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PDF - Handbuch Arbeitsrecht

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Novemberrevolution 1918 und Weimarer Republik<br />

Eine arbeitsrechtliche Bilanz des Kaiserreichs muss anerkennen, dass es all seinen konservativen<br />

und autokratischen Eigenschaften zum Trotz mit seinen Regelungen zum Arbeitsschutz<br />

und zur betrieblichen Beteiligung der Industriearbeiter dauerhafte Grundlagen<br />

für die Entwicklung bis heute gelegt hat. 75 Zwar ist die freie Koalitionsbetätigung nur geduldet<br />

und noch nicht als Selbsthilfe-Komponente des <strong>Arbeitsrecht</strong>s anerkannt worden,<br />

und die in der Land- und Hauswirtschaft Tätigen blieben von der Entwicklung des <strong>Arbeitsrecht</strong>s<br />

ausgeschlossen (was erst mit der Novemberrevolution 1918 korrigiert wurde; vgl.<br />

Rn. 26f.). Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass das Kaiserreich für seine Zeit und im Vergleich<br />

zu anderen Ländern bereits bemerkenswert moderne sozialstaatliche Strukturen<br />

besaß.<br />

III. Novemberrevolution 1918 und Weimarer Republik<br />

Bereits das erste rechtsverbindliche Dokument der aus der November-Revolution 1918 76<br />

hervorgegangenen neuen Regierung befasste sich mit arbeitsrechtlichen Themen: Der Aufruf<br />

des Rates der Volksbeauftragten (»an das Deutsche Volk«) vom 12. 11. 1918 (RGBl.<br />

S. 1303) ordnete mit Gesetzeskraft u. a. an:<br />

– Aufhebung des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst, mit Ausnahme der<br />

Schlichtungsvorschriften,<br />

– Außerkraftsetzung der Gesindeordnungen sowie der Ausnahmegesetze gegen die Landarbeiter<br />

und<br />

– Wiederinkraftsetzung der bei Beginn des Krieges aufgehobenen Arbeitsschutzbestimmungen<br />

(vgl. Rn. 19).<br />

Alle Beschränkungen des Vereins- und Versammlungsrechts wurden aufgehoben, auch für<br />

Beamte und Staatsarbeiter (zum Beamtenstreik vgl. Rn. 33). Dazu stellte der Rat der Volksbeauftragten<br />

weitere sozialpolitische Verordnungen in Aussicht, insbesondere den achtstündigen<br />

Maximalarbeitstag zum 1.1.1919 (vgl. Rn. 27).<br />

Parallel zum Umsturz im staatlichen Bereich verständigten sich Arbeitgeberverbände und<br />

Gewerkschaften am 15.11. 1918 auf ein Abkommen über die »Zentralarbeitsgemeinschaft<br />

der industriellen und gewerblichen AG und AN Deutschlands« (nach den Delegationsführern<br />

beider Seiten auch »Stinnes-Legien-Abkommen« genannt). 77 Wichtigster Punkt aus der<br />

Sicht der Gewerkschaften und Bedingung des Zustandekommens der Vereinbarung war die<br />

Anerkennung von Gewerkschaften und Tarifvertragssystemen durch die AG und deren Absage<br />

gegenüber »gelben« Werkvereinen (»Die Gewerkschaften werden als berufene Vertreter<br />

der Arbeiterschaft anerkannt.«). Die AG erklärten sich hierzu bereit, um aus ihrer Sicht<br />

Schlimmeres – eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft – zu verhindern. Das »Stinnes-Legien-Abkommen«<br />

wurde zur Grundlage der arbeitsrechtlichen Neugestaltung. Die<br />

in ihm gemachten Ankündigungen wurden binnen kurzer Zeit durch die staatlichen Organe<br />

nachvollzogen.<br />

Besonders signifikant wurde die mehr oder weniger nur ratifizierende Rolle des Staates auch<br />

bei der Verabschiedung der »Vorläufigen Landarbeitsordnung« vom 24.1. 1919 (RGBl.<br />

S. 111): Die von den Verbänden landwirtschaftlicher AG und AN im Reichs-Bauern-Landarbeiterrat<br />

abgeschlossene Vereinbarung wurde von der Reichsregierung unverändert als<br />

Verordnung im Reichsgesetzblatt übernommen. Sie wurde erst 1969 durch das Erste <strong>Arbeitsrecht</strong>sbereinigungsgesetz<br />

aufgehoben (vgl. Rn. 83).<br />

75 Vgl. Konzen, ZfA 1991, 379; Zöllner, NJW<br />

1990, 1.<br />

76 Zum Folgenden eingehend Kittner, Arbeitskampf,<br />

S. 395ff.<br />

77 Veröffentlicht durch den Rat der Volksbeauftragten<br />

im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 273<br />

vom 18. 11.1918; vollständiger Text bei Blanke/<br />

Erd/Mückenberger/Stascheit, Hrsg., Kollektives<br />

<strong>Arbeitsrecht</strong>, Quellentexte zur Geschichte des<br />

<strong>Arbeitsrecht</strong>s in Deutschland, Bd. 1, 1975,<br />

S. 181f. (zur Satzung der Zentralarbeitsgemeinschaft<br />

vgl. RArbBl. 1918, 874).<br />

Kittner 11<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26

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