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Heft 4 (2009) - Igda.net

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Christiane Engelmann<br />

Im April 1985 heiratete unsere einzige<br />

Tochter. Wir hatten vor, ein schönes Familienfest<br />

zu feiern. Die Schwester unseres<br />

Schwiegersohnes war jedoch mit ihrer Familie<br />

einige Jahre zuvor aus der DDR in die BRD<br />

umgezogen. Strafe muss sein, sie bekam auf<br />

unseren Antrag hin keine Erlaubnis, an der<br />

Hochzeit ihres Bruders teilzu-nehmen. Die<br />

Einreise in die DDR wurde ihr verweigert.<br />

Da sie ihre Schwägerin und die dazugehörige<br />

Familie kennenlernen wollte, wir ebenfalls<br />

diesen Wunsch hatten, vereinbarten<br />

wir ein Familientreffen auf dem Boden der<br />

Tschechoslowakei, in Eger (Cheb). Aus Ost<br />

und West reisten alle der Familie zugehörigen<br />

Jungen und Alten an, wir verlebten<br />

frohe gemeinsame Stunden 1986 bei herrlichem<br />

Spätsommerwetter und trennten uns<br />

schweren Herzens wieder.<br />

Wir hatten in unserem Lada unsere hochschwangere<br />

Tochter mitgenommen, da er<br />

bequemer war als der Trabant des Schwiegersohnes.<br />

Im Trabant war der Bruder aus<br />

Leipzg mit angereist. Auf der Heimfahrt<br />

benutzten die beiden Männer, wieder Richtung<br />

Leipzig fahrend, einen anderen Grenzübergang<br />

als wir.<br />

Als wir im Dunklen die Grenze der DDR<br />

bei Reizenhain erreichten, schienen die<br />

Zollorgane regelrecht auf uns gewartet zu<br />

haben. Sie nahmen uns die Pässe ab und ließen<br />

uns dann eine halbe Stunde im Dunklen<br />

stehen, einfach so. Wir waren die Einzigen an<br />

der Grenze. Dann kamen sie zum Auto und<br />

fingen an, uns nach dem wohin und woher zu<br />

befragen. Da das Treffen mit Westdeutschen<br />

in der CSSR unerwünscht war, erzählten wir<br />

von einem Wochenendausflug, was ja auch<br />

stimmte. Nun mussten wir den Kofferraum<br />

öffnen, und da entdeckten die Zöllner einen<br />

Korb voller Südfrüchte, welche ein Hinweis<br />

auf Westkontakt waren. Sofort kam die Frage<br />

ProSa<br />

Grenzübergang 1986<br />

Ein Tatsachenbericht<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 11<br />

nach dem Spender des Obstes. Ich muss<br />

gestehen, dass ich die Beherrschung verlor<br />

und sehr laut und deutlich meine Meinung<br />

gesagt habe. Ich habe regelrecht gebrüllt,<br />

wie gerne ich diese Früchte für unsere<br />

schwangere Tochter in Dresden gekauft<br />

hätte, wenn es sie nur gäbe. Wie gern ich die<br />

westdeutschen Verwandten zur Hochzeit<br />

oder irgendwann im Jahr als Gäste in der<br />

DDR bewirtet hätte, wenn sie hätten kommen<br />

dürfen. Ich war sehr wütend und aufgeregt<br />

und habe sie noch darauf aufmerksam<br />

gemacht, dass unsere Tochter im Auto kurz<br />

vor der Entbindung sei und ihr Kind nicht in<br />

Reizenhain zur Welt kommen solle.<br />

Nachdem sich die Kontrollorgane noch einmal<br />

zurückgezogen und telefoniert hatten,<br />

durften wir nach Hause fahren, mit den Südfrüchten.<br />

Wir hatten fast zwei Stunden am<br />

Kontrollpunkt verbracht.<br />

Ich war dermaßen aufgebracht und ärgerlich,<br />

dass ich zu Hause Beruhigungsmittel<br />

schlucken musste.<br />

Diese Erlebnisse gehören mit in unser Leben<br />

und haben nicht dazu beigetragen, uns für<br />

die DDR und den praktizierten Sozialismus<br />

zu begeistern.

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