24.02.2013 Aufrufe

Heft 4 (2009) - Igda.net

Heft 4 (2009) - Igda.net

Heft 4 (2009) - Igda.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

den Erwachsenen. Der Lärm kam näher.<br />

Nun hörte man die Ketten an die Außentür<br />

schlagen. Nach drei, vier schweren Schritten<br />

pochten wuchtige Schläge an die Küchentür<br />

und schon ging sie auf. Herein traten<br />

zwei riesige, Furcht erregende Gestalten,<br />

gekleidet in Sackleinen und vielerlei Fell. Ich<br />

saß zu vorderst neben einem Tischbein und<br />

sah ihre Knüppel und einen großen Sack.<br />

Einer hatte einen langen grauen Bart, der<br />

andere ein mit Ruß verschmiertes schwarzes<br />

Gesicht und schwarze Hände. „Sind hier<br />

keine anderen Kinder im Haus?“ ertönte die<br />

tiefe Stimme des Bärtigen. „Ich sehe nur ein<br />

Mädchen. Wo ist der freche Bube, den der<br />

Krampusz sucht?“ Tihamér fing nun wieder<br />

an zu kreischen. Wir Kleinen stimmten ein.<br />

Der Krampusz bückte sich, griff mit seiner<br />

schwarzen Hand an mir vorbei und holte<br />

sich Tihamér zielsicher mit einem Ruck<br />

unter dem Tisch hervor und klemmte ihn<br />

unter die Achsel. Da zappelte er nun, kratzte<br />

und schlug um sich, um sich zu befreien und<br />

schrie ein ums andere Mal „Ich will mich<br />

bessern, ich will mich bessern.“ Wir Kleinen<br />

krochen weinend zu unseren Müttern, die<br />

uns auf den Arm nahmen. Der Mikolás half<br />

nun, den großen Sack zu öffnen. Schon steckte<br />

Tihamér halb drin, da schrieen alle: „Nein,<br />

nein, lass ihn da. Er will sich bessern.“ Der<br />

Krampusz ließ ihn noch ein wenig zappeln,<br />

dann stellte er ihn auf den Boden. Ruckzuck<br />

war Tihamér weg und verschwand unter<br />

dem Küchensofa. Während der Krampusz<br />

mit der Kette rasselte und herumschimpfte,<br />

dass man ihn nicht einmal die frechsten<br />

Buben mitnehmen lässt, kramte der Mikolás<br />

aus einem kleineren Sack Walnüsse und<br />

getrock<strong>net</strong>e Birnen heraus und legte sie<br />

auf den Tisch. Er mahnte dann die Kinder,<br />

immer brav zu sein und den Krampusz, sich<br />

endlich zu beruhigen. Er wünschte noch eine<br />

gute Vorweihnachtszeit, dann stapften die<br />

beiden mit Geglockel und Gerassel weg.<br />

„Kommt der Krampus auch hierher?“,<br />

wollte ich wissen, wieder ins Deutsche<br />

umschwenkend. „Ich weiß nicht, wie hier<br />

ist die Brauch“, antwortete meine Mutter in<br />

ihrem Deutsch. Ich hätte jetzt fragen müssen,<br />

ProSa<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 27<br />

was ein Brauch ist, weil ich das Wort nicht<br />

kannte. Aber ich war viel zu aufgeregt. „Und<br />

wenn er kommt, nimmt er dann nur freche<br />

Kinder mit oder auch brave oder überhaupt<br />

alle?“ „Letztes Jahr war die Mikulàs nicht<br />

da“, fuhr meine Mutter fort, „aber wenn ich<br />

recht sinne, habe ich eine umgehen gehert.“<br />

Mein Vater mischte sich ein: „Du kannst<br />

noch dreimal ruhig schlafen, bis es so weit<br />

ist. Wenn ein Nikolaus kommt, hört man<br />

ihn am Klingeln. Dann kommst du zu mir.<br />

Ich lasse nicht zu, dass er dich mitnimmt.“<br />

Langsam beruhigte ich mich. Ohne Wenn<br />

und Aber ging ich in den nächsten drei<br />

Abenden ins Bett. Das Zubettgehen war<br />

meine Schwachstelle.<br />

Der vierte Tag war gekommen. Ich spielte,<br />

wie immer, draußen. Die meisten Kinder<br />

waren in der Schule und die kleineren<br />

verbreiteten keine Angst. Gegen Abend<br />

ging ich zum Bauern Winterholler in den<br />

Stall. Dort gab es junge Kätzchen, die sich<br />

mit der alten Miezl um die Melkzeit im Stall<br />

einfanden. Die ließen gerne mit sich spielen.<br />

Da kam Seppl, der etwa zwanzigjährige<br />

Sohn des Bauern mit einem Korb Heu aus<br />

der Tenne und sagte: „Dasch du no drauß<br />

rumlofsch, heit kimmt dr Kloos. Dear<br />

kennt di doch mitnejma, wennsch dann<br />

hua geasch.“ Das hatte ich noch gar nicht<br />

bedacht und bekam einen fürchterlichen<br />

Schreck. Das sah er mir wohl an. „Bisch itt<br />

brav gwejsa?“ fragte er nach. „Doch, doch“,<br />

gab ich schnell zurück. „Ja, dann brauchsch o<br />

koa Angscht itt hawa.“ „Ich hab aber Angst“<br />

sagte ich weinerlich und versuchte, ihm die<br />

Geschichte von Tihamér so gut ich eben<br />

konnte, zu erzählen. Er hörte mir genau zu<br />

und ließ mich ausreden. Dann meinte er. „Ja,<br />

a diamol isch so a wülder Hund dabei. Aber<br />

wennsch schia betsch, tuat a dr nix. Und iaz<br />

hau ab, bevors naacht weard.“ Ich lief sofort<br />

nach Hause. Aber was hatte er eigentlich<br />

gesagt? Ich hatte etwas von einem „wilden<br />

Hund“ verstanden und von einem „schönen<br />

Bett“ oder ähnlich. Wollte er mir sagen,<br />

dass hier der Nikolaus außer dem Krampus<br />

sogar noch einen wilden Hund dabei hatte?<br />

Ich fürchtete ja sogar schon Winterhollers

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!