Region zu erklären. Vielmehr seien die Vertreibungen <strong>und</strong> Massaker, an denen sich neben eigens gegründeten Milizen auch sudanesische Regierungstruppen beteiligten, eingeb<strong>und</strong>en in eine von der Zentralregierung systematisch verfolgte Bevölkerungs<strong>und</strong> Identitätspolitik, die sich seit mehr als einer Dekade nachzeichnen lässt: Maßnahmen der Zwangsislamisierung seit den frühen 1990er Jahren <strong>und</strong> die aktuelle gewaltsame Arabisierung der Region Darfur, die mit der Vertreibung <strong>und</strong> Vernichtung der afrikanischen Bevölkerungsgruppen in der Region ihren Abschluss finden soll, zielen auf die Verwirklichung einer islamisch-arabischen Identität von Staatselite, Administration <strong>und</strong> Bevölkerung. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die Gewaltpolitik in Darfur nicht als Bürgerkrieg oder als ethnischer Konflikt zu bezeichnen, sondern zweifellos als Genozid zu charakterisieren. Genozid ist ein Ergebnis der Moderne Nach Auffassung der Bochumer Wissenschaftler ist Genozid kein atavistischer, barbarischer Akt, sondern durchaus etwas Modernes. Beim Genozid geht es um nationale Homogenisierung <strong>und</strong> um einen Vergemeinschaftungsentwurf mit nationaler Selbstbestimmung. Ein neuer Staat soll entstehen. Minderheiten werden als Störenfriede betrachtet <strong>und</strong> systematisch beseitigt. Angesichts der vielen „failing states” nach 1990 <strong>und</strong> dem daraus resultierenden Stabilisierungsversuchen erhält die Genozidgefährdung eine zunehmende Aktualität. Dabei genügt es nicht, einzelne Massaker zu dokumentieren, sondern sie müssen in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden. Nur so können genozidäre Vorgänge erkannt werden. Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen Ausgehend von der Präambel des Gr<strong>und</strong>gesetzes, in der sich die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland feierlich verpflichtet, dem Frieden in der Welt zu dienen, muss der langjährige Trend, die Ausgaben <strong>für</strong> militärische Sicherheit <strong>und</strong> <strong>für</strong> Entwicklungshilfe im Verhältnis zum Gesamthaushalt ständig zu senken, gestoppt <strong>und</strong> umgekehrt werden. Wenn es der „Großen Koalition” in den nächsten neun Jahren nicht gelingt, die Ausgaben <strong>für</strong> Entwicklungshilfe um jährlich mindestens 3 % <strong>und</strong> die Ausgaben <strong>für</strong> militärische Sicherheit um mindestens jährlich 2 % zu steigern, kann das o.a. feierliche Versprechen – im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott <strong>und</strong> den Menschen – nicht eingehalten werden. Darüber hinaus würde Deutschland – wie es jetzt schon beginnt – außenpolitisch marginalisiert <strong>und</strong> langsam, aber sicher als aktiver Mitgestalter des Weltfriedens ausscheiden. Die regelmäßige jährliche Steigerung dieser beiden o.a. Budgets ist der Lackmustest <strong>für</strong> die Ernsthaftigkeit der deutschen Friedensbemühungen <strong>und</strong> wesentlich wichtiger als ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat. Dabei wäre es sicher notwendig, dass dem Auswär- Ulrich Keller, DGVN Berlin, 14. Februar 2006. Die B<strong>und</strong>esregierung ist bereit, eine erweiterte Mission im Sudan auf der Basis der Vereinten Nationen zu unterstützen. Dies versprach Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, auf einer Podiumsveranstaltung gestern Abend, die die Deutsche Gesellschaft <strong>für</strong> die Vereinten Nationen (DGVN) gemeinsam mit der Gemeinsamen Konferenz Kirche <strong>und</strong> Entwicklung (GKKE) durchgeführt hat. Die Lage in der sudanesischen Provinz Darfur ist dramatisch. In dem Bürgerkrieg sind Tausende Menschen getötet, vergewaltigt <strong>und</strong> vertrieben worden, zwei Millionen sind auf der Flucht. Trotz des Einsatzes einer Friedenstruppe der Afrikanischen Union ist keine durchgreifende Verbesserung eingetreten. Erler versprach, sich intensiv mit der Krise in dem Land zu beschäftigen. Die prinzipiell erfolgreiche, aber zahlenmäßig <strong>und</strong> logistisch zu schwache Mission der Afrikanischen Union im Sudan müsse jetzt so lange nachhaltig unterstützt werden, bis die UN mit einer zahlenmäßig wesentlich stärkeren Truppe in sechs tigen Amt ein Haushaltstitel in Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt wird, um internationale Friedenseinsätze im Rahmen der Vereinten Nationen – wie in Dafur oder im Kongo – tatkräftig zu unterstützen <strong>und</strong> entsprechenden Einfluss zu nehmen. Zurzeit ist das Auswärtige Amt eher ein „zahnloser Tiger” ohne Weisungsbefugnis gegenüber dem Verteidigungs- <strong>und</strong> Entwicklungsministerium <strong>und</strong> hat selbst keinen nennenswerten entsprechenden Haushaltstitel. In diesem Zusammenhang muss sich der Deutsche B<strong>und</strong>estag als Budgetverteiler fragen, was aus seiner jeweils am 27. Januar feierlich verkündeten Erklärung „Nie wieder Völkermord!” geworden ist (Vgl. dazu „Deutscher B<strong>und</strong>estag im Glashaus – Kein Gr<strong>und</strong> zu moralischer Überheblichkeit” im Auftrag 247, dem Organ der „Gemeinschaft Katholischer Soldaten”). Staatsminister Erler: Falls notwendig, EU-Sanktionen gegen Täter im Sudan bis neun Monaten die Verantwortung übernehmen könne. Dies müsse Anfang März in Brüssel im Rahmen der geplanten internationalen Sudan-Hilfskonferenz sichergestellt werden. Für den Fall einer weiteren Blockade des UN-Sanktionskomitees durch interessierte Staaten stellte Erler in Aussicht, sich <strong>für</strong> gezielte Finanz- <strong>und</strong> Reisesanktionen der EU gegenüber den Tätern im Sudan einzusetzen. Ob B<strong>und</strong>esaußenminister Steinmeier bei seiner bevorstehenden China-Reise mehr Druck der chinesischen Führung auf den Sudan zur Beendigung der Gewalt einfordern wird, ließ Erler offen. Die Verhandlungsposition der EU wurde durch die Ernennung des ehemaligen finnischen Umwelt- <strong>und</strong> Entwicklungsminister Pekka Haavisto zum Sonderbeauftragen <strong>für</strong> Sudan nach übereinstimmender Ansicht der Anwesenden gestärkt. <strong>Der</strong> Koordinator der europäischen Außenpolitik zu dem afrikanischen Land hatte allerdings Mühe, die Positionen Frankreichs <strong>und</strong> Sloweniens als Ausdruck einer homogenen Außenpolitik der Gemeinschaft erscheinen zu lassen. 42 www.walhalla.de/notfallvorsorge Notfallvorsorge 4/2005
Bitte aus Heft 3/2005 übernehmen: Anzeige Notfallregister