Nr. 9 / September 2010 - Grossraumbüro (PDF, 2645 kb - KV Schweiz
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34<br />
Leben<br />
context 9 – <strong>2010</strong><br />
Auch während der Einsatzzeit sollen sich<br />
diese vollumfänglich um ihren Fachbereich<br />
kümmern können. «Wenn ein Arzt<br />
zum Zeitpunkt X ein Auto, einen Übersetzer<br />
oder Geleitschutz benötigt, dann<br />
muss das einfach klappen, sonst sterben<br />
unter Umständen Menschen, weil er nicht<br />
rechtzeitig vor Ort sein konnte», erläutert<br />
Schwager.<br />
Eine andere zentrale Aufgabe des Logistikteams<br />
ist die Sicherung des Nachschubes,<br />
vor allem medizinische Hilfsgüter.<br />
Mitunter ist das sehr aufwändig und<br />
gefährlich, denn Katastrophengebiete<br />
sind oft nur schwer erreichbar, und in Not<br />
und Chaos steigt die Gewaltbereitschaft<br />
teils massiv an.<br />
In Haiti etwa wurden alle vom SKH<br />
benötigten Güter in die Dominikanische<br />
Republik geflogen und dann auf dem<br />
Landweg nach Port au Prince geschafft.<br />
Entlang der ganzen Überlandstrecke waren<br />
während der gesamten Einsatzzeit<br />
mehrere Logistiker damit beschäftigt,<br />
den Konvois sicheres und störungsfreies<br />
Geleit zu verschaffen.<br />
Schwager selbst verbrachte seine Einsatzzeit<br />
mitten im Katastrophengebiet<br />
und fungierte als eine Art Furier. Will heissen:<br />
Er sorgte dafür, dass es den Einsatzkräften<br />
an nichts mangelte und sie sich<br />
zwischen ihren Schichten unter sicheren,<br />
bequemen Bedingungen regenerieren<br />
konnten. Die vielen Feldeinsätze haben<br />
ihn gelehrt, dass ein gewisser Komfort<br />
auch mitten in Katastrophengebieten<br />
nicht dekadent, sondern in erster Linie<br />
14. bis 16. Oktober <strong>2010</strong><br />
Messezentrum Basel, Halle 2.0<br />
Do./Fr.: 10 bis 18.30 Uhr, Sa.: 9 bis 17 Uhr<br />
leistungsfördernd ist. «Unsere Leute leisten<br />
unter schwierigsten Bedingungen<br />
Enormes», sagt er. «Da sind es die kleinen<br />
Annehmlichkeiten wie gutes Essen, ein<br />
richtiges Bett, ein kaltes Bier nach 16 Stunden<br />
im Operationssaal oder eine Satellitenverbindung<br />
zu den Angehörigen daheim,<br />
die den Unterschied ausmachen, ob das jemand<br />
wochenlang durchhält oder nicht.»<br />
Viel gesehen<br />
Schwager hat viele Naturkatastrophen,<br />
die unsere Zeitungen wochenlang füllten,<br />
aus nächster Nähe erlebt. Er wurde nach<br />
dem Tsunami in Sri Lanka und auf der<br />
Insel Nias, Indonesien eingesetzt, reiste<br />
nach dem verheerenden Erdbeben in Pakistan<br />
nach Jared im Kash mir-Gebiet und<br />
eben letzten Winter war er in Haiti. Dass<br />
er diesen Sommer nicht ins Flutgebiet von<br />
Pakistan berufen wurde, hat damit zu tun,<br />
dass er sich wegen einer USA-Reise für ein<br />
paar Wochen abgemeldet hatte. Daneben<br />
führen ihn seine Einsätze auch immer<br />
wieder in Gebiete, die von Kriegen zerstört<br />
wurden, etwa nach Ruanda oder<br />
Bosnien. Auch kleinere Einsätze gibt es<br />
hin und wieder, zum Beispiel eine Reise<br />
mit einem Arzt durch Gaza, auf der sie<br />
für das Deza herausfinden sollten, an<br />
welchen Medikamenten es am meisten<br />
mangelt.<br />
Wenn er von diesen Einsätzen erzählt,<br />
wird schnell klar, dass man aus dem richtigen<br />
Holz geschnitzt sein muss, um solche<br />
Strapazen überhaupt durchzustehen.<br />
Seine Arbeitstage dauern 18 bis 20 Stun-<br />
www.baslerberufsmesse.ch<br />
den, und gearbeitet wird an sieben Tagen<br />
pro Woche. «Drei bis vier Wochen halte<br />
ich das durch, aber dann brauche ich eine<br />
Pause, um mich zu erholen», sagt er.<br />
Zur physischen Belastung kommt die<br />
emotionale dazu. Der Tod ist in Katastrophengebieten<br />
allgegenwärtig, der Anblick<br />
von verwesenden Leichen, trauernden<br />
und verzweifelten Menschen unvermeidbar,<br />
und der süssliche Leichengeruch<br />
setzt sich in allen Kleidern fest. «Ich kann<br />
das gut von mir wegschieben und mich<br />
auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren»,<br />
sagt er. «Ich träume auch nie von<br />
den Toten.» Er sieht bei seinen Einsätzen<br />
aber auch immer wieder Helfer, die diesem<br />
Leid und Elend nicht gewachsen sind<br />
und heimkehren müssen.<br />
Seine physische und psychische Robustheit,<br />
die für diese Arbeit unabdingbar<br />
ist, sind einerseits Veranlagung, andererseits<br />
aber auch antrainiert. Schwager<br />
studierte Sport, Biologie und Geographie<br />
und unterrichtet die Fächer bis heute. Im<br />
Militär diente er als Oberleutnant bei den<br />
Grenadieren. Dort konnte er auch seine<br />
organisatorischen Fähigkeiten schulen,<br />
denn die Logistik in Kriegs- beziehungsweise<br />
Manövereinsätzen weist viele Parallelen<br />
zu seiner jetzigen Aufgabe auf. Anderes<br />
hingegen ist heute völlig anders: In<br />
Krisengebieten ist er unbewaffnet unterwegs,<br />
und er würde auch keine Waffe tragen,<br />
wenn er dürfte: «Am sichersten bin<br />
ich, wenn ich unbewaffnet bin, das macht<br />
mich vorsichtig, und ich stelle auch keine<br />
Bedrohung dar.»