Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Im Mai 2008 hat offiziell das Vorhaben begonnen,<br />
ein gemeinsames deutschpolnisches<br />
Geschichtsbuch zu verfassen. Das<br />
Projekt fußt auf der seit 1972 andauernden<br />
Arbeit der Gemeinsamen deutschpolnischen<br />
Schulbuchkommission. Dieser haben<br />
Regierungsvertreter beider Länder auch<br />
eine führende Rolle bei dem Vorhaben zugewiesen.<br />
Die grundlegenden Entscheidungen zu Strukturen<br />
und Verantwortlichkeiten wurden folgendermaßen<br />
getroffen: alle Gremien und<br />
Arbeitsgruppen sind paritätisch besetzt. Neben<br />
einem Steuerungsrat, eine Art Kuratorium,<br />
wurde ein binationaler Expertenrat eingerichtet,<br />
der sich überwiegend aus Präsidiumsmitgliedern<br />
der Schulbuchkommission zusammensetzt<br />
und den Arbeits- und Publikationsprozess<br />
redaktionell betreut. Wichtige<br />
Funktionen haben die Vorsitzenden der<br />
Schulbuchkommission Prof. Michael G. Müller<br />
(Halle) und Prof. Robert Traba (Berlin/Warschau)<br />
inne, die als Beauftragte der<br />
beiden Regierungen für das Schulbuchprojekt<br />
fungieren. Die wissenschaftliche Koordination<br />
des Projekts wurde Prof. Krzysztof<br />
Ruchniewicz (Wrocław) und Prof. Simone Lässig,<br />
der Direktorin des Georg-Eckert-<strong>Institut</strong>s<br />
übertragen. Wissenschaftliche Sekretäre sind<br />
Dr. Dariusz Wojtaszyn (Wrocław) und Thomas<br />
Strobel (Braunschweig).<br />
Wie im deutsch-französischen Fall, so soll<br />
auch hier ein Geschichtsbuch konzipiert<br />
werden, das regulär im Unterricht eingesetzt<br />
werden kann, also mit den Lehrplänen der<br />
jeweiligen Staaten so weit als möglich konform<br />
geht. Gleichwohl gibt es signifikante Unterschiede:<br />
Das deutsch-polnische Geschichtsbuch,<br />
das die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte<br />
in ihren europäischen Zusammenhängen<br />
erfassen und den Blick für<br />
transnationale Verflechtungen zeigen wird,<br />
soll möglichst vielen Schülern und Schülerinnen<br />
zugänglich sein. Deshalb richtet sich das<br />
Buch nicht an die gymnasiale Oberstufe,<br />
sondern an die Sekundarstufe I. Der erste<br />
Band des gemeinsamen Geschichtsbuches<br />
wird die Zeit von Mittelalter und früher Neu-<br />
x» Zwischenzeiten « IIx<br />
A <strong>Polen</strong> in der Schule<br />
1. Projekt »Deutsch-polnisches Schulbuch«<br />
Vorstellung durch Thomas Strobel (Braunschweig)<br />
59<br />
zeit behandeln, die Bände 2 und 3 das 19.<br />
bzw. das 20. Jahrhundert.<br />
Die Entscheidung für diese Konzeption basiert<br />
über weite Strecken auf einer Studie, die das<br />
Georg-Eckert-<strong>Institut</strong> erstellt hat. Thomas<br />
Strobel und Hanna Grzempa haben die<br />
Lehrpläne <strong>Polen</strong>s sowie aller 16 deutschen<br />
Bundesländer für beide Sekundarstufen analysiert<br />
und dabei vor allem nach thematischen<br />
Schnittmengen und Unterschieden gefragt.<br />
So sollte garantiert werden, dass das<br />
Buch in der Schulpraxis so große Einsatzmöglichkeiten<br />
wie nur möglich bieten wird. Die<br />
Ergebnisse bestätigten zunächst die Einschätzung<br />
der deutsch-polnischen Schulbuchkommission,<br />
dass deutsche Geschichte zwar<br />
ein zentraler Bestandteil des polnischen Geschichtsunterrichts<br />
ist, aber polnische Geschichte<br />
in den meisten deutschen Lehrplänen<br />
nur eine marginale Rolle spielt. Die Autoren<br />
der Studie konstatierten gleichwohl, dass<br />
die Lehrpläne beider Seiten über alle Epochen<br />
hinweg, und besonders für die Sekundarstufe<br />
I eine ausreichend große Basis gemeinsamer<br />
Themen aufweisen.<br />
Eine Herausforderung ist das Projekt dennoch:<br />
Erstens müssen die Verantwortlichen<br />
eine konzeptionelle Antwort darauf finden,<br />
wie mit den teilweise großen Anteilen der Nationalgeschichte,<br />
die im Nachbarland nicht<br />
behandelt werden, umzugehen ist. Zweitens<br />
sind die Autorenteams gefordert, die unterschiedlichen<br />
didaktischen Kulturen der beiden<br />
Länder angemessen zu berücksichtigen<br />
und ihnen auf eine Art und Weise gerecht zu<br />
werden, die die Akzeptanz des Buches sicherstellt.<br />
Und dennoch: Die Rahmenbedingungen, ein<br />
gemeinsames Geschichtsbuch zu verfassen,<br />
waren wohl noch nie so günstig wie <strong>zur</strong>zeit.<br />
Sowohl die Bundesregierung als auch die<br />
polnische Regierung befürworten das Projekt<br />
und finanzieren es paritätisch. Die Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) beurteilt das Vorhaben<br />
wohlwollend. Sie hat das Land Brandenburg<br />
beauftragt, die Interessen der Bundesländer<br />
in diesem Projekt zu vertreten.