1,9 MB - Shanti Partnerschaft Bangladesch eV
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Reisebericht<br />
von 1982 (Karl-Heinz Barthelmeus)<br />
Der Kriegsversehrte und die<br />
Kinder mit den großen Augen<br />
Es heißt immer, der Schluss ist<br />
schnell geschrieben, doch nun sind<br />
schon zwei Wochen um, seit ich<br />
<strong>Bangladesch</strong> verlassen habe, und die<br />
letzte Zeile in meinem Reisetagebuch<br />
ist immer noch nicht in Sicht. Meine<br />
erste Erfahrung hier in Deutschland<br />
ist die, dass eine solche Reise nicht<br />
zu Ende geht. Ich bin immer noch<br />
unterwegs, vielleicht bin ich eben<br />
mal ausgestiegen, ein Ziel habe ich<br />
nicht erreicht, obwohl ich irgendwo<br />
angekommen bin auf meiner Reise,<br />
angekommen sein muss. Alle schauen<br />
mich erwartungsvoll an, so als wollten<br />
sie sagen: „Na, wie war’s?“ Die Armut<br />
der Dritten Welt hat keine Spuren an<br />
mir hinterlassen, wenigstens keine, die<br />
man sehen könnte. „Nun, wie war’s?“<br />
„Aufregend. Ja, es war – durchweg -<br />
aufregend.“ Und dann beginne ich<br />
zu erzählen. Ungeordnet sprudeln die<br />
Eindrücke hervor. Ich muss aufpassen,<br />
mich nicht zu verlieren, denn was sich<br />
mir in meinem Kopf als klares Bild<br />
darstellt, ist für meinen Zuhörer nur<br />
Information. In diesem Augenblick<br />
erinnere ich mich an Nachrichten im<br />
Fernsehen, Berichte über die Dritte<br />
Welt und so, und schon halte ich inne<br />
und fange von vorne an, langsam und<br />
der Reihe nach.<br />
<strong>Shanti</strong><br />
Also, Peter holte mich am Flughafen<br />
in Dhaka ab. Ich wurde erwartet. das<br />
hat mich die ganzen sieben Wochen<br />
hindurch begleitet, wo immer ich<br />
hinkam, stets vermittelten mir die<br />
Menschen das Gefühl, erwartet zu<br />
werden. Die Bengalen besitzen diese<br />
Offenheit stärker als wir, auf andere<br />
zuzugehen; und so war jeder Tag ein<br />
Tag des Ankommens. Ich reiste mit<br />
kleinem Gepäck und ohne besondere<br />
Erwartungen, bereit mich möglichst<br />
schnell meiner Umgebung anzupassen.<br />
Vorgewarnt und vorbereitet, versuchte<br />
ich mein Herz zu verschließen. Doch<br />
bald schon bemerkte ich, dass ich nichts<br />
vom Land erfahren würde, wenn ich<br />
mich nicht entschloss, den Menschen<br />
wirklich ins Gesicht zu schauen.<br />
Und da waren sie, Gesichter, vom<br />
Leben gezeichnet und dabei doch<br />
nicht verbittert, stets dem Lachen näher<br />
als dem Weinen. Ich staunte. Hoffnung<br />
regte sich. Alles geschieht zum ersten<br />
Mal, das Essen mit den Händen, die<br />
erste Rikschafahrt, ein bengalischer<br />
Theaterabend, die Begegnung mit<br />
dem blinden Bettler. Auf dem Wege<br />
von meinem Nachtquartier in Mr.<br />
Mamoon al Rasheed’s Haus in<br />
Mohamodpur, einem Stadtteil von<br />
Dhaka, zum Dipshikha-Center habe<br />
ich in Farm-Gate einen Busumstieg.<br />
Ich muss an ihnen vorbei, nicht nur<br />
an einem, an vier, zehn - ich habe<br />
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