Nr. 9 / September 2010 - Grossraumbüro (PDF, 2645 kb - KV Schweiz
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36<br />
Ratgeber<br />
context 9 – <strong>2010</strong><br />
Büroalltag<br />
Wie erkenne ich<br />
psychische Probleme?<br />
Eine meiner Mitarbeiterinnen wirkt sehr<br />
«verändert». Seit ein paar Wochen kommt sie<br />
verspätet zur Arbeit, wirkt müde, kraftlos<br />
und erschöpft. Sie vergisst oder erledigt Arbeitsaufträge<br />
nur unvollständig. Wenn man<br />
sich danach erkundigt, erfolgt keine Reaktion.<br />
Wie spreche ich sie am besten darauf an?<br />
Über ein Viertel der Bevölkerung leidet<br />
im Laufe eines jeden Jahres an einer diagnostizierbaren<br />
psychischen Erkrankung.<br />
Dazu zählen z.B. Depressionen, Burn-out,<br />
Angsterkrankungen, Essstörungen und<br />
Sucht erkrankungen.<br />
Wie können Sie als Personalverantwortliche(r)<br />
oder Vorgesetzte(r) verhindern,<br />
dass Mitarbeitende aus psychischen Gründen<br />
frühzeitig aus dem Arbeitsprozess fallen?<br />
Versuchen Sie ein gewisses Sensorium<br />
zu entwickeln, um potenzielle Merkmale<br />
psychischer Erkrankungen zu erkennen.<br />
Achten Sie in erster Linie darauf, ob ein<br />
Mitarbeitender seine Gewohnheiten oder<br />
Verhaltensweisen in einer für Aussenstehende<br />
unerklärbaren Form verändert. Weitere<br />
wichtige Alarmzeichen sind:<br />
> Häufung von Kurzerkrankungen/Fehltagen<br />
> auffällige Leistungseinbussen<br />
> bedrückte Stimmung über längere Zeit<br />
> Gefühlsausbrüche, unkontrolliertes disziplinloses<br />
Verhalten<br />
> aussergewöhnliche Unruhe, Ruhelosigkeit,<br />
Angespanntheit (z.B. Händezittern,<br />
Schweissausbrüche)<br />
> Vernachlässigung oder übertriebene<br />
Pflege der äusseren Erscheinung<br />
> stark veränderte Essgewohnheiten<br />
> übersteigertes Redebedürfnis bis hin zu<br />
Selbstgesprächen<br />
> sozialer Rückzug<br />
Nehmen Sie solche Anzeichen ernst und<br />
suchen Sie das Gespräch mit dem betroffenen<br />
Mitarbeitenden. Wenn Sie ein ungutes<br />
Gefühl haben, holen Sie sich rechtzeitig<br />
Hilfe. Wenden Sie sich an ihre interne Sozialberatungsstelle<br />
oder Personalabteilung.<br />
Vielleicht verfügt Ihr Unternehmen über ein<br />
Case Management oder Externe Mitarbeiterberatung<br />
(EAP). Und einige IV-Stellen<br />
bieten eine telefonische Arbeitgeber-Hotline.<br />
Achten Sie darauf, dass die gewählte<br />
Lösung für den Arbeitgeber und den Mitarbeitenden<br />
stimmt.<br />
Patrizia Rizzo<br />
Psychologin lic.phil.,<br />
ist Trainerin und<br />
Beraterin bei ICAS<br />
<strong>Schweiz</strong>, einem<br />
Unternehmen für<br />
externe Mitarbeiterberatung.<br />
Bildung<br />
Als Erwachsene in<br />
die Lehre gehen?<br />
Ich bin als Quereinsteigerin ins Büro «gerutscht»,<br />
verfüge über viel Erfahrung, aber<br />
keinen Ausweis, der meine Fähigkeiten belegt.<br />
Kann ich als Erwachsene einen Lehrabschluss<br />
nachholen?<br />
Ja – zum Glück. Denn das ist ein wichtiger<br />
Schritt, damit Sie auch künftig auf dem<br />
Arbeitsmarkt bestehen können. Ein Berufsabschluss<br />
ist nützlich für die Stellensuche<br />
und Grundlage für viele qualifizierte Weiterbildungen.<br />
Voraussetzung ist in der Regel eine mindestens<br />
fünfjährige berufliche Erfahrung,<br />
davon ein bestimmter Teil im Beruf, in dem<br />
der Abschluss erfolgen soll. Und dann müssen<br />
Sie natürlich über die geforderten<br />
Kenntnisse in der beruflichen Praxis und in<br />
der schulischen Bildung verfügen: Beim<br />
Lehrabschluss für Erwachsene absolvieren<br />
Sie genau die gleiche Prüfung wie Lernende<br />
in der beruflichen Grundbildung. Näheres<br />
zu Stoffgebieten und Leistungszielen gibts<br />
beim kantonalen Berufsbildungsamt, das<br />
auch für die Zulassung zuständig ist.<br />
In der Vorbereitung auf die Prüfung sind<br />
Sie frei: Selbststudium ist ebenso möglich<br />
wie der Besuch von passenden Kursen an<br />
der Berufsfachschule; mindestens ein Teilbesuch<br />
ist in der Regel empfehlenswert. Davor<br />
brauchen Sie keine Angst zu haben: Vor<br />
allem in häufig nachgefragten Berufen werden<br />
Kurse und Bildungsangebote separat<br />
geführt und sind speziell auf Erwachsene<br />
ausgerichtet. Die Kosten für Prüfung und<br />
praktische Vorbereitung betragen jeweils<br />
einige hundert Franken. Den Schul besuch<br />
verrechnet z.B. der Kanton Zürich nach Anzahl<br />
Semesterlektionen à 120 Franken. Wer<br />
also während eines Jahres vier Lektionen<br />
pro Woche an der Berufsfachschule besucht,<br />
kommt nochmals auf knapp 2000 Franken.<br />
Übrigens: Im Gegensatz zur Lehre ist<br />
der Betrieb in die Nachholbildung nicht vertraglich<br />
involviert, einen Lehrvertrag gibt<br />
es nicht. Erwachsene verfügen ja bereits<br />
über Berufspraxis. Nützlich ist aber sicher,<br />
wenn Sie fehlende Kenntnisse (Leistungsziele)<br />
im Betrieb erarbeiten können und darin<br />
unterstützt werden.<br />
Ralf Margreiter<br />
Stabsstelle<br />
Bildungspolitik<br />
<strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong>