Der 11. September 2001 - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und ...
Der 11. September 2001 - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und ...
Der 11. September 2001 - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und ...
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schwimmen oder gar aufheben lassen<br />
– mit der Folge, dass Hilfsorganisationen<br />
damit auch mögliches Ziel<br />
werden können. Insofern ist hier der<br />
„Faktor Mensch“ der limitierende Faktor<br />
in einem Prozess, in dem es bisher<br />
im Schwerpunkt um die Transformation<br />
militärischer Fähigkeiten ging. 32<br />
Eine enge Kooperation der Akteure<br />
birgt aus entwicklungspolitischer<br />
Sicht vor allem das erhebliche Risiko,<br />
kurzfristigen militärischen Strategien<br />
untergeordnet zu werden. 33 <strong>Der</strong><br />
Einsatz von bewaffneten Kräften (z.B.<br />
die Provincial Reconstruction Teams,<br />
PRT, in Afghanistan) mit der Begründung,<br />
Hilfsorganisationen müssten<br />
geschützt werden, wird von Vertretern<br />
von Hilfsorganisationen als „gefährlicheWahrnehmungsverschiebung“<br />
angesehen; vielmehr sei es so,<br />
dass humanitäre Organisationen als<br />
Teil der westlichen politischen Strategie<br />
dargestellt <strong>und</strong> als Teil der westlichen<br />
Intervention (so z. B. im Irak)<br />
wahrgenommen werden. 34 Dabei<br />
werden von einer Gegenmeinung die<br />
PRT als Präzedenzfall <strong>für</strong> die organisatorisch-politische<br />
Integration ziviler<br />
<strong>und</strong> militärischer Tätigkeiten im<br />
Rahmen einer gesamtstaatlichen Interventionsstrategie<br />
angesehen. 35<br />
Allerdings ist auch in dieser Frage<br />
zwischen den Hilfsorganisationen ein<br />
Streit entbrannt, bei dem sich die Vertreter<br />
der Linie des „Klassischen Humanitarismus“<br />
darauf beschränken<br />
wollen, dass die humanitären Schutz<strong>und</strong><br />
Hilfeleistungsmaßnahmen im<br />
politisch neutralen <strong>und</strong> unabhängigen<br />
Umfeld geleistet werden; bei den<br />
Vertretern des „Neuen Humanitarismus“<br />
wird humanitäre Akuthilfe<br />
ebenso geleistet wie Wiederaufbau<strong>und</strong><br />
Entwicklungshilfe, wobei – anders<br />
als beim klassischen Ansatz –<br />
keine Berührungsängste zwischen<br />
humanitären, politischen sowie militärischen<br />
Akteuren besteht. 36<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen,<br />
dass die Einbindung nichtmilitärischer<br />
Akteure aus verschiedenen<br />
Disziplinen die Bestrebungen zur Zielerreichung<br />
gewinnbringend katalysieren<br />
<strong>und</strong> unterstützen könnte, oftmals<br />
sogar eine bessere Alternative<br />
zur Anwendung militärischer Gewalt<br />
darstellen könnte. Allerdings ist die<br />
totale Einbindung von Hilfsorganisationen<br />
in den Interagency-Prozess im<br />
Sinne einer Unterstellung oder Einbindung<br />
mit der Absicht, diese zu „koordinieren“<br />
auf Gr<strong>und</strong> der vorgetragenen<br />
Argumente nicht möglich <strong>und</strong><br />
auch gar nicht gewollt. Im Gegenteil:<br />
Ein solcher Ansatz könnte sich kontraproduktiv<br />
auswirken. Es kommt<br />
also darauf an, durch eine Sinn- <strong>und</strong><br />
Zielvermittlung die Hilfsorganisationen<br />
in einer strategischen Abstimmung<br />
zu einem ergänzenden, kohärenten<br />
Handeln auf der operativen<br />
Ebene zu bewegen. Dies erscheint<br />
dann vorstellbar, wenn zweifelsfrei<br />
bleibt, dass unabhängige Organisationen<br />
eigenständige <strong>und</strong> selbstverantwortliche<br />
Entscheidungen <strong>und</strong> auf<br />
eigenem Urteil basierend darüber<br />
befinden, wie sie mit anderen Organisationen<br />
interagieren wollen: Unterstützend,<br />
neutral oder störend. 37<br />
Es wird also darauf ankommen<br />
herauszufinden, wie eine günstige<br />
Interaktionsstruktur geschaffen werden<br />
