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PDF - Handbuch Arbeitsrecht

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Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1998<br />

Leistungen. Ein Jahr vor ihrem Auseinanderbrechen diente das »Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz«<br />

vom 22.12.1981 (BGBl. I, S. 1497) dem selben Zweck. Diese Art von Gesetzgebung<br />

sollte für die Zukunft der Arbeitsförderung typisch werden (vgl. <strong>Handbuch</strong>, § 16 Rn. 1).<br />

In der Zeit der sozial-liberalen Koalition hat sich sowohl das Arbeitskampfgeschehen intensiviert<br />

als auch das Arbeitskampfrecht weiterentwickelt. 294 Dabei war eine Doppelwirkung<br />

von verschärften Verteilungskonflikten und 68er-Zeitgeist zu beobachten. Das zeitigte zum<br />

einen das neue Phänomen breiter spontaner Arbeitsniederlegungen 1969 (»Septemberstreiks«)<br />

295 und 1973 und zum anderen eine zunehmende Bereitschaft der Gewerkschaften<br />

(vor allem der IG Metall und IG Druck und Papier) und Arbeitgeberverbände, Tarifverhandlungen<br />

in reguläre Arbeitskämpfe münden zu lassen. 296 In dieser Situation eröffneten die Gewerkschaften<br />

erstmals in ihrer Geschichte eine breit angelegte politische Kampagne zur Veränderung<br />

des Arbeitskampfrechts. 297 Insbesondere erhoben sie die Forderung nach einem<br />

Verbot der Aussperrung. 298 Die Arbeitskämpfe in der Metall- und Druckindustrie 1978 führten<br />

folgerichtig zum ersten Mal zu Gerichtsverfahren, in denen das bislang eher am »grünen<br />

Tisch« geschaffene Arbeitskampfrecht des Großen Senats des BAG auf repräsentative Großkonflikte<br />

angewandt wurde. So kam es zu den Entscheidungen des BAG im Jahre 1980 zur<br />

quotenmäßigen Beschränkung der Aussperrung (vgl. <strong>Handbuch</strong>, § 136 Rn. 11). Mit diesen<br />

Entscheidungen wurde auch die »Sozialadäquanz« als Rechtfertigung von Arbeitskampfmaßnahmen<br />

zugunsten einer Ableitung aus Art. 9 Abs. 3 GG verlassen (vgl. Rn. 79). In der<br />

gleichen Zeit machten zunächst die IG Metall und ihr folgend andere Gewerkschaften offiziell<br />

ausgerufene Warnstreiks unter dem Begriff einer »neuen Beweglichkeit« zum Bestandteil<br />

ihrer Kampfstrategie. 299 Dazu war allerdings eine Änderung der Friedenspflichtregelung<br />

in den tariflichen Schlichtungsabkommen erforderlich (zur Billigung durch das BAG vgl.<br />

<strong>Handbuch</strong>, § 136 Rn. 18). 300 Die zunehmende Arbeitsteilung in der Wirtschaft ließ in dieser<br />

Zeit auch die Frage mittelbarer Wirkungen von Arbeitskämpfen strategischen Rang gewinnen.<br />

301 Die seit der Weimarer Republik umstrittene Frage, wer das Betriebsrisiko zu tragen<br />

habe (vgl. Rn. 33), wurde vom BAG 1980 nach den neu entwickelten Kriterien des »Arbeitskampfrisikos«<br />

beantwortet (vgl. <strong>Handbuch</strong>, § 136 Rn. 55ff.). Hinsichtlich der sozialrechtlichen<br />

Absicherung von mittelbar beschäftigungslos gewordenen AN wurde der einschlägige § 116<br />

AFG vom Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit mit der sog. Neutralitätsanordnung<br />

vom 22.3.1973 (ANBA 365) konkretisiert. 302 Das BSG bestätigte die damit vorgenommene<br />

enge Auslegung in seiner Entscheidung über den im Metall-Arbeitskampf 1971 getroffenen<br />

»Stingl-Erlass« des damaligen Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit (zur späteren Änderung<br />

im Jahre 1986 vgl. Rn. 103). 303<br />

3. Konservativ-liberales Umsteuern<br />

Die 1982 nach einem konstruktiven Misstrauen gebildete Koalition von CDU/CSU und FDP<br />

unter Bundeskanzler Helmut Kohl trat in Bezug auf die Arbeitsverfassung mit der Grundvorstellung<br />

an: »Weniger arbeitsrechtlicher Schutz schafft mehr Arbeitsplätze«. 304 Damit war ein<br />

294 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 624ff.<br />

295 Vgl. Schumann u. a., Am Beispiel der Septemberstreiks,<br />

1971; Däubler 1, Rn. 559, 639.<br />

296 Arbeitskämpfe der IG Metall 1970 bis 1980:<br />

1971 Nordwürttemberg-Nordbaden; 1973<br />

Nordwürttemberg-Nordbaden; 1974: Unterwesergebiet;<br />

1977/78: Stahlindustrie NRW;<br />

1978: Nordwürttemberg-Nordbaden.<br />

297 Vgl. Kittner, Hrsg., Streik und Aussperrung.<br />

Protokoll der wissenschaftlichen Veranstaltung<br />

der IG Metall vom 13. bis 15. 9.1973 in<br />

München, 1974.<br />

298 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 698ff.; ders., Verbot<br />

der Aussperrung. 7 Fragen und 70 Antworten,<br />

1979.<br />

299 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 695ff.; Lang,<br />

WSI-Mitt. 1982, 543.<br />

300 Zur veränderten »Schlichtungs- und Schiedsvereinbarung<br />

für die Metallindustrie« vom<br />

1.1.1980, RdA 1980, 165; Schiedsspruch vom<br />

3.4.1989, NZA 1989, 791; hierzu Kirchner, RdA<br />

1980, 129.<br />

301 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 703ff.<br />

302 Vgl. Kittner, ASO, Einl. II 4 zu SGB III.<br />

303 Vgl. BSG 9. 9. 1975, AP AFG § 116 Nr. 1.<br />

304 Zu einer arbeitsrechtlichen Bilanz der Regierung<br />

Kohl vgl. Kehrmann, AuR 1999, 5; Engelen-<br />

Kefer, AuR 1999, 369.<br />

Kittner 37<br />

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