Nr. 9 / September 2010 - Grossraumbüro (PDF, 2645 kb - KV Schweiz
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Monatsinterview<br />
«Wir verhalten uns schon recht<br />
unvernünftig»<br />
context 9 – <strong>2010</strong><br />
Dieter Kissling hält nichts von der ständigen Erreichbarkeit der Angestellten.<br />
Unternehmen rät er zu einer wertschätzenden Kultur, wo die Mitarbeitenden<br />
nicht zu Sprintern, sondern zu Marathonläufern ausgebildet werden.<br />
Interview Ingo Boltshauser und Therese Jäggi / Foto Reto Schlatter<br />
Context: Wie lange haben Sie diesen Sommer<br />
Ferien gemacht?<br />
Dieter Kissling: Ich war fünf Wochen<br />
nicht im Betrieb, habe während dieser<br />
Zeit aber immer wieder gearbeitet, das<br />
heisst ganz weg war ich nie.<br />
Ist diese Form von Ferien gut?<br />
Für mich ja, aber eigentlich nicht<br />
wirklich. Wünschen würde ich mir, dass<br />
alle Arbeitnehmenden drei Wochen am<br />
Stück Ferien machen könnten und dann<br />
aber wirklich Ferien, wo sie ganz weg<br />
sind.<br />
Dann bleibt aber für den Rest des Jahres<br />
nicht mehr viel übrig.<br />
Wir haben ja auch noch gesetzliche<br />
Feiertage. Wenn man dann noch Brücken<br />
bauen kann, kommt es immer wieder zu<br />
Pausen von fünf Tagen. Nicht zu vergessen,<br />
dass viele Arbeitnehmende im Rahmen<br />
von Gesamtarbeitsverträgen mehr<br />
als vier Wochen Ferien zugute haben.<br />
Sind – aus arbeitsmedizinischer Sicht –<br />
vier Wochen überhaupt genug?<br />
Wir sollten diese Frage differenziert<br />
anschauen. Entscheidend ist für mich die<br />
Belastung am Arbeitsplatz. Jemandem in<br />
einem sehr anspruchsvollen Job, der auch<br />
deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche<br />
arbeitet, reichen vier Wochen schlicht<br />
nicht. Wenn die Arbeit aber weder körperlich<br />
noch psychisch extrem belastend ist,<br />
können vier Wochen mit Brücken durchaus<br />
genug sein. Ich persönlich mache acht<br />
Wochen Ferien pro Jahr, aber in den Ferien<br />
bin ich auch immer ein wenig am Arbeiten.<br />
Für mich stimmt diese Form, auch<br />
wenn sie meinen Empfehlungen widerspricht.