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Heft 4 (2009) - Igda.net

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Erich Schanda<br />

»Du bist sicher, dass dieses – Spiel – auch<br />

funktioniert?«<br />

Mein Freund Harald blickte mich an, als<br />

sei ich nicht Herr meiner Sinne; nicht ganz<br />

zu Unrecht, wie ich angesichts der Situation<br />

einräumen musste.<br />

»Natürlich! Ich kenne doch meine Cousine<br />

lange genug. Sie wird dich begeistert wieder<br />

in ihre Arme nehmen. Alles wird gut, keine<br />

Sorge. Los jetzt!«<br />

Er reckte das Kinn vor, verschränkte seine<br />

Arme vor der Brust und nickte auffordernd<br />

in Richtung des bereits geöff<strong>net</strong>en Kartons,<br />

der zwischen Dutzenden anderen in seiner<br />

großen Garage stand. Irgendwie deplatziert<br />

wirkte er schon zwischen dem roten Ferrari<br />

und dem schwarzen Porsche, dessen<br />

imposanter Heckflügel als Ablage seiner<br />

Aktentasche diente. Vielleicht auch nur<br />

deswegen, weil er einerseits der mit Abstand<br />

größte Karton war und zum andern nicht in<br />

weihnachtliches Geschenkpapier eingehüllt<br />

war, sondern nur nüchtern, pappbraun und<br />

vergleichsweise lieblos auf seinen Inhalt<br />

zu warten schien – ähnlich einer weit offen<br />

stehenden Toilettentür auf einem zugigen<br />

Bahnhof. Und ebenso einladend.<br />

»Ich weiß wirklich nicht, ob ...«<br />

»Willst du sie wiederhaben oder nicht?<br />

Hast du den dummen Streit am Nikolaustag<br />

vom Zaun gebrochen oder nicht? Hast du<br />

einen besseren Vorschlag?«<br />

Resigniert schüttelte ich den Kopf und ging<br />

mit langsamen Schritten auf den hässlichen<br />

Karton zu.<br />

»Aber ich kann doch nicht in diesem ...«<br />

»Du musst!«, schnitt mir Harald brüsk das<br />

Wort ab. »Ich bin Unternehmer, wie du weißt.<br />

Ich kenne mich mit Schadensregulierung<br />

aus. Du bist nur Zahnarzt, beschäftigst dich<br />

ProSa<br />

Das Geschenk<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 15<br />

zuviel mir Ruinen und faulen Wurzeln. Deine<br />

Lebenserfahrung beschränkt sich auf zwei<br />

Zahnreihen, Kassen- und Privatpatienten<br />

und darüber hinaus nur noch auf Prophylaxe.<br />

Das hier, mein Freund, ist in gewisser Weise<br />

auch ein prophylaktischer Eingriff! Er<br />

wird dein gestörtes Liebesleben wieder in<br />

Ordnung bringen. Steig also endlich ein!«<br />

Gegen die Autorität und den imperativen<br />

Ton eines Firmenchefs kann man nur<br />

bestehen, wenn der Erstgenannte als Patient<br />

auf Einfühlsamkeit angewiesen ist. Im<br />

Augenblick war ich sein Patient. Seufzend<br />

schlüpfte ich also aus meinen Schuhen, zog<br />

den Mantel enger um mich und kletterte<br />

ich in den Karton, der früher einmal einen<br />

großen Farbfernseher beherbergt hatte und<br />

versuchte, mit angezogenen Knien eine<br />

halbwegs passable Sitzposition auf der<br />

Styroporschale einzunehmen.<br />

»Er ist viel zu klein«, protestierte ich<br />

schwach und halbherzig, doch Harald ging<br />

überhaupt nicht darauf ein. Entschlossen<br />

drückte er mich tiefer in den Karton und<br />

stülpte das abschließende Styroporpolster<br />

über mich.<br />

»Perfekt. Fast wie ein Zahnersatz für<br />

Elefanten. Geht doch wunderbar. In<br />

spätestens zwei Stunden packt sie dich<br />

aus. Also, mach es dir einstweilen bequem!<br />

Carola wird Augen machen!«<br />

»Was ist, wenn der Karton aufreißt? Ich<br />

bin doch viel zu schwer!«<br />

»Das Schlimmste, was passieren kann, ist,<br />

dass du ihr vor die Füße kullerst, wenn dich<br />

der Bote ablädt! Und jetzt Schluss – er muss<br />

ohnehin jeden Moment kommen!«<br />

»Ja, aber ...«<br />

Er schlug die beiden offenen Kartondeckel<br />

über mir zusammen. Schlagartig wurde es

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