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NZB 02/2013

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ungetrübt, wenn der Nachwuchs dafür auf das eigene<br />

Apartment verzichtet, das die Eltern als Ferienwohnung<br />

vermieten. Eine gastfreundliche Tradition. Schon hier<br />

beginnt der Unterschied zur Reiseindustrie.<br />

Paradoxerweise wird das Schimpfwort Tourismus aber<br />

ausgerechnet von öffentlichen Einrichtungen propagiert –<br />

mittels satter Budgets aus den Steuerkassen. Was sich früher<br />

in deutschen Ferienorten noch höflich Kurverwaltung oder<br />

Verkehrsverein nannte, biedert sich heute in schrillen Tönen<br />

an: Als kommunale Tourismus Marketing GmbHs oder<br />

bestenfalls als Tourist Info. Ein engmaschiges Netzwerk mit<br />

dem Auftritt drittklassiger Werbeagenturen; von der Reisekultur<br />

so weit entfernt wie die Pillenreklame von einer<br />

Landarztpraxis.<br />

Solange zigtausend Gastgeber – die Eigentümer privater<br />

Ferienhäuser und Ferienwohnungen – diesen Unfug mit<br />

Steuerzahlungen finanzieren, haben die Bürger ein Anrecht<br />

auf gemeinnützige Dienstleistung inklusive zivilisierter<br />

Namensgebung. Zum Beispiel Kurgast-Büro oder Gäste-<br />

Service, Besucher-Information oder Ferien-Information.<br />

Auch in deutschen Amtsstuben sollte sich herumgesprochen<br />

haben, dass „Touristen“ andernorts auf der Welt<br />

zunehmend ausgesperrt werden. Von Venedigs Bürgermeister<br />

ebenso wie von Nationalparks in der Dritten Welt<br />

– wegen Umweltschädigung. Ganz im Gegensatz zu den<br />

allerorts willkommenen Privatgästen.<br />

Eine weitere Folge der Übersättigung ist der Verdrängungswettbewerb<br />

zu Lasten von Qualität und Leistung. Und zu<br />

Lasten eines fairen Wettbewerbs bei Angebot und Nachfrage.<br />

Früher, zu Zeiten der Schwerindustrie, haben mutige<br />

US-Politiker noch Anti-Trust-Gesetze geschaffen und sind<br />

dafür nicht selten erschossen worden. Heute sitzen Politiker<br />

in hochdotierten Aufsichtsräten und stehen als „Berater”<br />

auf der Payroll börsennotierter Konzerne. Eine dreiste Interpretation<br />

von nachhaltigem Wettbewerb.<br />

Wie konnten die Exzesse im Freizeitmarkt entstehen?<br />

Mangels Alternativen im eigenen Land oder nur mangels<br />

Vernunft? Das ist nicht nur ein Thema für die Empirische<br />

Sozialforschung – auch für die Psychoanalyse, also für<br />

Erich Fromm. Ein treffendes Zitat des deutschstämmigen<br />

US-Philosophen: „Funktionales Eigentum ist ein existenzielles<br />

Bedürfnis des Menschen; institutionalisiertes Eigentum<br />

hingegen befriedigt ein pathologisches Bedürfnis.”<br />

Entfremdung ist nach Erich Fromm die Krankheit des modernen<br />

Menschen. Wikipedia hat die Definition Entfremdung<br />

nach dem Philosophen und Psychoanalytiker Fromm so<br />

zusammengefasst:<br />

Der Mensch wird zum Götzendiener, der das Werk seiner<br />

eigenen Hände anbetet. Er ist nur noch damit beschäftigt<br />

zu arbeiten, um konsumieren zu können. Er möchte viel<br />

haben statt viel zu sein. Machtstreben, Vergnügungssucht<br />

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© Mopic/Fotolia.com<br />

und Besitz verdrängen Liebe, Freude und persönliches<br />

Wachstum. Ängstlichkeit verbindet sich mit der Unfähigkeit<br />

zu lieben. Der moderne Mensch flieht in ein leeres Geschäftigsein.<br />

An die Stelle der traditionellen Werte des Guten,<br />

Schönen und Wahren, die der Entfaltung des Menschen<br />

dienten, ist der technologische Wert getreten: Das technisch<br />

Mögliche wird zum Selbstzweck; ist etwas technisch<br />

möglich, dann wird es auch getan. Nach Fromm soll man<br />

sich der humanistischen Alternative bewusst werden. Der<br />

Humanismus geht vom fühlenden, lebendigen, leidenden<br />

und denkenden Menschen als der zentralen Kategorie aus.<br />

Milton Friedman:<br />

„Der Euro wird die erste schwere Krise nicht überleben.”<br />

Stichwort „denkender Mensch”: Milton Friedman hat in seinem<br />

langen Leben als empirisch arbeitender Ökonom und<br />

als liberaler Freidenker gewirkt, das Individuum und seine<br />

Freiheit ins Zentrum seiner Überlegungen gestellt und dem<br />

Staat wenig Vertrauen entgegengebracht. „Der Euro wird die<br />

erste schwere Krise nicht überleben.” Diese Prophezeiung<br />

machte der Wirtschaftsnobelpreisträger bereits 1999, ein Jahr<br />

vor Einführung der EU-Währung. Er blieb ein überzeugter<br />

Anhänger des staatlichen Geldmonopols. Er lehnte den<br />

privaten (Banken-) Geldmarkt ebenso ab wie die Deckung<br />

von Geld durch Edelmetalle oder Rohstoffe, die er als reine<br />

Verschwendung von Ressourcen betrachtete.<br />

Das Szenario heute, frei nach Friedman: Die US-Notenbank<br />

Fed ist de facto eine Privatbank. Was die Euro-Notenbank<br />

EZB de facto ist, weiß niemand so recht, solange die<br />

Brüsseler EU von privaten Parteifürsten regiert wird und<br />

nicht von gewählten Bürgern. War die alte EWG noch eine<br />

vernünftige Freihandelszone, so hat sich die EU zu einer<br />

Neuauflage des Kaiserreichs entwickelt, regiert von Geldpäpsten<br />

und Landesfürsten. Ein feudaler Überstaat am<br />

Tropf bevormundeter Steuerzahler – das schiere Gegenteil<br />

einer Demokratie. Von einem krankhaften Narzissmus befallen,<br />

der selbst vor dem eigenmächtig propagierten Endziel<br />

„Vereinigte Staaten von Europa” nicht zurückschreckt.

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