Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
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Dr. Katrin Steffen (Lüneburg)<br />
Naturwissenschaftler in Bewegung. <strong>Polen</strong> als Ort transnationaler Wissenskommunikation und Verflechtungsgeschichte<br />
im späten 19. und im 20. Jahrhundert<br />
Katrin Steffen studierte Osteuropäische und Neuere Geschichte sowie Slawistik an den Universitäten<br />
Gießen, Mainz, der TU, HU und der FU Berlin; 1996-1999 Mitarbeit an einer deutsch-polnischen<br />
Quellenedition <strong>zur</strong> Vertreibung und Zwangsaussiedlung der Deutschen aus <strong>Polen</strong>; Promotion 2002<br />
in Neuerer Geschichte an der FU Berlin, 2002-2007 Wiss. Mitarbeiterin am DHI Warschau, März/April<br />
2006 Gastwiss. am GWZO Leipzig; 2007-2008 Forschungsstipendiatin an der Universität Halle/Wittenberg;<br />
seit Juli 2008 Wiss. Mitarbeiterin am Nordost-<strong>Institut</strong> an der Universität Hamburg. Arbeitsschwerpunkte:<br />
Geschichte <strong>Polen</strong>s in ihren europäischen Bezügen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert;<br />
Geschichte der Juden und der Polyethnizität in Ost- und Ostmitteleuropa; Transnationale<br />
Wissenschafts- und Migrationsgeschichte; Internationale Netzwerke; Europäische Geschichts- und<br />
Gedächtniskulturen; Geschichte der Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert.<br />
Im Zentrum des Beitrags stehen die Lebensläufe<br />
polnischer Wissenschaftler, die vor 1918<br />
in nicht-polnischen Strukturen West- oder<br />
Osteuropas ausgebildet worden sind und<br />
dort begonnen hatten, in ein universitäres<br />
oder industrielles Arbeitsleben einzutreten. Ein<br />
Teil dieser im Ausland ausgebildeten und sozialisierten<br />
Wissenselite remigrierte nach 1918<br />
nach <strong>Polen</strong>, besonders in die Hauptstadt<br />
Warschau, aber zum Beispiel auch in das intellektuelle<br />
Zentrum Lemberg, in dem unter<br />
anderem Ludwik Fleck lebte und wirkte.<br />
Zu solchen Remigranten gehörten der Hydrotechniker<br />
Gabriel Narutowicz aus Zürich, der<br />
spätere Staatspräsident <strong>Polen</strong>s, der im Jahre<br />
1922 ermordet wurde, der Physiker Mieczysław<br />
Wolffke aus Zürich und Heidelberg,<br />
der an der Erfindung der Hologramme beteiligt<br />
war, sowie Ludwik Hirszfeld, der Mediziner<br />
und Mikrobiologie, auf den die Einteilung in<br />
die Blutgruppen A, B und 0 <strong>zur</strong>ückgeht. Aus<br />
Riga und später der Schweiz wiederum kehrte<br />
der Chemiker Ignacy Mościcki nach <strong>Polen</strong><br />
<strong>zur</strong>ück, bevor er von 1926 bis 1939 Staatspräsident<br />
seines Landes wurde. Anhand eines<br />
Teils der Biographien dieser Wissenschaftler<br />
(Wissenschaftlerinnen befinden sich kaum in<br />
dieser Gruppe, scheint doch diese Art von<br />
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transnationaler Elitenmigration vor allem ein<br />
männlich dominiertes Phänomen zu sein)<br />
wird in dem Beitrag inhaltlich und methodologisch<br />
nach dem Wissenstransfer durch Migration<br />
oder andere Bewegung von Menschen<br />
über Grenzen hinweg, nach der transnationalen<br />
Wissenskommunikation und ihrer<br />
Auswirkung auf Innovation sowie nach dem<br />
Spannungsverhältnisses zwischen Nationalismus,<br />
Transnationalität sowie dem universalen<br />
Ethos der Natur- und Technikwissenschaften<br />
gefragt.<br />
Anhand der nicht linearen und von Brüchen<br />
gekennzeichneten Biographien derjenigen,<br />
die oftmals in zwei bzw. mehreren Wissenschaftskulturen<br />
zu Hause waren, soll herausgefunden<br />
werden, aufgrund welcher Erfahrungen,<br />
warum und wie bestimmte Fortschritte,<br />
Denkstile bzw. Erfindungen entstanden<br />
sind und welchen Einfluss Faktoren wie Nation,<br />
Sprache, aber auch Konfession, der Ort<br />
der Ausbildung und die umgebende Gesellschaft<br />
sowie ihre Kultur darauf ausgeübt haben.<br />
Dabei berühren diese Fragestellungen<br />
wegen der internationalen Verortung und<br />
Vernetzung der Wissenschaftler nicht ausschließlich<br />
<strong>Polen</strong>.