Der 11. September 2001 - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und ...
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Benötigt der Katastrophenschutz<br />
wieder Veterinärzüge?<br />
Ralph Stühling, Kreisbrandinspektor am Brand- <strong>und</strong> Katastrophenschutzamt<br />
Landkreis Darmstadt Dieburg <strong>und</strong> Vorsitzender FA-Katastrophenschutz<br />
Landesfeuerwehrverband Hessen<br />
Die Aufgabenstellung des Katastrophenschutzes hat sich in den letzten<br />
Jahren erheblich verändert. <strong>Der</strong> politische Wandel Anfang der 90-er Jahre<br />
in Europa bedeutete einen gravierenden Abbau des erweiterten Katastrophenschutzes<br />
(Zivilschutz) <strong>für</strong> den Verteidigungsfall. Die neue Zielrichtung<br />
ergab sich aus den zahlreichen Naturkatastrophen <strong>und</strong> den bekannten<br />
industriellen Gefahrenschwerpunkten. Verb<strong>und</strong>en mit den Terroranschlägen<br />
wuchs auch die Bedeutung der Gefahrenabwehr <strong>für</strong> biologische Gefahren.<br />
Diese erstrecken sich aber nicht nur auf den Menschen, sondern<br />
auch auf die Tierwelt. Da die Aufgabe in diesem Bereich erheblich gestiegen<br />
ist, stellt sich die Frage, ob der Katastrophenschutz wieder Veterinärzüge<br />
(VZ) benötigt.<br />
Mit dem Aufbau des Katastrophenschutzes<br />
im Rahmen des Zivilschutzes<br />
wurde auch Ende der 50-er Jahre<br />
der Veterinärdienst eingeführt. Dieser<br />
Fachdienst stellte im damaligen<br />
Luftschutzhilfsdienst (LSHD) eine Besonderheit<br />
dar. Die Einheiten Veterinärzug<br />
waren nicht flächendeckend<br />
vorhanden <strong>und</strong> bauten auf so genannte<br />
Regieeinheiten auf. Dies bedeutete,<br />
sie hatten keine Bindung zu<br />
Feuerwehr, Technischem Hilfswerk<br />
oder Hilfsorganisationen. Wegen der<br />
Struktur der Viehhaltung auf dem<br />
Lande waren die Veterinärzüge in erster<br />
Linie als bewegliche, überörtliche<br />
Einheiten geplant. Die Aufgabenstellung<br />
der Veterinärzüge ergab sich aus<br />
den Regeln <strong>und</strong> Vorschriften des <strong>B<strong>und</strong>esamt</strong>es<br />
<strong>für</strong> Zivilschutz (BZS) <strong>und</strong><br />
war auf die Schadenswirkung aller<br />
Luftangriffmittel ausgerichtet. <strong>Der</strong><br />
überörtliche LS-Veterinärzug gliederte<br />
sich in eine Führungsgruppe, drei<br />
Tabelle<br />
B<strong>und</strong>esland VZ-Anzahl<br />
Niedersachsen 14<br />
Nordrhein-Westfalen 20<br />
Hessen 2<br />
Rheinland-Pfalz 2<br />
Saarland 2<br />
Baden-Württemberg 13<br />
Bayern 4<br />
Gesamt 57<br />
Fachgruppen <strong>und</strong> einer Stärke von<br />
1/3/22 = 26 Personen. Als Führungskräfte<br />
waren insgesamt 4 Tierärzte<br />
vorgesehen <strong>und</strong> Helfer nur mit Berufsausbildung<br />
aus dem Sachgebiet.<br />
<strong>Der</strong> erweiterte Katastrophenschutz<br />
(ZS) ab dem Jahr 1968 hat den Veterinärdienst<br />
vom LSHD übernommen.<br />
Die Einheit erhielt eine neue Zuggliederung<br />
mit der STAN Nr. 071 <strong>und</strong><br />
der Stärke 1/4/11 = 16 Personen. Für<br />
die Ausbildung der Einheit wurde<br />
1971 die Dienstvorschrift KatS-DV<br />
711 eingeführt. Nach der letzten Planung<br />
des B<strong>und</strong>es sollten insgesamt<br />
76 Veterinärzüge aufgestellt werden.<br />
Die Erhebung jedoch ergab einen Ist-<br />
