NZB 02/2013
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Ganz anders als in der heutigen EU waren die Ursachen<br />
des Wirtschaftswunders vor 50 Jahren auf brutale Weise<br />
transparent. Deutschland war zwischen Kriegsende und<br />
Währungsreform ein völlig zerstörtes, hungriges und armes<br />
Land. Als Industrienation am Ende eines fanatischen Weltkriegs<br />
in Schutt und Asche gebombt – unterernährt, aber<br />
nicht unterentwickelt. Die Startbedingungen der realen<br />
Wirtschaft waren sehr gut: Währungsreform, freie Preisbildung<br />
und Aufhebung der Zwangswirtschaft fielen mit einem<br />
enormen Nachholbedarf auf allen Gebieten zusammen.<br />
Die Währungsreform im Juni 1948 war der Grundstein –<br />
eine Voraussetzung für die Neuordnung der Wirtschaft.<br />
Die durch den Krieg geschädigte Bevölkerung besaß einen<br />
ungeheueren Aufbauwillen und große Arbeitsdisziplin.<br />
Das Ausbleiben extremer sozialer Spannungen begünstigte<br />
die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung. Die Bundesrepublik<br />
entwickelte sich seit den 50er Jahren zu einer modernen<br />
Industriegesellschaft mit stark ausgeprägtem Diensteistungssektor.<br />
Von all dem findet sich in den heutigen EU-Krisenstaaten<br />
keine Spur. Heute ist nicht der Aufbau aus Schutt und<br />
Asche erforderlich, sondern – im Gegenteil – der Abbau<br />
korrupter Strukturen. Die aber werden durch gigantische<br />
Rettungsschirme aus Steuerkassen, durch inflationäre<br />
Gelddruckerei und durch antisoziale Umverteilung weiter<br />
gefestigt anstatt beseitigt. Allein zum Nutzen des Politikund<br />
Geldgewerbes. Würde man die Krisenstaaten zum<br />
Nutzen der Bürger sanieren, dann wären nationale<br />
Währungsreformen wie 1948 der einzig solide Grundstein.<br />
Zugleich der Grabstein für die Beerdigung des unsäglichen<br />
Euro. Die mahnende Grabinschrift: „Pecunia veritas est”<br />
(„Geld ist Wahrheit”).<br />
Ludwig Erhard hätte die EU als „Freibeutertum” verteufelt<br />
Ein Erhard-Zitat, ein halbes Jahrhundert alt, wäre noch<br />
heute die Lösung der EU-Krise:<br />
Nicht die freie Marktwirtschaft des liberalistischen Freibeutertums<br />
einer vergangenen Ära, auch nicht das ‘freie Spiel<br />
der Kräfte’ und dergleichen Phrasen, mit denen man hausieren<br />
geht, sondern die sozial verpflichtende Marktwirtschaft,<br />
die das einzelne Individuum wieder zur Geltung<br />
kommen lässt, die den Wert der Persönlichkeit obenan<br />
stellt und der Leistung dann aber auch den verdienten<br />
Ertrag zugutekommen lässt, das ist die Marktwirtschaft<br />
moderner Prägung.<br />
Auf gut deutsch: Europa kann nur gerettet werden, indem<br />
die EU samt Euro wieder abgeschafft wird. Für Ludwig<br />
Erhard war die Marktwirtschaft nie Selbstzweck, sondern<br />
essenzieller Bestandteil einer demokratischen Ordnung.<br />
Sein Ziel war nicht die Optimierung der Marktstrukturen,<br />
sondern das Glück vieler. Er hat immer wieder betont, dass<br />
es in der Wirtschaft nur einen Maßstab gebe, nämlich den<br />
Verbraucher. Sein Ziel war Wohlstand für alle. Wie auch für<br />
Milton Friedman, der noch als 90-Jähriger der Bush-Administration<br />
und der Brüsseler EU dieselben schweren Manipulationen<br />
vorgeworfen hat.<br />
Leichtverdientes Geld = Leichtsinniger Konsum<br />
Die Ursache liegt gewiss in der ungewöhnlich langen<br />
Wohlstandsphase seit den frühen 1960er Jahren. Der Zusammenhang<br />
von leichtverdientem Geld und leichtsinnigem<br />
Konsum ist offenkundig. Die Exzesse im Jahrzehnt vor dem<br />
Crash 2008 hat das System dann nicht mehr verkraftet. Die<br />
durch Spekulationsblasen in den Finanzmärkten und durch<br />
schnelles Geld entstandenen Schuldenlöcher sind gigantisch.<br />
Ein Fass ohne Boden für den produzierenden Souverän;<br />
den steuerzahlenden Bürger.<br />
In kaum einem anderen Wirtschaftssektor wird die Verleitung<br />
zu unvernünftigem Massenkonsum deutlicher als in<br />
der Freizeitwirtschaft. „Freizeit ist Opium fürs Volk” würde<br />
Karl Marx, der kein Marxist war, heutzutage wohl sagen.<br />
Das Ergebnis ist eine Spaßgesellschaft mit infantilen<br />
Erscheinungsformen – rückschrittlich statt fortschrittlich für<br />
Körper und Geist. Ein Beispiel ist die Erfindung der „Ferienflieger”<br />
aus dem Versandhauskatalog, speziell in Deutschland<br />
und Großbritannien. Die Menschen leiden unter<br />
Freizeit-Überfluss. Die Folge ist der Reisekonsum aus dem<br />
Supermarkt – der Fast-Food-Tourismus zu Low-Cost-Preisen<br />
statt gesunder Reisekultur. Ganz im Interesse seiner Erfinder;<br />
der Freizeit-Konzerne.<br />
Paradoxe Kommunalpolitik:<br />
Touristen-Marketing statt Kurgast-Kultur<br />
Kaum verwunderlich, dass „Tourismus” – insbesondere<br />
„Tourist” – bereits als Schimpfwort verstanden wird.<br />
Bezeichnend ist, dass damit immer nur die anderen „Touristen”<br />
gemeint sind und sich niemand diesen Schuh auch<br />
selber anzieht. Ganz anders an der Nordsee. Hier sind<br />
Urlauber bis zum heutigen Tage Feriengäste oder Kurgäste.<br />
Der Respekt vor Feriengästen ist im Norden auch dann <br />
F E B R U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
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P O L I T I S C H E S