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PDF - Handbuch Arbeitsrecht

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31<br />

Geschichte und Entwicklung des <strong>Arbeitsrecht</strong>s<br />

<strong>Arbeitsrecht</strong>sausschusses. 84 Dieser Entwurf wurde jedoch nach Auflösung des Ausschusses<br />

im Jahre 1924 nicht mehr weiter verfolgt. 85 Geplant war auch ein umfassendes Arbeitsschutzgesetz.<br />

Zwei Entwürfe des Reichsarbeitsministeriums aus den Jahren 1926 und 1928 86 scheiterten<br />

sowohl am fehlenden gesamtpolitischen Konsens als auch am Dualismus zwischen<br />

staatlichem Arbeitsschutz und Berufsgenossenschaften (zur Unfallversicherung vgl.<br />

Rn. 38). 87<br />

Mit dem Betriebsrätegesetz vom 4.2. 1920 (RGBl. S. 147) wurde die mit den Arbeiterausschüssen<br />

im Kaiserreich begonnene Entwicklung einer gesetzlichen Interessenvertretung neben<br />

den Gewerkschaften fortgesetzt. 88 Die Betriebsverfassung ist seitdem ein tragender Pfeiler<br />

der Arbeitsverfassung in Deutschland. Das Gesetz bedeutete eine Absage an die aus der<br />

Novemberrevolution geborene Idee von Räten als Macht- und Entscheidungszentrum auf<br />

der unteren Ebene. Vielmehr hatte der BR die Doppelaufgabe: »Wahrnehmung der gemeinsamen<br />

wirtschaftlichen Interessen der AN dem AG gegenüber« und »Unterstützung des AG<br />

in der Erfüllung der Betriebszwecke« (§ 1 BRG). 89 Dem entsprach die Selbständigkeit der<br />

Betriebsleitung durch den AG: »Ein Eingriff in die Betriebsleitung durch selbstständige Anordnungen<br />

steht dem BR nicht zu« (§ 69 Satz 2 BRG). Diese Konzeption des BRG ist maßgeblich<br />

durch das Ergebnis zweier Arbeitskämpfe bestimmt: Aufgrund des mitteldeutschen<br />

Bergarbeiterstreiks im März 1919 und nach einem Angestelltenstreik in der Berliner Metallindustrie<br />

im April 1919 wurden jeweils betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen in den<br />

Tarifvertrag aufgenommen. Sie wurden Bestandteil der Begründung der verfassunggebenden<br />

Nationalversammlung für den Art. 165 WRV 90 und bildeten auch das Modell für Einzelheiten<br />

des BRG. 91 Ein besonderes Problem bildete das Verhältnis der Betriebsräte zu den<br />

Gewerkschaften, die die Errichtung allzu selbstständiger und einflussreicher Räte nicht<br />

zu Unrecht als Konkurrenz begriffen. 92 Das BRG sicherte ihnen einen klaren Vorrang zu (§ 8<br />

BRG). 93 Betriebsräte durften dort nicht tätig werden, wo Tarifverträge existierten; sie hatten<br />

vielmehr für deren Einhaltung zu sorgen (§§ 66 Nr. 4, 78 Nr. 1 BRG). Außerdem erhielten<br />

Gewerkschaften institutionelle Rechte innerhalb der Betriebsverfassung (Teilnahme an<br />

Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen, §§ 31, 47 BRG). Das BRG führte die mit<br />

dem Hilfsdienstgesetz begonnene Aufspaltung der Interessenvertretung fort und stellte neben<br />

den BR einen Arbeiterrat und einen Angestelltenrat, denen für nur eine Gruppe betreffende<br />

Angelegenheiten die Beteiligungsrechte des BR übertragen wurden (§§ 78ff. BRG). Der<br />

BR bzw. Arbeiter- und Angestelltenrat hatte, so wie die früheren Arbeiterausschüsse, überwiegend<br />

nur Beratungsrechte. Allerdings wurde erstmals der Inhalt der »gemeinsamen<br />

Dienstvorschriften« bzw. der »Arbeitsordnung« (darunter die Verteilung der Arbeitszeit)<br />

mitbestimmungspflichtig mit verbindlicher Entscheidung durch die Schlichtungsstelle (§§ 66<br />

Nr. 5, 75, 80 BRG). Neuartig war das Beteiligungsrecht bei Kündigungen: Der gekündigte<br />

AN konnte mit einem Einspruch geltend machen, dass die Kündigung nicht den in § 84 BRG<br />

genannten Anforderungen entsprach. Wenn sich der Arbeiter- oder Angestelltenrat dieses<br />

Einspruchs annahm und ihn auch das Arbeitsgericht für berechtigt erkannte, musste der AG<br />

sich entscheiden, ob er den AN weiter beschäftigte oder ihm eine Abfindung zahlte (§ 87<br />

BRG). Gemäß § 72 BRG musste der AG dem BR eine auf den Betrieb bezogene Bilanz und Ge-<br />

84 RArbBl. 1923, 498.<br />

85 Vgl. Ramm, Entwürfe zu einem Deutschen Arbeitsvertragsgesetz,<br />

1992, S. 34ff., dort auch<br />

Abdruck des Kommissionsvorschlags, S. 125ff.<br />

86 RArbBl. 1926, Sonderheft 37; RArbBl. 1928,<br />

Sonderheft 44.<br />

87 Vgl. Pieper, Das Arbeitsschutzrecht in der<br />

deutschen und europäischen Rechtsordnung,<br />

1998, S. 77f.<br />

88 Vgl. Kittner, Arbeitskampf, S. 414ff.<br />

89 Vgl. Briegl/Matthias, Betriebsräte in der Weimarer<br />

Republik, 1978; Crusius/Schiefelbein/<br />

Wilke, Betriebsräte in der Weimarer Republik,<br />

1978.<br />

90 Vgl. Drs. 385 der verfassunggebenden Nationalversammlung<br />

Deutschlands (Reichsanzeiger<br />

Nr. 65 vom 20.3. 1919).<br />

91 Vgl. Flatow/Kahn-Freund, BRG, 13. Aufl. 1931,<br />

Einl. Ziff. 2.<br />

92 Vgl. Potthoff, Gewerkschaften und Politik<br />

zwischen Revolution und Inflation, 1979,<br />

S. 141ff.<br />

93 Vgl. Flatow/Kahn-Freund, BRG, Einl. Ziff. 4 und<br />

5; Kittner, Arbeitskampf, S. 415.<br />

14 Kittner

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