Bestand von 57 Veterinärzügen (siehe<br />
Tabelle). Die Veterinärzüge waren<br />
ausschließlich Regieeinheiten <strong>und</strong><br />
nur geringfügig ausgestattet. Alle<br />
Fahrzeuge der Einheit waren zu beordern.<br />
Diese Entwicklung bedeutete<br />
somit, dass sich dieser Fachdienst<br />
von der Katastrophenschutzkarte verabschiedete.<br />
<strong>Der</strong> Aufbau eines neuen Fachdienstes<br />
Veterinärwesen ist aus heutiger<br />
Sicht nicht mehr sinnvoll <strong>und</strong><br />
möglich. Eine enge Verbindung <strong>und</strong><br />
Verzahnung mit landwirtschaftlichem<br />
Personal ist nicht möglich, da dieser<br />
Bereich einem fortlaufenden, gravierenden<br />
Veränderungsprozess unterliegt.<br />
<strong>Der</strong> Aufgabenbereich hat sich<br />
verändert, da eine Tierseuche heute<br />
mit einem Störfall in einer Industrieanlage<br />
vergleichbar ist. Hier müssen<br />
betriebliche Einrichtungen greifen,<br />
um den Schaden zu begrenzen <strong>und</strong><br />
einen schnellstmöglichen Weiterbetrieb<br />
zu gewährleisten. Letztendlich<br />
ist doch nicht auszuschließen, dass<br />
die Feuerwehr im Rahmen „Amtshilfe”<br />
die Veterinärverwaltung bei deren<br />
Maßnahmen zur Gefahrenabwehr<br />
unterstützt.<br />
Hierbei ist aber insbesondere die<br />
zuvor genannte personelle Belastung<br />
zu beachten. Weiterhin müssen die<br />
Behörden auf Fachbetrieb zurückgreifen<br />
<strong>und</strong> <strong>für</strong> einen ausreichenden<br />
Selbstschutz sorgen. Eine Erweiterung<br />
des Katastrophenschutzes um<br />
einen Veterinärzug ist deshalb nicht<br />
erforderlich.<br />
Die heutigen biologischen Gefahren<br />
von Milzbrand (Antrax), Maul- <strong>und</strong><br />
Klauenseuche (MKS), Eichenprozessionsspinner<br />
(EPS) oder Vogelgrippe<br />
stellen eine besondere Herausforderung<br />
<strong>für</strong> die Fachbehörden dar. Geeignete<br />
Einheiten <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
<strong>für</strong> größere Maßnahmen bei einem<br />
Schadensereignis sind nicht vorhanden.<br />
Oft fehlen schon die geringsten<br />
technischen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
Erstmaßnahmen <strong>und</strong> Untersuchungen.<br />
Hilfe wird von den (G) ABC-Einheiten<br />
der Feuerwehr erwartet. Diese<br />
Einheiten waren <strong>und</strong> sind jedoch im<br />
Wesentlichen auf die Gefahrenabwehr<br />
im A- <strong>und</strong> C-Bereich ausgestattet<br />
<strong>und</strong> ausgebildet. Die Aufgabenstellung<br />
von B-Gefahren im landwirtschaftlichen<br />
Bereich kann weder<br />
personell, noch technisch bewältigt<br />
werden. In den letzten Jahren wurden<br />
deshalb zusätzliche Ausstattungen<br />
(provisorische Dekon-Schleusen)<br />
<strong>für</strong> Fahrzeuge beschafft. Die größte<br />
Schwierigkeit stellt aber eine ausreichende<br />
Personalstärke dar, die bei<br />
solchen Einsätzen im größerem Umfang<br />
<strong>und</strong> längerem Zeitraum erforderlich<br />
ist. Einzelne Schadensereignisse<br />
können in überregionaler Zusammenarbeit<br />
bewältigt werden. Ein<br />
Ausbruch einer b<strong>und</strong>esweiten Tierseuche<br />
kann aber weder personell, noch<br />
technisch mit den vorhandenen (G)<br />
ABC-Einheiten bewältigt werden.<br />
4 www.walhalla.de/notfallvorsorge<br />
Notfallvorsorge 4/2005