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Erich Schanda<br />
»Du bist sicher, dass dieses – Spiel – auch<br />
funktioniert?«<br />
Mein Freund Harald blickte mich an, als<br />
sei ich nicht Herr meiner Sinne; nicht ganz<br />
zu Unrecht, wie ich angesichts der Situation<br />
einräumen musste.<br />
»Natürlich! Ich kenne doch meine Cousine<br />
lange genug. Sie wird dich begeistert wieder<br />
in ihre Arme nehmen. Alles wird gut, keine<br />
Sorge. Los jetzt!«<br />
Er reckte das Kinn vor, verschränkte seine<br />
Arme vor der Brust und nickte auffordernd<br />
in Richtung des bereits geöff<strong>net</strong>en Kartons,<br />
der zwischen Dutzenden anderen in seiner<br />
großen Garage stand. Irgendwie deplatziert<br />
wirkte er schon zwischen dem roten Ferrari<br />
und dem schwarzen Porsche, dessen<br />
imposanter Heckflügel als Ablage seiner<br />
Aktentasche diente. Vielleicht auch nur<br />
deswegen, weil er einerseits der mit Abstand<br />
größte Karton war und zum andern nicht in<br />
weihnachtliches Geschenkpapier eingehüllt<br />
war, sondern nur nüchtern, pappbraun und<br />
vergleichsweise lieblos auf seinen Inhalt<br />
zu warten schien – ähnlich einer weit offen<br />
stehenden Toilettentür auf einem zugigen<br />
Bahnhof. Und ebenso einladend.<br />
»Ich weiß wirklich nicht, ob ...«<br />
»Willst du sie wiederhaben oder nicht?<br />
Hast du den dummen Streit am Nikolaustag<br />
vom Zaun gebrochen oder nicht? Hast du<br />
einen besseren Vorschlag?«<br />
Resigniert schüttelte ich den Kopf und ging<br />
mit langsamen Schritten auf den hässlichen<br />
Karton zu.<br />
»Aber ich kann doch nicht in diesem ...«<br />
»Du musst!«, schnitt mir Harald brüsk das<br />
Wort ab. »Ich bin Unternehmer, wie du weißt.<br />
Ich kenne mich mit Schadensregulierung<br />
aus. Du bist nur Zahnarzt, beschäftigst dich<br />
ProSa<br />
Das Geschenk<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 4 (<strong>2009</strong>) Seite 15<br />
zuviel mir Ruinen und faulen Wurzeln. Deine<br />
Lebenserfahrung beschränkt sich auf zwei<br />
Zahnreihen, Kassen- und Privatpatienten<br />
und darüber hinaus nur noch auf Prophylaxe.<br />
Das hier, mein Freund, ist in gewisser Weise<br />
auch ein prophylaktischer Eingriff! Er<br />
wird dein gestörtes Liebesleben wieder in<br />
Ordnung bringen. Steig also endlich ein!«<br />
Gegen die Autorität und den imperativen<br />
Ton eines Firmenchefs kann man nur<br />
bestehen, wenn der Erstgenannte als Patient<br />
auf Einfühlsamkeit angewiesen ist. Im<br />
Augenblick war ich sein Patient. Seufzend<br />
schlüpfte ich also aus meinen Schuhen, zog<br />
den Mantel enger um mich und kletterte<br />
ich in den Karton, der früher einmal einen<br />
großen Farbfernseher beherbergt hatte und<br />
versuchte, mit angezogenen Knien eine<br />
halbwegs passable Sitzposition auf der<br />
Styroporschale einzunehmen.<br />
»Er ist viel zu klein«, protestierte ich<br />
schwach und halbherzig, doch Harald ging<br />
überhaupt nicht darauf ein. Entschlossen<br />
drückte er mich tiefer in den Karton und<br />
stülpte das abschließende Styroporpolster<br />
über mich.<br />
»Perfekt. Fast wie ein Zahnersatz für<br />
Elefanten. Geht doch wunderbar. In<br />
spätestens zwei Stunden packt sie dich<br />
aus. Also, mach es dir einstweilen bequem!<br />
Carola wird Augen machen!«<br />
»Was ist, wenn der Karton aufreißt? Ich<br />
bin doch viel zu schwer!«<br />
»Das Schlimmste, was passieren kann, ist,<br />
dass du ihr vor die Füße kullerst, wenn dich<br />
der Bote ablädt! Und jetzt Schluss – er muss<br />
ohnehin jeden Moment kommen!«<br />
»Ja, aber ...«<br />
Er schlug die beiden offenen Kartondeckel<br />
über mir zusammen. Schlagartig wurde es