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PDF - Handbuch Arbeitsrecht

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Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1998<br />

überwiegend ihre betrieblichen Funktionäre sind (zu aktuellen Problemen vgl. <strong>Handbuch</strong>,<br />

§ 10 Rn. 172ff.). Anders als in der Weimarer Republik (vgl. Rn. 34) erlaubte dieser Unterbau<br />

einen besseren Einfluss auf die betriebliche Umsetzung von Tarifverträgen, insbesondere<br />

hinsichtlich Eingruppierung und Entlohnungsbedingungen. Der grundlegende Unterschied<br />

bestand allerdings darin, dass sich die AG nach 1945 dem Tarifvertragsgedanken erheblich<br />

vorbehaltloser und nachhaltiger öffneten als während der Weimarer Republik (vgl. Rn. 34;<br />

zur neuesten Entwicklung vgl. Rn. 136).<br />

Das Schlichtungsrecht wurde weiterhin vom Gedanken der Freiwilligkeit geprägt. Die von<br />

den Ländern bereitgestellten Schlichtungsstellen (vgl. Rn. 57) traten gegenüber den in den<br />

großen Wirtschaftsbereichen nahezu flächendeckend vereinbarten tariflichen Schlichtungsvereinbarungen<br />

zurück. 248 Hierzu verständigten sich die BDA und der DGB zunächst im<br />

Januar 1950 auf eine gemeinsame Empfehlung (»Hattenheimer Übereinkommen«) 249 und danach<br />

am 7.9. 1954 auf eine Mustervereinbarung (»Margarethenhof-Abkommen«). 250 Gleichwohl<br />

brachte die FDP 1957 und 1960 Gesetzentwürfe ein, mit denen ein Schlichtungsverfahren<br />

vor jedem Arbeitskampf obligatorisch werden sollte. 251 Der letzte dieser Anträge wurde<br />

1961 vom Bundestag abgelehnt, der zugleich in einer Entschließung an die Tarifvertragsparteien<br />

appellierte, das freiwillige Schlichtungswesen auszubauen und den Arbeitskampf nur<br />

als letztes Mittel in Betracht zu ziehen. 252 Die tarifvertraglichen Schlichtungsvereinbarungen<br />

sahen typischerweise einen Einlassungszwang sowie die Verlängerung der Friedenspflicht<br />

bis zum ergebnislosen Ende eines Schlichtungsverfahrens vor. Weil das BAG bereits die<br />

Durchführung einer Urabstimmung als Kampfmaßnahme noch während der Friedenspflicht<br />

wertete, verurteilte es die IG Metall wegen des Streiks in Schleswig-Holstein (vgl.<br />

Rn. 71) dem Grunde nach zu einem Schadensersatz in Höhe von nahezu 40 Mio. DM (ca.<br />

20 Mio. Euro). 253 Die Zahlung dieses Betrags konnte von der IG Metall gegen das Einverständnis<br />

zu einem für sie noch unvorteilhafteren Schlichtungsabkommen abgewendet werden.<br />

254 Das Urteil hatte jedoch eine noch nachhaltigere darüber hinausgehende Wirkung insofern,<br />

als die Gewerkschaften für die Zukunft noch stärker auf die aus der Verletzung der<br />

arbeitskampfrechtlichen Spielregeln resultierenden Risiken achteten (zur aktuellen arbeitskampfrechtlichen<br />

Bewertung der Urabstimmung vgl. <strong>Handbuch</strong>, § 136 Rn. 20).<br />

Das eigentliche Arbeitskampfrecht wurde bald nach Gründung der Bundesrepublik durch<br />

die Rechtsprechung völlig neu gestaltet. 255 Den ersten Anlass boten die Schadensersatzklagen<br />

der Zeitungsunternehmer gegen die Gewerkschaften wegen des gegen das BetrVG 1952<br />

gerichteten sog. Zeitungsstreiks (vgl. Rn. 68). Die meisten der in letzter Instanz entscheidenden<br />

Landesarbeitsgerichte sahen diesen Streik als rechtswidrig an. 256 Sie schlossen sich der<br />

von Nipperdey in einem Gutachten für die AG neu entwickelten Konzeption an, mit der er<br />

seine früheren eigenen Positionen aufgab. 257 Die Rechtmäßigkeit eines Streiks sei nicht mehr<br />

nach § 826BGB, sondern als Eingriff in den »eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb«<br />

nach § 823BGB zu beurteilen. Rechtmäßig sei nur ein »sozialadäquater« Streik. Als solcher<br />

248 Vgl. eingehend Kittner, Arbeitskampf, S. 630ff.<br />

249 Abdruck in RdA 1050, 63.<br />

250 Abdruck RdA 1954, 383; vgl. Erdmann, RdA<br />

1955, 25.<br />

251 BT-Drs. 2/8 = RdA 1957, 421; BT-Drs. 3/1563 =<br />

RdA 1960, 110.<br />

252 Vgl. RdA 1961, 117.<br />

253 Vgl. BAG 31.10. 1958, TVG § 1 Friedenspflicht<br />

Nr. 2; hierzu Ramm, Kampfmaßnahme und<br />

Friedenspflicht, 1962; zur Schadensersatzhöhe<br />

Kirchner, RdA 1980, 127 [133].<br />

254 Abdruck RdA 1964, 216.<br />

255 Vgl. eingehend Kittner, Arbeitskampf, S. 603ff.<br />

256 Vgl. LAG Frankfurt 20.2. 1953, RdA 1953, 195;<br />

29. 4.1953, RdA 1953, 354; LAG München<br />

17. 4.1953, RdA 1953, 278; LAG Freiburg<br />

13. 4.1953, RdA 1953, 360; LAG Düsseldorf<br />

15. 6.1954, RdA 1954, 117; 13. 5. 1954, RdA<br />

1954, 118; a. A. lediglich LAG Berlin 17.8. 1953,<br />

RdA 1954, 76.<br />

257 Vgl. Nipperdey, Die Ersatzansprüche für die<br />

Schäden, die durch den von den Gewerkschaften<br />

gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz<br />

geführten Zeitungsstreik vom 27. – 29. Mai<br />

1952 entstanden sind (Zeitungsstreikgutachten),<br />

Schriftenreihe der BDA, Heft 9, 1953;<br />

ebenso Forsthoff/Hueck, Die politischen Streikaktionen<br />

des Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />

anlässlich der parlamentarischen Beratung<br />

des BetrVG in ihrer verfassungs- und<br />

zivilrechtlichen Bedeutung, Schriftenreihe der<br />

BDA, Heft 6, 1952; zu Nipperdeys früherer Ansicht<br />

vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des <strong>Arbeitsrecht</strong>s,<br />

Bd. 2, 3. bis 5. Aufl. 1932, S. 663ff.<br />

Kittner 31<br />

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