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einem Zustand lethargischer Jenseitsfreude,<br />
wie ihn nur ein langzeitgefolterter Mensch<br />
nachvollziehen kann, der endlich den<br />
erlösenden Genickschuss bekommt.<br />
Irgendwann hörte er auf und der lästige<br />
Druck über mir verschwand wieder. Der<br />
Bote schien fertig zu sein und klebte nun<br />
die Empfängerkarten auf die Kartons. Mein<br />
Karton schien der letzte zu sein, den er mit<br />
einem klatschenden Geräusch hinter meinem<br />
gebeugten Rücken reisefertig machte. Kurz<br />
danach rumpelte eine Sackkarre durch die<br />
Garage.<br />
Und dann lud er mich auf.<br />
Ich wurde zur Seite gekippt, unter Stöhnen<br />
und fremdsprachlichen Flüchen (ich hatte<br />
mich inzwischen dazu entschlossen, dass<br />
er doch Türke sein musste) in eine leichte<br />
Schräglage versetzt und dann einige<br />
Meter weit aus der Garage bis zu seinem<br />
Transporter gerollt, wo ich kurzerhand auf<br />
den Kopf gestellt wurde.<br />
Idiot, schoss es mir durch den Kopf,<br />
kannst du nicht lesen? Fragile! Handle with<br />
care! Nicht stürzen! Vermutlich war der Bote<br />
ein Emigrant aus Schwarzafrika. Obwohl –<br />
pfeifen und schreiben konnte er offenbar.<br />
Egal.<br />
Ich versuchte, wieder flach und bewusst<br />
zu atmen, schloss ergeben meine Augen,<br />
dachte an gewisse Stellungen mit Carola<br />
und wartete ab.<br />
Er stellte den Karton tatsächlich wieder<br />
aufrecht, so wie es auch die entsprechenden<br />
Beschreibungen auf dem Karton<br />
vorschrieben. Mittlerweile versuchte ich<br />
gar nicht mehr, die Augen zu öffnen, um<br />
die absolute Dunkelheit zu durchdringen,<br />
sondern verließ mich in immer stärkerem<br />
Maße auf meine anderen Sinne.<br />
Es war erstaunlich, selbst für einen<br />
Mediziner wie mich, festzustellen, wie schnell<br />
man auf einen scheinbar lebensnotwendigen<br />
Sinn verzichten kann. Die Nase übernahm<br />
plötzlich die Kontrolle über meine nächste<br />
ProSa<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 17<br />
Umwelt. Styropor hat einen ganz eigenen,<br />
unverwechselbaren Geruch in so einer<br />
Situation. Auch der Karton lebt – alle<br />
paar Zentimeter verströmt der Abfallstoff<br />
seine eigene Nuance, die zu beschreiben<br />
selbst die Phantasie eines Stephen King<br />
überstrapazieren dürfte. Über Heu, Blut und<br />
Schweiß bis hin zu diversen menschlichen<br />
Ausdünstungen und sogar anorganischen,<br />
metallischen Verbindungen wie verloren<br />
gegangenen Auspuffrohren oder dem<br />
typischen Ampèregeruch eines elektrischen<br />
Kurzschlusses – alles war seltsam intensiv zu<br />
erriechen. Und während sich das Fahrzeug<br />
in Bewegung setzte, irgendwelche Berliner<br />
Straßen durchquerte, an unsichtbaren roten<br />
Ampeln oder vor die Straße überquerenden<br />
Fußgängern stehen blieb und ruckelnd (das<br />
Getriebe schien Probleme mit dem ersten<br />
Gang zu haben) und widerspenstig wieder<br />
Fahrt aufnahm, dachte ich notgedrungen<br />
noch einmal über Erfolg und Misserfolg<br />
meiner Mission nach.<br />
Carola. Zufällig kennen und lieben gelernt<br />
auf einer Party meines Freundes Harald, wo<br />
er sie mir vorgestellt hatte. Drei Wochen lang<br />
das perfekte Glück. So lange, bis ich einer<br />
dummen Eingebung folgend versucht hatte,<br />
sie betrunken zu machen, um endlich ...<br />
»So schnell geht das nicht«, hatte sie mich<br />
wiederholt abgewehrt. »Ich möchte dich erst<br />
besser kennen, bevor ich mit dir schlafe. Das<br />
verstehst du doch sicher?«<br />
Ich hatte verständnisvoll genickt und ihr<br />
weiter eingeschenkt. So lange, bis sie auf<br />
meiner Couch eingeschlafen war. Doch als<br />
ich sie in mein Schlafzimmer tragen wollte,<br />
wachte sie schlagartig auf.<br />
Wenige Worte danach und eine schallende<br />
Ohrfeige später stand sie unten auf der<br />
Strasse und kletterte in das Taxi, ohne sich<br />
noch einmal umzudrehen. Sie ging nicht ans<br />
Telefon, beantwortete keine Mails und öff<strong>net</strong>e<br />
nie auf mein Läuten an ihrer Haustür.<br />
So wandte ich mich an ihren Cousin Harald.<br />
Er hatte schließlich den Vorschlag gemacht<br />
und mich zum Mitmachen überredet ...