kann, aus welcher alle interagierenden<br />
Organisationen gegenseitigen<br />
Vorteil ziehen können. 38<br />
In ihrer auf die Zukunft gerichteten<br />
Aufstellung sind die humanitären<br />
Organisationen gefordert, den geänderten<br />
Rahmenbedingungen ihres<br />
Handelns nachhaltig Rechnung zu<br />
tragen: Zum einen ist die Frage zu<br />
beantworten, ob, wie <strong>und</strong> wie weit<br />
sie bereit sind, im humanitären Raum<br />
mit anderen zu interagieren; zum anderen<br />
müssen sie <strong>für</strong> sich die Frage<br />
beantworten, wie sie die Sicherheit<br />
der humanitären Organisation, ihrer<br />
Angehörigen <strong>und</strong> Schutzbefohlenen<br />
in der humanitären Mission gewährleisten<br />
wollen. Beide Fragen bzw.<br />
die sich hieraus ergebenen Antworten<br />
stehen miteinander in einer engen<br />
Wechselwirkungsbeziehung.<br />
Aus ihnen ergeben sich zwingend<br />
direkte Auswirkungen auf das Selbstverständnis<br />
der Organisation, aber<br />
auch insbesondere personelle, organisatorische<br />
<strong>und</strong> technisch-materielle<br />
Konsequenzen:<br />
Die humanitären Akteure müssen<br />
sich tiefgründig mit Risiko- <strong>und</strong> Bedrohungsanalysen<br />
befassen <strong>und</strong> beurteilen,<br />
welche Wirkungen ihre Anwesenheit<br />
<strong>und</strong> ihr Tätigwerden im<br />
Raum auslösen <strong>und</strong> bewirken. Die<br />
Gefahren von Anschlägen, Entführungen<br />
<strong>und</strong> Geiselnahmen sind in diese<br />
Überlegungen einzubeziehen <strong>und</strong><br />
bedürfen Strategien <strong>für</strong> deren Bewältigung.<br />
Ebenso sind Rückzugs- <strong>und</strong><br />
Evakuierungsstrategien zu entwerfen<br />
<strong>und</strong> zu implementieren <strong>und</strong> die hier<strong>für</strong><br />
notwendigen Ressourcen an Personal,<br />
Information <strong>und</strong> Material<br />
bereitzustellen, <strong>und</strong> ggf. kompetente<br />
Sicherheitspartnerschaften zu installieren<br />
<strong>und</strong> zu pflegen.<br />
Bei einer ernsthaften Umsetzung<br />
dieser Fragen müssen sich humanitäre<br />
Organisationen ein Krisen- <strong>und</strong><br />
Sicherheitsmanagement zulegen, das<br />
auf der Gr<strong>und</strong>lage einer entsprechenden<br />
„Policy-Guideline“ Richtlinien<br />
<strong>und</strong> Verhaltensweisen <strong>für</strong> alle sicherheitsrelevanten<br />
Situationen im Feld<br />
verbindlich vorgibt. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass derartige Vorgaben<br />
wiederum Auswirkungen <strong>und</strong><br />
Interdependenzen auf die Sicherheit<br />
haben. So ist z. B. das Bereitstellen<br />
einer persönlichen Splitterschutzausrüstung<br />
(Dresscode, Helm, Weste)<br />
eine Frage, die auf dieser Ebene zu<br />
beantworten ist <strong>und</strong> kann nicht auf<br />
der operativ-taktischen Ebene beantwortet<br />
werden, da ein derartiges Auftreten<br />
möglicherweise Einfluss auf<br />
das Ansehen der Organisation <strong>und</strong><br />
ggf. damit auch auf deren Akzeptanz<br />
hat. Dagegen ist die Entscheidung,<br />
ob bzw. wann eine entsprechende<br />
Ausrüstung angelegt werden soll<br />
oder gar muss, eine Entscheidung<br />
der operativen Ebene vor Ort, die sich<br />
aus der Lage ebendort ergibt. Somit<br />
wird deutlich, dass das Krisen- <strong>und</strong><br />
Sicherheitsmanagement mehrstufig<br />
<strong>und</strong> mit abgestuften Verantwortlichkeiten<br />
aufgebaut werden muss.<br />
Fußnoten<br />
1 Dieter Nohlen, Globalisierung, in:<br />
Dieter Nohlen, Rainer-Olaf Schultze<br />
(Hrsg.), Lexikon der Politikwissenschaft,<br />
Bd. 1, A-M, 2. Aufl. 2004,<br />
S. 301 ff.<br />
2 Norbert Gottschalk, Neue strategische<br />
Trends – Herausforderungen<br />
<strong>für</strong> Strategie <strong>und</strong> Militärstrategie,<br />
Lehrgangsarbeit an der Führungsa-<br />
Notfallvorsorge 4/2005 www.walhalla.de/notfallvorsorge 13