Nr. 9 / September 2010 - Grossraumbüro (PDF, 2645 kb - KV Schweiz
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Mehr belastet, aber mehr Spass<br />
Studien zeigen, dass Mitarbeitende in <strong>Grossraumbüro</strong>s mehr Belastungen ertragen<br />
müssen, als jene in kleinräumigen Büros. Es gibt aber auch überraschende Resultate.<br />
Der Lärm ist im <strong>Grossraumbüro</strong> das<br />
grösste aller Übel. Allerdings beklagen<br />
sich auch Mitarbeitende in Kleinbüros<br />
über Lärm. Dieser nimmt dort ebenfalls<br />
ein mittleres bis (zu) starkes Ausmass<br />
an. In beiden Bürotypen werden als<br />
schlimmste Lärmquellen Gespräche und<br />
Telefonate genannt. An dritter Stelle folgt<br />
das Klingeln des Telefons.<br />
Dies ist ein Ergebnis einer Studie über<br />
die Belastungen und das Wohlbefinden<br />
von Menschen in unterschiedlichen Büroformen.<br />
Als Autor/innen zeichnen Lukas<br />
Windlinger und Nina Zäch von der Hochschule<br />
Wädenswil. Sie befragten im Jahr<br />
2007 Sachbearbeiter/innen und Controller/<br />
innen in Grossfirmen im Finanzsektor.<br />
Die Studie zeigt, dass die Belastungen<br />
durch Lärm in <strong>Grossraumbüro</strong>s grösser<br />
sind. Damit bewahrheiten sich Hypothesen<br />
aus früheren Studien: Je mehr Personen<br />
im gleichen Raum arbeiten, desto höher<br />
ist der Lärmpegel und desto mehr<br />
leiden die Menschen.<br />
Konzentration gestört<br />
Nicht nur die Umgebungsbelastungen<br />
sind im grossen Büro signifikant höher<br />
als im kleinen, auch die Arbeitsunterbrechungen.<br />
<strong>Grossraumbüro</strong>s eignen sich<br />
nicht für konzentriertes Arbeiten, sei es<br />
als Einzelner oder im Team.<br />
In ihrer Studie belegen Windlinger<br />
und Zäch: Je komplexer eine Aufgabe ist,<br />
desto weniger geräuschbedingte Belastung<br />
verträgt der Mensch. Je mehr Informationen<br />
im «Lärm» enthalten sind,<br />
desto weniger kann man sich konzentrieren<br />
und desto höher ist die Fehlerquote.<br />
Hintergrundsprechen wirkt sich störend<br />
auf mentale Arbeitsleistungen aus, die<br />
das sprachliche Arbeitsgedächtnis beanspruchen.<br />
Offenbar gewöhnt man sich<br />
auch nie daran, genauso wenig wie ans<br />
Klingeln des Telefons.<br />
Je lärmiger das Büro, desto unprofitabler<br />
also das Verhältnis zwischen Aufwand<br />
und Ertrag. Zudem offenbaren internationale<br />
Untersuchungen, dass hoch<br />
komplexe Aufgaben bei zu belastendem<br />
Lärm oft unvollständig gelassen oder gar<br />
abgebrochen werden. Andererseits sind<br />
Gespräche für die Teamarbeit im Allge<br />
context 9 – <strong>2010</strong><br />
meinen wichtig. Sie bilden eine wichtige<br />
Quelle an Informationen. Im <strong>Grossraumbüro</strong><br />
erweist sich zudem die leichte Zugänglichkeit<br />
der Kolleg/innen als Vorteil.<br />
Wohlbefinden ungestört<br />
Betreffend Temperatur, Klimaanlage und<br />
Beleuchtung äussern Mitarbeitende beider<br />
Bürotypen gleich heftige Kritik. Auffallend<br />
ist, dass die einzelnen Kritikpunkte<br />
in beiden Arten von Büros in der<br />
gleichen Reihenfolge genannt werden:<br />
Nach dem Lärm ist die unangenehme<br />
Temperatur die zweitgrösste Belastung.<br />
Es folgt die Klimaanlage und als viertes<br />
die schlechte Beleuchtung.<br />
Auf das Wohlbefinden scheint dies alles<br />
keinen Einfluss zu haben. Die Wädenswiler<br />
Studie hat in dieser Hinsicht<br />
auch keine Unterschiede zwischen den<br />
Bürotypen gefunden. Überraschend auch<br />
Folgendes: Im <strong>Grossraumbüro</strong> haben die<br />
Mitarbeitenden mehr Ideen, mehr Erfolg<br />
und mehr Spass an der Arbeit. Es gibt dort<br />
mehr Abwechslung und die angenehmeren<br />
sozialen Kontakte als in den kleinen<br />
Büros. Ob das soziale Klima im <strong>Grossraumbüro</strong><br />
deshalb besser ist? Die Studienresultate<br />
sind nicht eindeutig.<br />
Gesundheitliche Probleme<br />
Klarheit bringt die Studie über den Gruppenzusammenhalt,<br />
der von Arbeitgebern<br />
oft als Begründung für die Einrichtung<br />
von <strong>Grossraumbüro</strong>s genannt wird. Er<br />
unterscheidet sich in den beiden Bürotypen<br />
nicht wesentlich – aber wenn, dann<br />
ist er im <strong>Grossraumbüro</strong> kleiner. Windlinger<br />
und Zäch verweisen auf frühere<br />
Umfragen, in denen Angestellte betonten,<br />
es habe sich im <strong>Grossraumbüro</strong> kein besserer<br />
Teamgeist entwickelt. Im Gegenteil:<br />
Man rede weniger miteinander und gehe<br />
sich mehr auf die Nerven.<br />
In ihrer neusten Studie zur Arbeitssituation<br />
in Büros ziehen das Staatssekretariat<br />
für Wirtschaft Seco und die Hochschule<br />
Luzern ähnliche Schlüsse. In<br />
Bezug auf Umgebungsfaktoren kommen<br />
kleine Büros besser weg – abgesehen von<br />
der Temperatur, die im Kleinbüro als zu<br />
hoch, im <strong>Grossraumbüro</strong> als zu niedrig<br />
empfunden wird.<br />
Interessant ist der gesundheitliche Aspekt:<br />
Angestellte in <strong>Grossraumbüro</strong>s leiden<br />
häufiger unter gereizten, brennenden<br />
oder juckenden Augen, Kopfschmerzen<br />
und Müdigkeit. Allerdings hat die Lüftung,<br />
ob natürlich oder mechanisch, darauf<br />
keinen Einfluss.<br />
Welches die Ursachen für die Symptome<br />
sind, geht nicht aus der Studie hervor.<br />
Frühere Untersuchungen haben aber<br />
gezeigt, dass Belastungen den Stresspegel<br />
erhöhen. Er kann im <strong>Grossraumbüro</strong> bis<br />
zu 50 Prozent höher sein als im kleinen<br />
Büro. Bekanntlich ist Stress ein indirekter<br />
Auslöser für gesundheitliche Probleme.<br />
Das Seco hat denn auch vermehrte krankheitsbedingte<br />
Absenzen in <strong>Grossraumbüro</strong>s<br />
festgestellt. ajm<br />
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