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Rotary Magazin 10/2023

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SCHWERPUNKT – ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN – OKTOBER <strong>2023</strong><br />

ROTARIER IM FOKUS<br />

«WIR MÜSSEN MENSCHEN G<br />

30<br />

Wissenschaft und Praxis sind eng miteinander verflochten. Das<br />

beweist das Beispiel der Gynäkologin, Titularprofessorin und<br />

Rotarierin Verena Geissbühler. Sie erklärt, weshalb sie ihre Habilitationsschrift<br />

dem Thema Wassergeburten gewidmet hat:<br />

«Es ging mir darum, etwas zu erforschen, das aktuell war, und<br />

Antworten auf Fragen zu erhalten, die einen direkten Bezug zu<br />

meiner täglichen Arbeit hatten.»<br />

«Riesenzellgranulome im Kiefer,<br />

Histologie und Epidemiologie», so lautet<br />

der Titel Ihrer Dissertation im Jahr 1985.<br />

Dem Laien kommt das spanisch vor.<br />

Diese Dissertation war meine erste<br />

wissenschaftliche Arbeit. Riesenzellgranulome<br />

sind Schwellungen im Kieferbereich.<br />

Sie treten immer häufiger auf.<br />

Wie kamen Sie auf dieses Thema?<br />

Der Nachbar meiner Eltern, ein Knochenpathologe,<br />

hat mich auf diese Krankheiten<br />

aufmerksam gemacht. Das war im<br />

vierten Jahreskurs meines Medizinstudiums.<br />

In dieser Phase ist man offen für alle interessanten<br />

Themen.<br />

Wollten Sie schon als Kind andere<br />

Welten entdecken?<br />

Ja. Eigentlich wollte ich Archäologin<br />

werden. Ich war neugierig, etwas auszugraben<br />

und herauszufinden, worum es<br />

sich dabei handelt, und wollte Neues<br />

entdecken.<br />

Das hat Sie vor etwa 20 Jahren motiviert,<br />

sich zu einem Forschungsaufenthalt in<br />

Cape Town einzuschreiben?<br />

Ich hatte damals schon Praxiserfahrungen<br />

als leitende Ärztin in Frauenfeld, war<br />

bereits wissenschaftlich tätig und stand<br />

davor, mich habilitieren zu lassen. Darauf<br />

vorbereiten wollte ich mich nicht an einer<br />

Schweizer Universität, sondern extern,<br />

verbunden mit einem Auslandaufenthalt.<br />

Im Rahmen Ihrer Habilitation haben Sie<br />

sich auf Wassergeburten konzentriert?<br />

Davor sammelte ich innerhalb von<br />

fünfzehn Jahren an die 15 000 Daten über<br />

Geburtshilfe, davon etwa 5000 über Wassergeburten.<br />

Wassergeburten waren vor<br />

zwanzig, dreissig Jahren ein Riesenthema.<br />

Aus diesem Grund erachtete ich es als<br />

naheliegend, meine Habilitationsschrift<br />

dieser neuen Gebärmethode zu widmen.<br />

Es ging mir darum, etwas zu erforschen,<br />

das aktuell war, und Antworten auf Fragen<br />

zu erhalten, die einen direkten Bezug<br />

zu meiner täglichen Arbeit hatten.<br />

Erklären Sie uns die Urogynäkologie?<br />

Offiziell existiert dieses Fach erst seit<br />

2016. Es beschäftigt sich im weitesten Sinn<br />

mit Ursachen, welche im Beckenboden der<br />

Frau zu Beschwerden führen könnten. Das<br />

Durchschnittsalter der Frauen ist seit 1930<br />

von 57 auf heute 85 Jahre angestiegen,<br />

Frauen werden immer älter. Mit dieser<br />

Tendenz hat auch die Anzahl von Beckenbodenerkrankungen<br />

zugenommen. Gerade<br />

deswegen hat sich die Urogynäkologie zu<br />

einem wichtigen Schwerpunkt in der Gynäkologie<br />

entwickelt.<br />

Für Ihre Arbeiten wurden Sie unter<br />

anderem als Mit-Preisträgerin des<br />

European Urology price 2007 der Astellas<br />

European foundation ausgezeichnet.<br />

Welche Bedeutung haben solche Preise?<br />

Eine ausserordentliche. Geehrt wird<br />

nicht eine einzelne Person, sondern ein<br />

ganzes Team. Wer sich um einen solchen<br />

Preis bewirbt, muss eine grosse Vorarbeit<br />

leisten, ein Projekt beschreiben und sich<br />

verpflichten, Projektziele umzusetzen. Die<br />

Preissumme dient auch dazu, die Studien<br />

weiterzuführen. Etwa, indem man zusätzliche<br />

Mitarbeiter beiziehen kann, um<br />

Daten zu generieren und auszuwerten.<br />

2005 waren Sie Mitgründerin des<br />

Blasenzentrums Frauenfeld, später<br />

Leiterin des neu gegründeten interdisziplinären<br />

Blasenzentrums Nordwestschweiz<br />

am Bethesda Spital in Basel.<br />

Was bezwecken solche Zentren?<br />

Schon vor 18 Jahren war mir klar: All<br />

dem, was im Beckenboden zusammentrifft,<br />

kann man nicht als Einzelkämpferin<br />

begegnen, sondern nur mit dem Fachwissen<br />

aus Gynäkologie, Psychologie, Viszeralchirurgie,<br />

Physiotherapie und Pflege.<br />

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist<br />

unerlässlich. An beiden Orten beabsichtigten<br />

wir, Kompetenzzentren für die<br />

Behandlung von Beckenbodenerkrankungen<br />

zu schaffen und gleichzeitig auch die<br />

Basis für Zusatzausbildungen in diesem<br />

Fach zu legen.<br />

Was erwarten Sie von Ihren Patientinnen<br />

bezüglich ihrer gesundheitlichen<br />

Vorsorge, namentlich punkto Krebs-<br />

Früherkennung?<br />

Die Krebs-Früherkennung ist bei uns in<br />

der Schweiz etabliert. Ich stelle fest, dass<br />

Frauen ein viel höheres Gesundheitsbewusstsein<br />

haben als Männer. Nebst<br />

Krebserkrankungen gibt es jedoch noch<br />

andere, bedeutende Risikofaktoren wie<br />

Übergewicht oder Stressbelastungen,<br />

über die man miteinander reden und prüfen<br />

muss, wie man da präventiv wirken<br />

kann. Aber es ist schon so: Jede Person<br />

entscheidet selbst, wie viel ihr die eigene<br />

Gesundheit wert ist.<br />

Ärztinnen und Ärzte tragen bei der<br />

Ausübung ihres Berufes eine immense<br />

Verantwortung, ihr Handeln kann bei<br />

ihren Patienten über Sein oder Nichtsein<br />

entscheiden. Wie gehen Sie persönlich<br />

mit dieser Verantwortung um?<br />

Über allem steht die Prämisse: Wir<br />

müssen Menschen gerne haben, uns für<br />

ihre Anliegen und ihr Wohlbefinden interessieren.<br />

Selbstverständlich befassen wir<br />

uns auch mit ethischen Aspekten. Permanente<br />

Fortbildungen gehören da dazu.<br />

Angehende Ärztinnen und Ärzte werden

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