sind von ihren Männern im Stich<br />

gelassen worden – mitsamt ihren Kindern. Während sie in der<br />

Backstube den Teig kneten, spielen die Kinder in der Krippe einen<br />

Stock höher.<br />

Saba gießt Wasser in die Knetmaschine - genau 1900 Milliliter.<br />

Dann gibt sie Hefe <strong>und</strong> Mehl dazu. Die genauen Mengen der<br />

Zutaten hat Tim an die große weiße Blechtafel geschrieben.<br />

‘‘Auf die Tafel schreibe ich die Tagespläne. Heute machen wir<br />

Croissants <strong>und</strong> Roggenmischbrote. Dazu habe ich dann Rezepte<br />

aufgeschrieben. Das habe ich schon ins Französische übersetzt,<br />

Bilatéral — 54 — juillet 2011<br />

das ist einfacher für die Frauen. Ich habe das Glück, das ein oder<br />

zwei Frauen Französisch sprechen <strong>und</strong> lesen können.“<br />

Lesen <strong>und</strong> schreiben können nur die wenigsten von ihnen. Und<br />

die meisten Frauen sprechen ausschließlich Arabisch – Tim<br />

aber nur englisch. So findet Kommunikation in einem Gemisch<br />

aus Arabisch, Englisch, Französisch <strong>und</strong> Deutsch statt. Und in<br />

Zeichensprache.<br />

‘‘Ich habe mir schon Zettel an die Maschinen gemacht! Damit ich<br />

weiß, was es bedeutet.“<br />

Tim muss ziemlich oft improvisieren. Sahne zum Beispiel gibt es<br />

in <strong>Marokko</strong> nicht. Zumindest nicht in Mengen, die über ein kleines<br />

Tetrapak hinausgehen. Die Hitze verhindert, dass ein Sauerteig<br />

gären kann. Und Roggenmehl muss aus Europa importiert werden<br />

– ein Sack kostet dreimal so viel wie in Deutschland.<br />

‘‘Wenn ich Roggenmehl habe, kann ich nur Roggenmischbrot<br />

herstellen, mit Weizen. Ich habe keine Körner oder Schrot, um<br />

einen Sauerteig zu machen. Und ein Roggenmischbrot geht ohne<br />

Sauerteig. Damit kriegen wir schon eine ziemlich gute Qualität<br />

hin, die es sonst in <strong>Marokko</strong> nicht gibt“.<br />

Aber es gibt auch Backwaren, die es in dieser Qualität in<br />

Deutschland nicht gibt. Wo Tim sich ehrfürchtig vor seinen<br />

marokkanischen Kollegen verneigt:<br />

‘‘Patisserie, Kleinigkeiten, Snacks, kleine Kuchen – da sind sie echt<br />

fit. Das ist unglaublich, was die da machen“.<br />

Tim hofft, dass sein Wissen in <strong>Marokko</strong> aufgeht wie ein Hefeteig.<br />

Dass die Frauen nach ihrem Diplom ihre eigenen Brötchen<br />

verdienen können. Dass sie Unterstützung bekommen, um eine<br />

Bäckerei aufzumachen – um weiterhin <strong>Marokko</strong> mit feinem Brot<br />

zu versorgen. Tim ist sich sicher: Einen Markt gibt es dafür. Denn<br />

schließlich kennt er den sehnsüchtigen Blick seiner Landsleute.<br />

Marc Dugge, Rabat

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