NZB 02/2013
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
allen anderen Ländern Europas um durchschnittlich<br />
0,6 Prozent zurückgegangen sind. Neben Deutschland<br />
hatte nur Malta einen Zuwachs an Ausgaben für die<br />
Gesundheitsversorgung.<br />
Wahrscheinlich liegen in Griechenland besondere Verhältnisse<br />
vor. Eine Aussage des Präsidenten des nationalen<br />
Verbands für Medizintechnik in Griechenland Paul<br />
Arnauotis beschreibt jedoch eine Situation, die in jedem<br />
Land dann eintreten kann, wenn es keine vorbereitende<br />
Planung gibt: „Momentan wird einfach blind zusammengestrichen,<br />
quer durch alle Gesundheitsbereiche. Wenn<br />
es aber keine Frühdiagnosen mehr gibt, die Patienten<br />
länger im Krankenhaus liegen und ihr Krankheitsverlauf<br />
nicht mehr langfristig überwacht wird, steigen am Ende<br />
die Kosten. Man kann doch nicht einfach alle Hilfen für<br />
Patienten einstellen, Operationen absagen und auf<br />
notwendige Tests verzichten!“ 2<br />
Griechenland<br />
Am umfangreichsten sind Informationen<br />
über die Situation in Griechenland.<br />
Die griechische Regierung sichert der Europäischen Union<br />
(EU) eine Reduzierung der Gesundheitsausgaben um<br />
1,1 Milliarden Euro zu. Als Folge dieser Zusage werden<br />
staatliche Zuschüsse an Krankenkassen gekürzt. Bei den<br />
Krankenkassen insgesamt zeigt sich ein Einbruch der<br />
Einnahmen um 40 Prozent. Für 2012 erwarten die Ärzte<br />
bei der größten staatlichen Krankenkasse einen Rückgang<br />
ihrer Honorare um 230 Millionen Euro, für alle Krankenkassen<br />
im Zeitraum von 2010 bis 2012 um 1,5 Milliarden Euro.<br />
Andererseits sind die Schulden der Krankenkassen, seit<br />
November 2011 um rund 550 Millionen Euro gestiegen.<br />
Viele Griechen verlieren ihren Krankenversicherungsschutz,<br />
da Arbeitgeber keine Beiträge zur Krankenversicherung<br />
mehr zahlen.<br />
Ärzte und medizinisches Fachpersonal haben teilweise seit<br />
Monaten kein Gehalt bekommen. Krankenhausärzte sind<br />
wegen unbezahlter Überstunden in einen unbefristeten<br />
Streik getreten und sichern nur eine Notfallbehandlung zu.<br />
Teilweise haben sich 22.000 Ärzte im Ausstand befunden.<br />
Krankenhäuser schließen ganze Fachabteilungen. Technische<br />
Geräte werden nicht gewartet und sind dadurch außer<br />
Betrieb. Es fehlt an Gips, Stents, Kathetern und Desinfektionsmitteln.<br />
In Privatkrankenhäusern ist ein Patientenrückgang<br />
um 50 Prozent zu verzeichnen. Kardiologische Untersuchungen<br />
und Operationen wurden gestrichen. Zum Teil<br />
behandeln Ärzte nur noch gegen Barzahlung bzw. für eine<br />
Standardgebühr von 10 Euro.<br />
Patienten müssen Arzneimittel aus Apotheken holen, dort<br />
bezahlen und mit ins Krankenhaus bringen. Viele Krebspatienten<br />
sind ohne Arzneimittel. Eltern können Impfungen<br />
für ihre Kinder nicht mehr bezahlen. Es wird eine Rückkehr<br />
von Polio befürchtet, weil Kleinkinder keine Polioimpfung<br />
erhalten. Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose flammen<br />
wieder auf. Wo immer noch behandelt wird, werden die<br />
Wartelisten länger.<br />
Die Versorgung mit Arzneimitteln ist gefährdet. Oft müssen<br />
Versicherte für Arzneimittel Vorkasse leisten. Die Regierung<br />
hat die Preise für Arzneimittel um 27 Prozent gesenkt und<br />
Zahlungen an pharmazeutische Firmen zum Teil in Staatsanleihen<br />
beglichen, wobei griechische Staatsanleihen bei<br />
einem Wiederverkauf einen Verlust von 26 Prozent aufweisen.<br />
In Apotheken werden Arzneimittel nur noch gegen<br />
Barzahlung abgegeben. Pharmazeutische Firmen stoppen<br />
die Lieferung von Arzneimitteln und anderer Produkte an<br />
staatliche Krankenhäuser. Der Staat schuldet den Lieferanten<br />
für medizinisches Material rund zwei Milliarden Euro.<br />
Aus Protest haben Rentner das Gesundheitsministerium<br />
gestürmt.<br />
Portugal<br />
2012 ist der Etat des Gesundheitswesens um<br />
10 Prozent gekürzt worden. Sprechstunden<br />
und die Zahl von Operationen wurden gekürzt. An einem<br />
Streik in Krankenhäusern haben sich 90 Prozent der<br />
Beschäftigten beteiligt. Die Schulden des Gesundheitssystems<br />
bei pharmazeutischen Firmen belaufen sich auf<br />
1,5 Milliarden Euro. Rechnungen von pharmazeutischen<br />
Firmen werden oft erst nach Monaten beglichen.<br />
Spanien<br />
In Spanien hat die Überalterung der Bevölkerung<br />
in Verbindung mit steigenden Arzneimittelpreisen<br />
die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung<br />
in den letzten 15 Jahren stark ansteigen lassen.<br />
Das Defizit im Gesundheitswesen beläuft sich auf rund<br />
15 Milliarden Euro. 2011 wurde ein Gesetz mit Einsparungen<br />
von 1,8 Milliarden Euro und damit von 10 Prozent der<br />
Gesamtausgaben für die Gesundheitsversorgung verabschiedet.<br />
Dies hat Auswirkungen auf die regionale<br />
Gesundheitsversorgung. So werden in Regionen Gesundheitsbehörden<br />
geschlossen. Die katalonische Regierung<br />
will jedes zweite Gesundheitszentrum schließen.<br />
Die Krankenhäuser haben Außenstände von rund 5,4 Milliarden<br />
Euro. Viele Krankenhäuser begleichen ihre Rechnungen<br />
sehr spät. Forderungen an Krankenhäuser belaufen<br />
sich auf 12 Milliarden Euro. Krankenhäuser fahren auch<br />
Not- und Nachtdienste zurück. Die Zahl an Ärzten wird<br />
reduziert, Ärzte erhalten oft nur kurzfristige Zeitverträge.<br />
Als Folge dieser Entwicklung sind in der pharmazeutischen<br />
Industrie 5.000 Arbeitsplätze, in anderen in der Gesundheitswirtschaft<br />
tätigen Bereichen bis zu 20.000 Arbeitsplätze<br />
gestrichen worden. Aus dem Arzneimittelkatalog wurden<br />
425 Arzneimittel gestrichen. <br />
F E B R U A R 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />
5<br />
P O L I T I S C H E S