Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
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Prof. Dr. Alfred Gall (Mainz)<br />
Internationalität und Globalisierung: Strategien der Selbstverortung in der polnischen Literatur<br />
Univ.-Prof. Dr. Alfred Gall (1971), Professor für westslavische Literatur- und Kulturwissen-schaft an<br />
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Forschungen v.a. <strong>zur</strong> polnischen und russischen, aber<br />
auch serbischen und kroatischen Literatur. Forschungsgrundlagen: Systemtheorie, Poststrukturalismus,<br />
Pragmatismus, Postcolonial Studies). Veröffentlichungen: Hermetische Romantik: Die religiöse<br />
Lyrik und Versepik F.N. Glinkas aus systemtheoretischer Sicht (2001); Performativer Humanismus: Die<br />
Auseinandersetzung mit Philosophie in der literarischen Praxis von Witold Gombrowicz (2007); Mitherausgeber<br />
von: Romantik und Geschichte. Polnisches Paradigma, deutsch-polnische Perspektiven<br />
(2007)<br />
Für die polnische Kultur ist Migration nicht erst<br />
ein Phänomen der Gegenwart. Zu nennen<br />
wären Migrationsbewegungen im 19. Jahrhundert,<br />
die Emigration aus der Volksrepublik<br />
<strong>Polen</strong> oder in jüngster Vergangenheit die Arbeitsmigration.<br />
In der literatur- und kulturwissenschaftlichen<br />
Forschung ist die Problematik<br />
der Migration vorwiegend unter dem Gesichtspunkt<br />
der politischen und gesellschaftlichen<br />
Umstände erforscht und in den Zusammenhang<br />
der nationalen Selbstbehauptung<br />
oder auch des Neuentwurfs kultureller Identität<br />
betrachtet worden. Weniger Aufmerksamkeit<br />
ist dabei der Tatsache geschenkt<br />
worden, dass die Emigration nicht nur vor<br />
dem Hintergrund der polnischen Nationalkultur<br />
situiert werden kann, sondern auch eine<br />
eigene Dimension der Internationalität enthält.<br />
Mann kann dieses Problem auch als Selbstverortung<br />
in einem variablen internationalen<br />
Kontext erfassen, wobei auch die prekäre, oft<br />
auf Marginalisierung beruhende Stellung der<br />
Migranten zu berücksichtigen ist. Fragen einer<br />
durch Asymmetrien und Marginalisierung<br />
geprägten kulturellen Selbstverortung sind<br />
von den Postcolonial Studies aufgenommen<br />
worden, deren Begrifflichkeit an polnischen<br />
Beispielen getestet werden soll.<br />
<br />
32<br />
Im Rahmen des Vortrags sollen an exemplarischen<br />
Texten, die dem historischen Kontext<br />
der polnischen Emigrationskultur entstammen,<br />
unterschiedliche Facetten der literarischen<br />
Modellierung polnischer Identitäten<br />
unter den Bedingungen von Emigration und<br />
Migration besprochen werden. Dabei interessiert,<br />
wie die in den Texten erfolgende Selbstverortung<br />
zugleich einen spezifischen Horizont<br />
der Internationalität aufspannt, vor dem<br />
dann der eigene Standort umrissen wird. Der<br />
Zusammenhang von Selbstverortung und<br />
Verweis auf den korrelierten Bezugshorizont<br />
von Internationalität soll auf der Basis der<br />
Postcolonial Studies erörtert werden, denn<br />
Begriffe wie Hybridität, Mimikry, inbetweenness<br />
oder Handlungsmacht umreißen das<br />
Problemfeld, in dem das literarische Verhandeln<br />
von Identitätsmustern situiert ist und das<br />
am Beispiel polnischer Texte in einer historischen<br />
Perspektive untersucht werden soll. Erörtert<br />
werden Texte von Adam Mickiewicz,<br />
Czesław Miłosz und Gegenwarts-autorinnen<br />
wie Iwona Słabuszewska-Krauze oder Magdalena<br />
Orzeł. Damit soll ein Überblick über<br />
divergierende Strategien der kulturellen<br />
Selbstverortung im Kontext der Migration gewonnen<br />
werden.