Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
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III<br />
Wirtschaft und Gesellschaft<br />
Karima Aziz (Wien)<br />
Remigration – die neue polnische Migration?<br />
Karima Aziz (geb. 1985) studierte Politikwissenschaft und Slawistik/ Polonistik an der Universität<br />
Wien. 2007 Projektbezogene Mitarbeit am Zentrum für Soziale Innovation in Wien, 2008 Praktikum<br />
im Verbindungsbüro des Landes Salzburg <strong>zur</strong> EU in Brüssel, 2008 Praktikum am Österreichischen Kulturforum<br />
sowie am Österreich <strong>Institut</strong> in Warschau. 2008/2009 Diplomandin am <strong>Institut</strong> für Politikwissenschaft<br />
der Universität Wien mit der Forschungsarbeit Polnische Pflegerinnen in Österreich. Ein<br />
Beitrag <strong>zur</strong> Diskussion über migrantische Haushaltsarbeit, gefördert durch die FP Geschlechterforschung<br />
der Universität Innsbruck. 2008/2009 Diplomandin am <strong>Institut</strong> für Slawistik der Universität<br />
Wien mit der Forschungsarbeit Remigration – die neue polnische Migration.<br />
Das britische <strong>Institut</strong>e for Public Policy Research<br />
und BBC haben Ende April 2008 berichtet,<br />
dass bereits die Hälfte der <strong>Polen</strong>, die<br />
in Folge des EU-Beitritts <strong>Polen</strong>s 2004 nach<br />
Großbritannien gekommen waren, wieder<br />
remigriert sind. Diese Tendenzen von temporärer<br />
Migration und darauf folgender Remigration<br />
oder möglicher Weiterwanderung,<br />
von IPPR als »super mobility« bezeichnet, verändern<br />
die klassische Konzeption von Migration<br />
als einem längerfristigen Wohnsitzwechsel.<br />
1 Gründe für diese Rückkehrbewegung<br />
werden von IPPR vor allem in der Verbesserung<br />
der wirtschaftlichen Situation und der<br />
Verkleinerung der potentiellen Einkommensunterschiede<br />
gesehen. Die europäische Freizügigkeit<br />
fördert zudem das hohe Maß an<br />
Mobilität, da in Emigration weniger Ressourcen<br />
investiert werden müssen als noch vor<br />
wenigen Jahren. Hinzu kommt die aktive Rolle<br />
des polnischen Staates, welcher durch<br />
Fördermaßnahmen und Steuererleichterungen<br />
polnischen MigrantInnen die Rückkehr<br />
erleichtert. Das Phänomen des brain waste<br />
und eine daraus folgende Frustration sowie<br />
das Entstehen eines transnationalen sozialen<br />
Raumes und migrantischer Gemeinschaften<br />
wirken remigrations-förderlich. Aus Remigration<br />
entsteht jedoch auch die Notwendigkeit<br />
<strong>zur</strong> Reintegration, welche in <strong>Polen</strong> bereits zu<br />
Problemen wie psychischen Erkrankungen<br />
und Schwierigkeiten mit der Einschulung<br />
migrantischer Kinder geführt hat.<br />
Theorien zu Migration, mobilen Migrationsmustern<br />
und Remigration weisen auf unterschiedlichste<br />
Motive für eine Rückkehr hin.<br />
Demnach können die langjährige Entwicklung<br />
einer hohen Mobilitätsbereitschaft, das<br />
Entstehen transnationaler Identitäten sowie<br />
soziale Netzwerke die Remigrationsentscheidung<br />
fördern. Gemäß der neoklassischen<br />
24<br />
Ökonomie stellt eine Rückkehr jedoch die<br />
Folge einer gescheiterten Migrationserfahrung<br />
dar. Im Gegensatz dazu konzipiert die<br />
Theorie der New Economics of Labour Migration<br />
Remigration als bewusst entschiedene<br />
Haushaltsstrategie. Der strukturelle Ansatz zu<br />
Remigration betont hingegen die soziale und<br />
kontextuelle Bedingtheit derartiger Entscheidungen.<br />
Es bestehen mehrere nachfrageabhängige<br />
pull und angebotsabhängige push<br />
Faktoren sowie Mikro- und Makro- Aspekte,<br />
welche die Dynamik internationaler Migration<br />
und Remigration formen. Es liegt nun an der<br />
empirischen Forschung die dominierenden<br />
Faktoren zu identifizieren. 2<br />
Die Situation polnischer MigrantInnen und ihre<br />
Motive für eine Rückkehr stellen das Erkenntnisinteresse<br />
dieser Forschungsarbeit dar.<br />
Um die individualisierte Ebene der polnischen<br />
Remigration untersuchen zu können, bieten<br />
sich mehrere Weblogs wie szc<strong>zur</strong>a.blox.pl,<br />
bellacreatura.blox.pl, blog.swojak.info,<br />
alexba.eu, emigracja.blog.pl und<br />
emigranci.blog.pl an, in welchen (re-)migrierte<br />
Personen ihre individuellen Erfahrungen<br />
beschreiben und so öffentlich zugänglich<br />
machen. Die Inhalte dieser Blogs werden<br />
mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach<br />
Mayring 3 entlang der deduktiv hergeleiteten<br />
Hypothesen untersucht.<br />
1 vgl. http://www.ippr.org/articles/?id=3125, vgl.<br />
http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/ 7371180.stm<br />
zuletzt abgerufen am 10.05.08<br />
2 vgl. Jean-Pierre Cassarino: Theorising Return Migration:<br />
The Conceptual Approach to Return Migrants<br />
Revisited. In: International Journal on Multicultural<br />
Societies (IJMS), Vol. 6, No. 2, 2004, S. 253-279,<br />
www.unesco.org/shs/ijms/vol6/issue2/art4 zuletzt abgerufen<br />
am 11.01.2009<br />
3 vgl. Philipp Mayring: Qualitative Inhaltsanalyse:<br />
Grundlagen und Techniken. 9. Aufl., Weinheim (u.a.)<br />
2007.